Politik

EUROSOLAR zum „Klimakabinett“

Im Vorfeld der Sitzung des so genannten Klimakabinetts der Bundesregierung im September, bei der die Vorstellungen der Bundesregierung zum Klimaschutz präsentiert werden sollen, mahnt die Europäische Vereinigung zur Förderung Erneuerbarer Energien – EUROSOLAR e.V. konkrete Maßnahmen zur Förderung Erneuerbarer Energien an.

13.09.2019

EUROSOLAR zum „Klimakabinett“

Eine einseitige Fixierung der Diskussion auf eine CO2-Bepreisung lenkt von den wahren Problemen und Herausforderungen ab. Zumal eine CO2-Bepreisung, wie sie zurzeit von den politischen Parteien diskutiert wird, eine erkennbare Lenkungswirkung – wenn überhaupt – erst in vielen Jahren entwickeln würde. Bis dahin sind die mühsam errungenen Erfolge beim Ausbau der Erneuerbaren Energien von den Bremsern und Verhinderern längst zunichtegemacht worden. Schon durch das industriepolitisch unverantwortliche Abwürgen der deutschen Solarindustrie durch die Bundesminister Altmaier und Rösler in der Zeit der CDU-FDP-Bundesregierung zwischen 2009 und 2013 sind in Deutschland über 60.000 Arbeitsplätze vernichtet worden. Ähnliches droht jetzt bei der Windkraft, deren Ausbau von Bundesgesetzgeber und Bundesregierung durch ein absurdes bürokratisches Vergabeverfahren (welches im besten Neusprech „Ausschreibungen“ genannt wird) und von den Staatsregierungen in den deutschen Ländern durch Verhinderungsplanung durch überzogene Flächenrestriktionen, eine überzogene und zum Teil sogar unwissenschaftliche Auslegung von Naturschutzgesetzen und bürokratischen Behinderungen abgewürgt wird. Hier sind seit letztem Jahr bereits über 25.000 Arbeitsplätze durch falsche politische Rahmenbedingungen vernichtet worden. Dieser Wahnsinn muss sofort gestoppt werden!

Ohne Ausbau der Erneuerbaren Energien ist jedoch eine Politik zum Schutz vor den Folgen einer ungebremsten Klimaveränderung und als Vorbild für andere Industrienationen, Schwellen- und Entwicklungsländer nicht möglich. Daher muss der Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigt statt weiter abgewürgt werden.

Hierfür ist vor allem eine Reparatur des in den letzten Jahren mit zahlreichen Novellen dysfunktional gemachten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) umgehend erforderlich. Um die von Deutschland vertraglich zugesagten Klimaschutzziele zu erreichen, müssen die Erneuerbaren Energien am Ende des kommenden Jahrzehnts einen deutlich höheren Anteil an der Stromversorgung in Deutschland haben als 65 Prozent. Aber selbst dieses Ziel wird aufgrund der vielfachen Behinderungen der Erneuerbare Energien mit dem kaputtdeformierten EEG weit verfehlt. Der Ausbau der Erneuerbaren darf nicht gedeckelt, sondern muss beschleunigt werden.

Folgende Reparaturen müssen dafür im EEG sofort vorgenommen werden:

  • Streichen des 52-Gigawatt-Deckels gegen den Ausbau von Solarstromanlagen
  • Auflösung des Windkraft-Investitionsstaus durch Abschaffung des bürokratischen Vergabeverfahrens (euphemistisch „Ausschreibungen“ genannt), mindestens Umsetzung des Vorschlages der EU-Kommission zur De-minimis-Regelung für Windkraftanlagen (maximal sechs Anlagen mit maximal drei Megawatt) für kleine Windparks
  • Eigenversorgung mit Strom aus Erneuerbaren Energien von Steuern und Abgaben freistellen .Weg mit der Sonnensteuer
  • Nennung des Ausbauziels sechs bis sieben Gigawatt Wind und zwölf bis 14 Gigawatt Solarstrom
  • Anerkennung von Windkraft und Photovoltaik (PV) als aktiven Natur- und Vogelschutz
  • Festschreibung der Erneuerbaren Energien als wichtiger Gemeinwohlbelang
  • Festschreibung des Einspeisevorrangs für Erneuerbare Energien

