Bürger sehen Wohlstand im Land gefährdet
Der Wohlstand der deutschen Bürger ist in Gefahr und die sozialen Unterschiede werden dadurch eher wachsen: So urteilt eine Mehrheit der Deutschen laut einer jetzt veröffentlichten repräsentativen Umfrage der Universität Hohenheim und der ING-DiBa AG.
03.03.2015
Als Folge der Wohlstandsgefährdung fürchtet außerdem jeder Dritte sogar negative Auswirkungen auf die Demokratie. Was ihren persönlichen Wohlstand betrifft, blicken 79 Prozent der Befragten für sich und ihre Familien zuversichtlich in die Zukunft – obwohl rund zwei Drittel der Bürger angeben, dass ihnen am Ende des Monats kaum Geld für Rücklagen übrig bleibt.
Die Kommunikationswissenschaftlerin der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Claudia Mast, sieht die gefühlte Betroffenheit bei den Befragten derzeit noch als gering: „Niedrige Zinsen, wenig attraktive Lebensversicherungen, Währungsturbulenzen – unangenehme Nachrichten erreichen die Bürger durchaus, werden aber noch nicht als bedrohlich für den eigenen Wohlstand angesehen.“ Ermittelt wurden diese Ergebnisse in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage durch forsa. Vom 12. bis 21. Januar 2015 nahmen insgesamt 1.007 Bürger an der Umfrage im Auftrag der Universität Hohenheim und der ING-DiBa AG teil.
Ein Drittel der Befragten sieht die Demokratie gefährdet
Dennoch kann die Ruhe der Befragten trügerisch sein, warnt die Expertin der Universität Hohenheim, denn: „So sehr die befragten Bürger gefühlsmäßig die Risiken für ihren Wohlstand wegschieben oder gar verdrängen, so klar ist doch ihr Blick für die Wohlstandsrisiken in der Gesellschaft und deren negative soziale Konsequenzen.“
83 Prozent der Befragten geben die Überzeugung an, dass die Gefährdung des Wohlstands die sozialen Unterschiede vergrößert. 56 Prozent sehen die Werte und den Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft gefährdet. 80 Prozent sind davon überzeugt, dass diese Entwicklung die Gesellschaft noch lange beschäftigen wird, vor allem da nur 16 Prozent glauben, dass die Verantwortlichen diese Gefahren im Griff haben. 37 Prozent gehen sogar davon aus, dass diese Entwicklungen die Demokratie beeinträchtigen werden. 28 Prozent vermuten, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft darunter zu leiden hat. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen somit vor allem, wie unterschiedlich die Einschätzung der eigenen Lage und die Einschätzung von Risiken im Umfeld sind.
Kommunikationsprofessorin warnt Politiker vor trügerischer Ruhe
Aus Sicht des Einzelnen kann die Kommunikationsprofessorin Mast diese Ergebnisse nachvollziehen – warnt aber vor den gesellschaftspolitischen Konsequenzen. „Unangenehmes versuchen Menschen meist so lange wie möglich von sich wegzuschieben oder gar auszublenden“, so Mast. „Die politische Rhetorik unterstützt diese Haltung und legt sich wie Mehltau über Risiken und Gefahren.“ So gesehen könne sich die Ruhe der befragten Bürger als trügerisch erweisen. „Sie kann plötzlich umschlagen, wenn unangenehme Fakten und Entwicklungen, zum Beispiel in der Folge der neuen griechischen Politik, für den Einzelnen spürbar werden.“
Angesichts möglicher Krisen könnten Bürger zunehmend emotional agieren
Wohlstand spricht das Sicherheitsbedürfnis der Menschen an. Und wenn dieser reduziert werde – durch sinkende Reallöhne oder offenkundige Lücken in der Altersversorgung – setzen meist schwer kalkulierbare Prozesse der Meinungsbildung ein, warnt die Expertin der Universität Hohenheim. Dann gäben nämlich Emotionen den Ton an. „Man kann diese Prozesse mit dem abstrakten Krankheitsrisiko und der unangenehmen Diagnose beim Arzt vergleichen. Wer gesund ist, kann viele Nachrichten über Krankheiten relativ gelassen zur Kenntnis nehmen. Nach den ersten Anzeigen einer Erkrankung oder aber einer klaren Diagnose reagieren viele Menschen sehr unterschiedlich – von hysterisch über ängstlich bis hin zu verunsichert oder gar stoisch.“
Hintergrund zur aktuellen Studie
Die regelmäßigen Umfragen der Gemeinschaftsstudie der Universität Hohenheim und der ING-DiBa AG widmen sich ausgewählten Wirtschaftsthemen und Wirtschaftsproblemen der Bürger. Bisherige Studien befassten sich mit der Euro- und Verschuldungskrise (Juli 2013), der Energiewende (Januar 2014) und der Preisentwicklung (Mai/Juni 2014) in repräsentativen Bevölkerungsumfragen.