Politik

Toleriert Bund Tricksereien beim Spritverbrauch?

Seitdem in Deutschland der CO2-Ausstoß über die Höhe der Kfz-Steuer entscheidet, melden die Autohersteller immer unrealistischere Verbrauchswerte an die Zulassungsbehörden. Gleichzeitig weigert sich das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), die Herstellerangaben nachzuprüfen und falsche Werte zu korrigieren.

04.03.2016

In der Folge findet derzeit anstelle eines Wettbewerbs um die beste verfügbare Technologie zur Emissionsminderung ein Wettkampf um immer gewagtere, illegale Tricksereien statt, der den Autokäufern, der Umwelt und dem Staat schadet. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert deshalb die Einrichtung einer von der Autolobby unabhängigen Stelle beim Umweltbundesamt, die falsche Spritverbrauchsangaben überprüft und konkreten Beschwerden von Autohaltern nachgeht.

DUH-Untersuchungen der TOP-10 Pkw-Zulassungen für das Jahr 2015 haben ergeben, dass die Abweichungen zwischen Herstellerangaben und Realverbrauch auf durchschnittlich 42 Prozent angewachsen sind. Laut Transport and Environment (T&E) auf Datenbasis von ICCT schneidet Mercedes mit der E-, A- und C-Klasse und Abweichungen von jeweils über 50 Prozent am schlechtesten ab, gefolgt vom 5er BMW mit über 45 Prozent. Nach Berechnungen der DUH betragen die Mehrkosten für den Autohalter über die Nutzungsdauer eines Fahrzeugs circa 4.000 bis 6.000 Euro. Der finanzielle Schaden durchSteuermindereinnahmen beträgt in diesem Jahr 2,2 Milliarden Euro.

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Wirksamer Verbraucherschutz nach amerikanischem Vorbild

Gemeinsam mit dem Gründer der amerikanischen Verbraucherschutzorganisation Consumer Watchdog, Harvey Rosenfield, präsentierte die DUH jetzt in Berlin, wie amerikanische Verbraucherschutzverbände und Behörden aufgrund besserer Verbraucherschutzrechte erfolgreich gegen Falschangaben von Fahrzeugherstellern beim Spritverbrauch vorgehen. Durch eine 2012 von Consumer Watchdog angestrengte Sammelklage gegen Kia und Hyundai gelang es beispielsweise, für 900.000 betroffene Autobesitzer eine finanzielle Kompensation und eine Korrektur der amtlichen Verbrauchsangaben durchzusetzen und die amerikanischen Behörden seitdem zu regelmäßigen Kontrollen von Neufahrzeugen zu bewegen. Weil ihre Fahrzeuge signifikant erhöhte Verbrauchswerte aufwiesen, mussten Kia und Hyundai eine Strafe von 300 Millionen US-Dollar an die Environmental Protection Agency (EPA) sowie mehrere hundert Millionen US-Dollar Schadenersatz an die betroffenen Autohalter zahlen.

„Wir fordern für Deutschland verbesserte Klagemöglichkeiten nach amerikanischem Vorbild für den Autohalter wie für Umwelt- und Verbraucherschutzverbände, um einen wirksamen Verbraucherschutz bei falschen Spritverbrauchs-, CO2- und sonstigen Schadstoffemissionen vor Gericht durchsetzen zu können. Die Erfolge von Consumer Watchdog zeigen, wie wirksamer Verbraucherschutz aussehen kann. Darüber hinaus sollte analog zur EPA in den USA das Umweltbundesamt behördliche Nachprüfungen der Herstellerangaben vornehmen. Das Kraftfahrtbundesamt ist hierfür gänzlich ungeeignet“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. „Doch anstatt den Millionen betroffenen Autofahrern bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber den Autokonzernen zu helfen verweigert Deutschland die seit Jahren vorgeschriebenen behördlichen Kontrollen und wirkungsvolle Sanktionen und verzichtet auf 2,2 Milliarden Euro Steuereinnahmen", so Resch weiter.

„Das Recht der amerikanischen Verbraucher, gemeinsam in Gruppenklagen ihre Interessen gegen die Hersteller vor Gericht durchzusetzen, ist der einzige Weg, um die Menschen vor dem Betrug der Autobauer zu schützen“, sagte Harvey Rosenfield.

In den vergangenen Jahren wurden in den USA auch Ford, BMW und Daimler mit falschen Spritverbrauchsangaben auffällig und mussten diese auf Druck der US-Behörden korrigieren. Die vom Staat durchgeführten Kontrollen, die transparente und sofortige Veröffentlichung der entdeckten Werte und abschreckend hohe Strafen führen heute in den USA dazu, dass die offiziellen Spritverbräuche nur um drei Prozent über den Herstellerangaben liegen.

Graphik: Herstellerangaben sind zunehmend unrealistisch.

Bundesverkehrsministerium verhöhnt Luftreinhaltung

In Deutschland dagegen werden seit fünf Jahren die Neufahrzeuge nur noch auf dem Papier sauberer. Nach offiziellen Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) ging der CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte zwischen 2009 bis 2014 von 154 auf 133 g CO2/km zurück. Korrigiert man diese offiziellen Werte allerdings um die von Jahr zu Jahr stärkeren Abweichungen, stiegen die realen CO2-Emissionen zwischen 2009 und 2014 sogar von 184 g CO2/km auf 186 g CO2/km an. Mitverantwortlich dafür sind immer stärkere Motoren und der Trend zu schweren SUVs.

Wie wenig Bundesverkehrsminister Dobrindt eine Verbesserung der Luftqualität interessiert, zeigt der derzeit durchgeführte Rückruf und das Softwareupdate beim VW Pritschenwagen Amarok. Nach Recherchen der DUH existieren offensichtlich keinerlei Vorgaben, auf welchen NOx-Wert die Dieselabgase abgesenkt werden müssen. Erste Messungen von Leistungsdaten und Emissionen des Fahrzeugs durch ein britisches Testlabor im Auftrag des Magazins „Auto, Motor und Sport“ zeigen nach dem Softwareupdate ein „Motor-Doping“: Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h wurde um knapp eine Sekunde verkürzt, der Motor hat mehr Drehmoment bekommen. Der Autohalter bezahlt diese Leistungssteigerung mit einem Spritmehrverbrauch von 0,5 bis 0,7 Liter/100 km. Und die die Gesundheit bedrohenden hohen NOx-Emissionen von 1.500 mg/km erhöhten sich durch das Softwareupdate sogar noch um 20 mg/km.

Da sich das KBA seit Oktober 2015 weigert, die technischen Auflagen zum VW-Rückruf offenzulegen, hat die DUH am 22. Januar 2016 Untätigkeitsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland erhoben.

Quelle: UD/na
 

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