EUROSOLAR warnt eindringlich vor einer vollständigen oder teilweisen Verschiebung der EEG-Umlage in den Staatshaushalt. Dadurch würde das EEG sofort dem EU-Beihilferecht unterliegen. Die EU-Kommission hat sich bislang aber vor allem in der Be- und Verhinderung des Ausbaus Erneuerbarer Energien einen Namen gemacht. Zudem wird die EEG-Umlage ab 2020 aufgrund des schrittweisen Wegfalls von durch die Umlage geförderten Projekten stetig sinken. Vor einer Überführung der Umlagekosten, die in den ersten 15 Jahren des EEG als besondere Anschubförderung aufgelaufen sind, in einen Fond ist zwingend durch Protokollerklärung der EU-Kommission auszuschließen, dass auch dies von der EU-Kommission als Beihilfetatbestand angesehen wird.

Darüber hinaus müssen folgende Maßnahmen sofort ergriffen werden:

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Ausbau aller Erneuerbaren Energien in allen deutschen Bundesländern

Die Bundesregierung und der Bundestag müssen die Länder auffordern, bürokratische und gesetzliche Hindernisse abzubauen, die sie gegen die Erneuerbaren Energien errichtet haben. Die Genehmigungszeiten müssen auf deutlich unter zwölf Monate verkürzt werden. Die deutschen Bundesländer müssen dafür sorgen, dass den Ausbauzielen entsprechende Flächen zur Verfügung stehen. Insbesondere muss Bayern die 10H-Regelung wieder abschaffen. Ersatzweise muss der Bundesgesetzgeber der 10H-Regelung die rechtliche Grundlage entziehen, da es sich hier um Verhinderungsplanung handelt.

Konvergenz der Energiemärkte – Sektorenkopplung statt Netzausbau-Lamento

Die Kopplung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor ist die zentrale Strukturentscheidung für die Energiewende und die ihr zugrundeliegende Neue Energiemarktordnung. Sie ist der Schlüssel für Versorgungssicherheit und Preisgünstigkeit in einem flexiblen erneuerbaren Energiesystem. Das Verschleppen der Sektorenkopplung öffnet falschen energiepolitischen Weichenstellungen Tür und Tor. So könnte ein überdimensionierter Netzausbau mit der Konvergenz der Energiemärkte und mit der dezentralen Abstimmung von Erzeugung und Verbrauch vermieden werden (ähnlich auch der Elektrotechnik‐Fachverband VDE mit seinem Modell Zusammenschluss von „Energiezellen“ auf lokaler Ebene). Das Fraunhofer IFAM hat schon 2013 Vorschläge für den Abbau regulatorischer Hemmnisse beim Einsatz von Überschussstrom zur Wärmeerzeugung (Power‐to-Heat) in Nah- und Fernwärmenetzen eingebracht, insbesondere durch eine Entlastung von der EEG-Umlage und von Netzentgelten (Studie „Flexibilitätsreserven aus dem Wärmemarkt“). EUROSOLAR fordert die sofortige Umsetzung dieser Maßnahmen, da ein Strommarkt für die Energiewende nur mit der Konvergenz der Energiemärkte durch die Kopplung der Energiebereiche Strom, Wärme, Gas und Verkehr gelingen kann.

Die Konvergenz der Energiemärkte mit ihrem Beitrag zur Versorgungssicherheit kann besonders dann gut erreicht werden, wenn Kompetenzen auf dezentraler Ebene gebündelt werden. Ein Vorbild für die Erschließung von Synergieeffekten sind Stadtwerke, die in allen Sparten der Energiewirtschaft tätig sind. In Zeiten der Energiewende ist es von unschätzbarem Wert, dass es bereits heute Unternehmen gibt, die im Strom‐, Gas‐ und Fernwärmemarkt aktiv sind und „Power-to-Heat“ reibungslos umsetzen können. Hierfür müssen die regulatorischen Rahmenbedingungen im EnWG und im EEG geschaffen werden, statt gerade kleine und mittelgroße Verteilnetzbetreiber und damit insbesondere Stadtwerke zu überfordern.

Die für die Energiewende notwendige Zurückdrängung fossil-atomarer Großkraftwerke ist nur möglich, wenn die Erneuerbaren Energien zügig ausgebaut werden und erneuerbare Überschüsse zur Versorgungssicherheit in gasbetriebenen Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung wieder eingesetzt werden können (Power-to-Gas).

