Politik

Gleichgültigkeit ist die nachhaltigere Einstellung

Nach der letzten Sinus-Studie über die Zukunftseinstellungen Jugendlicher in Deutschland schätzen nur 35 Prozent die Zukunft der Welt optimistisch ein, 65 Prozent dagegen pessimistisch. Fragt man die Jugendlichen jedoch nach der ganz persönlichen Lebenszufriedenheit und Haltung gegenüber der eigenen Zukunft, zeigen sich drei Viertel als sehr oder eher optimistisch.

06.12.2023

Mädchen steht auf zwei Pfeilen

Diese Lücke zwischen dem sorgenvollen und düsteren Blick auf die Zukunft der Welt bei gleichzeitigem Optimismus hinsichtlich der eigenen Zukunft ist in ähnlichen Befragungen und Studien immer wieder belegt worden. Gemeinhin wird er mit der Wirkung der krisenfokussierten medialen Berichterstattung erklärt, die ein unrealistisches und Ängste schürendes Bild der Welt da draußen suggerieren. Dieses Bild hindert uns auch daran, die faktischen Verhältnisse richtig einzuschätzen. Das letzte European Forum Alpbach im September dieses Jahres hat darauf wieder einmal die Probe gemacht und das Wissen der Teilnehmenden an der Veranstaltung getestet. Mit dem Ergebnis: „Die Mehrheit der Menschen geht davon aus, dass die Welt schlechter wird – dabei ist, zumindest langfristig gesehen, genau das Gegenteil der Fall“, wie Philip Pramer im Nachrichtenmagazin DER STANDARD zusammenfasst.

Die „Ignoranz des Westens“

Hans und Anna Rosling, Autoren von „Factfulness“, haben dieses Phänomen weltweit untersucht. Sie kommen zu dem Schluss: „Menschen sind stark von Stereotypen geprägt und schätzen die Fortschritte des Globalen Südens oft schlechter ein als die von Industrieländern.“ Auch in den hiesigen Nachhaltigkeitsszenen dürfte die darin implizit zutage tretende „Ignoranz des Westens“ weit verbreitet sein, die mit dem Glauben verbunden ist, die Lösung für die Probleme der Nachhaltigkeit liege immer noch im wirtschaftlich und technologisch überlegenen Globalen Norden. Aber der Westen ist schon lange nicht mehr der Nabel der Welt, wie uns Johannes Plagemann und Henrik Maihack gerade zu erklären versuchen („Wir sind nicht alle: Der globale Süden und die Ignoranz des Westens“).

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Alte Denkmuster

Zukunftsoptimismus ebenso wie -pessimismus beruhen nicht auf Fakten, sondern auf stereotypen und psychologisch verankerten Denkmustern. Solche Muster bestimmen dabei sowohl die „Optimisten“ wie die „Pessimisten“ des Nachhaltigkeits-Paradigmas. Nützlich sind beide Haltungen nicht. Der Journalist Ullrich Fichtner hat dies in seinem neuen Buch „Geboren für die großen Chancen“ soeben wieder betont, wenn er schreibt, dass diese Haltungen „einfach überhaupt keine Rolle“ spielen: „Beide Haltungen erwiesen sich im Leben, wenn es wirklich darauf ankam, als überflüssig, ja unpassend und sogar als hinderlich... Sie passten nie zum Ernst der Lage, die nach konzentrierter Arbeit verlangte und nicht nach irgendwelchen Gefühlen darüber, ob in den nächsten Stunden, Tagen, Jahren ‚alles gut' oder alles noch schlimmer würde.“ Wenn wir „optimistisch“ oder „pessimistisch“ auf die Welt blicken, so hängen wir „falschen Gewissheiten an, und zwar sowohl was die Fortschritte angeht als auch was die Gefahren betrifft“.

Vielleicht lassen wir es also überhaupt sein – und fragen auch die jungen Leute nicht nach ihrem Optimismus oder Pessimismus und suggerieren ihnen damit, dass ihr Leben von solchen psychologischen Selbstsuggestionen abhängig sein könnte. Entwickeln wir eine solide Gleichgültigkeit gegenüber diesen Versuchen, in die Zukunft zu sehen. Und engagieren uns in der Gegenwart für das, was uns wichtig ist. Das wäre nachhaltiger, oder?

Quelle: UD/pm
 

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