Schutz von Insekten und Wildnis erstmals politische Ziele in Deutschland
Der NABU bewertet den neuen Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD als ambitioniert im Naturschutz, aber mutlos in der Verkehrs- und Klimapolitik. So nennt die GroKo erstmals den Schutz von Wildnis und Insekten als politische Ziele und verspricht umfassende Programme zu ihrem Schutz. Doch diese löblichen Maßnahmen drohen Stückwerk zu bleiben.
08.02.2018
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller: „Union und SPD haben den alarmierenden Zustand unserer Natur offensichtlich erkannt. Das ist gut und war dringend nötig. Die versprochenen Schutzmaßnahmen geben Anlass zur Hoffnung. Was allerdings fehlt, ist ein übergeordneter Plan, der Klima, Infrastruktur und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen zusammen denkt. Mit neuen Rekordinvestitionen in Verkehrsprojekte werden weitere Lebensräume zerschnitten und die stiefmütterliche Behandlung des Klimaschutzes wird unsere Ökosysteme stark unter Druck setzen.“
Der NABU begrüßt, dass die Große Koalition – neben dem neuen Wildnisfonds – das Nationale Naturerbe um 30.000 Hektar ausweiten möchte, mehr Flüsse renaturieren und erstmals auch eine Strategie zum Schutz der Moore entwickeln will. Zudem soll der Erhalt der biologischen Vielfalt zur Querschnittsaufgabe aller Politikfelder werden.
Landwirtschaft naturverträglich?
Als ermutigendes Zeichen wertet der NABU auch, dass die Große Koalition erste zaghafte Schritte in Richtung einer naturverträglicheren Landwirtschaft unternimmt. So wollen sich Union und SPD für eine Umschichtung der milliardenschweren EU-Agrarsubventionen und die Einrichtung eines neuen EU-Naturschutzfonds einsetzen. „Ob die Bundesregierung Wort hält, muss sie in den kommenden Wochen noch in Brüssel beweisen“, so Miller. Bereits beim EU-Haushaltsgipfel am 23. Februar sollte Bundeskanzlerin Merkel den Naturschutzfonds fordern.
Auch das neue Programm zur Rettung der Insekten begrüßt der NABU sowie das Bekenntnis zum Ausstieg aus Glyphosat. „Der Glyphosat-Ausstieg droht allerdings auf die lange Bank geschoben zu werden, weil ein konkretes Datum fehlt. Zudem vermissen wir eine Strategie zur Verringerung aller Pestizide“, so Miller. Pestizide sollen künftig sogar noch schneller zugelassen werden – ohne ihre Auswirkungen auf die Artenvielfalt ausreichend zu prüfen.
Große Versäumnisse sieht der NABU in der Energie- und Klimapolitik sowie im Verkehrsbereich. „Es spricht Bände, dass die GroKo die Klimaziele bis 2020 nur ‚so schnell wie möglich‘ erreichen will. Mit einer neu dazu einzuberufenden Kommission erkauft sie sich Zeit, die nicht da ist. Dabei liegen alle notwendigen Schritte längst auf dem Tisch“, kritisierte der NABU-Bundesgeschäftsführer. Positiv sei, dass bis 2030 immerhin eigene Klimaziele für alle Bereiche kommen. „Doch dieses Bekenntnis ist pure Augenwischerei, wenn Union und SPD die Energieeffizienzstandards für Neubauten einfrieren“, so Miller. Er mahnte an, den Ausbau der erneuerbaren Energien weiterhin zwingend naturverträglich zu gestalten.
Status quo bei Verkehrspolitik
In der Verkehrspolitik halten Union und SPD unverändert stur am Status Quo fest und zeigen sich erschreckend mutlos. Besonders kritisch bewertet der NABU die Beibehaltung umweltschädlicher Subventionen für Diesel sowie das Fehlen strengerer CO2-Grenzwerte für Pkw und Lkw. Den Plan der künftigen Regierung, die Beteiligung der Bürger bei Infrastruktur-Projekten – wie dem Bau von Autobahnen – zu beschränken, lehnt der NABU als indiskutabel ab.
Alarmierend sei auch das Fehlen einer Strategie zur nachhaltigeren Nutzung von Ressourcen. So werden Digitalisierung und Energiewende die Nachfrage nach Rohstoffen weiter intensivieren, gleichzeitig muss ihr Pro-Kopf-Verbrauch deutlich sinken. Zur Lösung dieses Konflikts bieten Union und SPD keinerlei schlüssige Konzepte an – genauso wenig wie für eine ökologische Beschaffungsrichtlinie in Ministerien und Behörden.
Auch die Pläne von Union und SPD, die Bestände des Wolfes reduzieren zu wollen, kritisiert der NABU scharf. „Mit dieser unsäglichen Forderung lässt die Bundesregierung Landwirte und Schäfer im Stich“, so Miller. Unlängst erst hatte Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt in Brüssel eine klare Abfuhr erhalten als er versuchte, den Schutzstatus des Wolfes aufzuweichen. „Statt auf solch sinnlose und populistische Forderungen wie die Reduzierung von Wölfen zu setzen, hätte die Bundesregierung den Weidetierhaltern endlich helfen müssen, ihre Herden besser zu schützen. Das haben das Bundeslandwirtschaftsministerium und Herr Schmidt jahrelang verschlafen – und es nun erneut versäumt, ihrer Verantwortung für Nutztierhalter gerecht zu werden“, sagte Miller.
Zu denken gegeben habe den Naturschützern auch, dass Union und SPD die globalen nachhaltigen Entwicklungsziele der UN zunächst nicht berücksichtigt hatten. „Dass sie jetzt im Koalitionsvertrag stehen, ist gut. In wieweit sie aber tatsächlich zur Richtschnur des Regierungshandelns werden, werden wir genau beobachten“, so Miller.