Um die Aufgabe der Energiewende erfüllen zu können, müssen daher heute die Weichen für Power-to-Heat, Elektromobilität und Power-to-Gas gestellt werden. Im Gegenzug fordern wir den Verzicht auf die Kapazitätsreserve und auf das parallele Gleichstrom-Super-Netz (HGÜ-Trassen) neben dem bewährten Drehstromnetz; beides begünstigt ein Energiesystem mit zentralen Kohlegroßkraftwerken.

Schluss mit der Diskriminierung von Energiespeichern

Die wichtigste Flexibilitätsoption der Zukunft sind Speicher. Was bei einem Haus das Dach ist, sind bei der Energiewende Speicher. Neben einer Integration netzdienlicher Speicher in die Netzregulierung müssen Speicher in der Phase der Markteinführung auch auf der Erzeugungsseite gefördert werden. Sowohl auf der Netz- als auch auf der Erzeugerseite muss der regulatorische Rahmen für Speicher mit dieser Energiemarktreform geschaffen werden.

Analog zum Marktanreizprogramm für erneuerbare Wärmetechnologien muss auch für Speicher ein Marktanreizprogramm geschaffen werden, das mittelfristig durch Instrumente im EEG, wie zum Beispiel eine Reform der Flexibilitätsprämie beziehungsweise eine Speicherprämie, abgelöst wird. Diese Regelung sollte auch Bioenergie-, Wasserkraft- und Geothermie-Anlagenbetreibern den Anreiz geben, ihre Energieerzeugung auf die schwankende Energieerzeugung aus Wind- und Solarkraftwerken abzustimmen (Bereitstellung von Regelenergie in regionalen Verbundkraftwerken). Da in einer Energiemarktordnung für die dezentrale Energiewende, die auf die Konvergenz der Energiemärkte setzt, kein nach dem Erdkabel-Kompromiss weit über 22 Milliarden Euro teures HGÜ-Parallelnetz benötigt wird, können die vermiedenen Ausgaben in einem deutlich geringeren Umfang für die Speicherförderung eingesetzt werden. Speicher werden in einem erneuerbaren Energiesystem für die Versorgungssicherheit gebraucht. HGÜ-Trassen quer durchs Land werden nicht gebraucht, weil sie nicht weiterhelfen, wenn Wind- und Solarenergie großräumig ausfällt.

Um im Bild des Hausbaus zu bleiben: Anders als Speicher als Dach der Energiewende sind HGÜ-Trassen beim Hausbau wie das zweite Badezimmer, also zusätzlicher Luxus. Trotzdem wird für Speicher nicht annähernd so viel Aufwand betrieben wie für die HGÜ-Trassen mit den Netzausbau-Sondergesetzen. Speicher werden für die Energiewende sowieso gebraucht und sind deshalb günstiger als die Variante HGÜ-Trassen plus Speicher. Denn auch ein Energiesystem mit einer Gleichstrom-Super-Netzstruktur ist auf Speicher angewiesen, wenn die Energiewende wirklich das Ziel ist. Wer Erneuerbare Energien allerdings in der Nische halten will, braucht riesige HGÜ-Trassen, die Windstrom und gleichzeitig ein beständiges Band an Kohle- oder Atomstrom aufnehmen können. Nur dann wären auch Speicher überflüssig. Aber ein auf Kohle- oder Atomkraft gegründetes Energiesystem ist keine Energiewende! Es wäre auch in technologie- und industriepolitischer Hinsicht ein unverzeihliches Versäumnis, die Zukunftsmärkte für Speichertechnologien den USA und Asien zu überlassen. Die Speicher-Offensive von Tesla wirft ein Schlaglicht darauf. In den USA und in Asien hat die Politik bekanntlich keine Scheu, die Entwicklung und Marktdurchdringung innovativer Schlüsseltechnologien durch staatliche Förderung zu unterstützen. Nur verlässliche Investitionsbedingungen und die Anwendung und Entwicklung von Speichertechnologien im deutschen Heimatmarkt kann verhindern, dass der Standort Deutschland im Speichermarkt endgültig den Anschluss verliert.

Vor allem muss die Doppelbelastung mit Steuern und Abgaben beim Ein- und Ausspeichern endlich beendet werden.

Deutschland braucht kein Paket von Einzelmaßnahmen zum Klimaschutz, sondern eine neue Energiemarktordnung, die die dezentrale Nutzung von Erneuerbaren Energien ins Zentrum der gesetzlichen und administrativen Rahmenbedingungen stellt. Die obigen Anforderungen sind Teil einer solchen neuen Energiemarktordnung.

Quelle: UD/pm
 

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