Schluss mit Wohnungsknappheit, steigenden Mieten und Verdrängung
Die Nachfrage nach Wohnraum sowie die Preise sind aus verschiedenen Gründen stark gestiegen – und werden es weiter tun. Die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum gehört daher nach Meinung von 30 Oberbürgermeistern, die sich im Rahmen des Dialogs „Nachhaltige Stadt“ mit dem Thema auseinandergesetzt haben, ganz oben auf die politische Tagesordnung.
29.09.2015
Bis vor zwei Jahren war die Neubautätigkeit auf ein historisches Tief gesunken. In vielen Städten entstanden fast nur noch hochpreisige Eigentums- oder Mietwohnungen in guten Lagen. Deswegen und aufgrund der wachsenden Beliebtheit des urbanen Wohnens sowie des Drängens neuer Kapitalmarktakteure auf den Immobilienmarkt ist in vielen Städten die Nachfrage nach Wohnraum massiv gestiegen – und die Preise sind es ebenso. Die Knappheit wird sich perspektivisch weiter zuspitzen. Bereits heute ist es in einigen Ballungsgebieten für viele Menschen schwierig, angemessenen Wohnraum zu finden. Insbesondere in zentralen Lagen nimmt der Konkurrenzdruck zu, nicht nur zwischen den Wohnraumsuchenden, sondern auch zwischen verschiedenen Nutzungen: Ist der Erhalt grüner Freiflächen wichtiger, die Schaffung von Wohnraum, Platz für Gewerbeansiedlungen oder für Angebote des Einzelhandels und der Gastronomie?
Vor diesem Hintergrund haben sich 30 Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister, die am Dialog „Nachhaltige Stadt“ des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) teilnehmen, umfassend mit Fragen der sozial gerechten und ökologisch verträglichen Versorgung mit Wohnraum befasst. Grundlage hierfür lieferte das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) mit seiner aktuellen Studie, die sich auch mit den Themen nachhaltige kommunale Finanzen und nachhaltige Mobilität befasst.
Die Studie mit dem Titel „Städte auf Kurs Nachhaltigkeit“ bildet den Stand der wissenschaftlichen Diskussion ab und nimmt Bezug auf aktuelle Positionspapiere der Kommunen sowie auf Interviews, die das Difu mit den Oberbürgermeistern führte. Darin beschreiben die Wissenschaftler die Herausforderungen und mögliche Lösungswege.
Das gemeinsame Statement „Notwendiger denn je – gemeinsam für eine nachhaltige Entwicklung in Kommunen“ (S. 86 ff.) als Schlussfolgerung aus der Difu-Studie unterzeichneten die Oberbürgermeister von Augsburg, Bad Homburg, Bonn, Bottrop, Darmstadt, Delitzsch, Düsseldorf, Erfurt, Essen, Frankfurt am Main, Freiburg, Friedrichshafen, Hannover, Heidelberg, Karlsruhe, Kassel, Köln, Konstanz, Leipzig, Lörrach, Ludwigsburg, Lüneburg, Münster, Norderstedt, Nürnberg, Osnabrück, Ravensburg, Rheine, Tübingen und Wernigerode.
Darin heißt es: „Unser Ziel ist es, aktiv der Spirale aus Wohnungsknappheit, Preissteigerungen und Verdrängung entgegenzuwirken, um qualitativ angemessenen und vor .allem bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Wir achten auf eine sozial verträgliche Erneuerung des Wohnungsbestands und fördern den sozialen Wohnungsneubau.“
Gleichzeitig wollen die Oberbürgermeister die energetische Verbesserung des Gebäudebestands kontinuierlich vorantreiben. Sozial gerechte Wohnraumversorgung müsse immer in Verbindung mit einer ökologischen Perspektive auf innerstädtische Grünflächen und Landschaft gesehen werden.
"Menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge hat oberste Priorität"
Auch die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen steht ganz oben auf der Agenda. Die Oberbürgermeister bekennen sich dazu, eine Willkommenskultur in ihren Städten zum dauerhaften Anliegen der Stadtspitze zu machen. „Die menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge hat oberste Priorität, ist ein wesentlicher Baustein der Integrationspolitik und eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ Ein weiteres Ergebnis aus der Arbeit des Dialoges „Nachhaltige Stadt“ ist die aktualisierte Neuauflage der erstmals 2010 erschienenen Grundsatzpublikation „Strategische Eckpunkte für eine nachhaltige Entwicklung in Kommunen“. Darin verpflichten sich die Oberbürgermeister, ihre Politik an den Prinzipien der Nachhaltigkeit auszurichten. Dazu gehört beispielsweise eine umfassende Beteiligung der Bürger an wichtigen Themen der Stadtpolitik, die Schaffung generationengerechter Finanzhaushalte, und die stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeit im Beschaffungs- und Vergabewesen. Bei größeren Investitionsprojekten sollen die Kosten geprüft werden, die sich auf den gesamten Lebenszyklus der Maßnahmen beziehen. Die Oberbürgermeister
richten sich in den Strategischen Eckpunkten auch mahnend an die Bundesregierung und die Länder: Sie seien bereit, sich die nationale Nachhaltigkeitsstrategie und die Strategien der Länder als Richtschnur zu eigen zu machen. Umgekehrt erwarteten sie aber, dass die Bundesregierung und Länder ihre Politiken stärker als bisher an dieser Richtschnur ausrichten. Sie sollten gesetzliche Regelungen, Fiskalpolitik und Förderprogramme stärker als bisher am Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung und generationengerechter Finanzen gestalten.