Britische Wasserversorger „ökologisch insolvent“
Eine Studie von Richard Murphy vom Corporate Accountability Network und der Universität Sheffield befindet die britischen Wasserversorger für unfähig, 260 Milliarden Pfund für die Beseitigung von Abwasserverschmutzungen aufzubringen. Sie seien „umweltpolitisch insolvent“, da sie nicht über die Mittel verfügten, diesen nötigen Betrag aufzubringen.
07.07.2023
Unzureichende Schätzungen
Murphy empfiehlt eine Verstaatlichung ohne Entschädigung und die Aufbringung der Mittel durch steuerfreie staatliche Anleihen für die Öffentlichkeit sowie höhere Gebühren für starke Wasserverbraucher. Der Bericht hat die Bilanzen von neun großen Wasserunternehmen analysiert und kommt zu dem Schluss, dass deren Schätzung, über einen Zeitraum von sieben Jahren zehn Milliarden Pfund zu benötigen, um die Abwassereinleitungen zu beenden, unzureichend ist. Auch die vom Umweltministerium angegebene Summe von 56 Milliarden Pfund für 27 Jahre sei zu niedrig angesetzt. Zutreffender sei eine Schätzung des Oberhauses von 260 Milliarden Pfund als Investition.
Aktuell nehmen in Großbritannien Befürchtungen über die hohe Verschuldung der Wasserversorger zu, wobei die Zukunft von Thames Water besonders besorgniserregend ist. Der größte britische Player versorgt 15 Millionen Kunden in London und den Südosten. Er befindet sich in Notstandsgesprächen mit der Wasseraufsichtsbehörde Ofwat und Ministerien, da er wegen eines möglichen Lochs von zehn Milliarden Pfund in seinen Finanzen besorgt ist, den Betrieb aufrechterhalten zu können.
Investitionsversagen massiv
Laut der Studie zeigen die Bilanzen der neun Wasser- und Abwasserunternehmen, dass sie in den vergangenen 20 Jahren im Schnitt weniger als 4,6 Milliarden Pfund pro Jahr investiert haben. Zudem wurde festgestellt, dass alle diese Investitionen mit geliehenem Geld bezahlt wurden und nichts davon von den Aktionären finanziert worden zu sein scheint. Diese behielten im gleichen Zeitraum alle Gewinne, die die Unternehmen erwirtschafteten, in Form von Dividenden ein und ließen nichts für Reinvestitionen übrig.
Nach Murphys Berechnungen beläuft sich der Nettowert der Unternehmen auf 13 Milliarden Pfund. Seine Analyse der „nachhaltigen Kostenrechnung“ legt nahe, dass die Wasserwirtschaft ohne Preiserhöhungen fast 16 Milliarden Pfund pro Jahr für die Abwasserentsorgung verlieren wird, vor allem wegen der gestiegenen Zinskosten. „Daher sind wir der Meinung, dass diese Unternehmen ökologisch insolvent sind. Das liegt daran, dass sie unserer Meinung nach nicht in der Lage sein werden, die finanziellen Mittel aufzubringen, um ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, sauberes Wasser zu liefern, ohne unsere Flüsse und Strände zu verschmutzen“, heißt es im Bericht.
Verstaatlichung eine Option
Als Problemlösung schlägt Murphy vor, die Firmen ohne Entschädigung zu verstaatlichen. Um das Kapital zur Finanzierung von sauberem Wasser aufzubringen, sollte die Regierung neue Anleihen ausgeben, die der Öffentlichkeit zu wettbewerbsfähigen Zinssätzen leicht zugänglich gemacht werden. Diese sollten wie ISAs steuerfrei sein. Die Regierung hat eine vorübergehende Verstaatlichung von Thames Water nicht ausgeschlossen, so wie einige Eisenbahnunternehmen in die öffentliche Hand übernommen wurden. Auch die Labour-Partei kann sich eine Verstaatlichung von Wasserunternehmen vorstellen.
Ein Sprecher von Water UK, der die neun Unternehmen vertritt, hält dagegen: „In England haben private Investitionen mehr als 190 Milliarden Pfund in eine Branche gebracht, die zuvor unter Geldmangel litt und gleichzeitig die Effizienz der Wasserversorger um über 70 Prozent verbessert. Gleichzeitig sind die Wasserrechnungen real niedriger als noch vor zehn Jahren.“ Die Verstaatlichung privater Wasserversorgungsunternehmen ohne Entschädigung hätte tiefgreifende Auswirkungen auf die Renten von fast sechs Millionen Briten, heißt es weiter. Jeder Haushalt würde im Schnitt etwa 1.000 Pfund verlieren.