Schneller, grüner Wasserstoffhochlauf benötigt mehr zivilgesellschaftliche Beteiligung
Ende Juli hat das Bundeskabinett die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie beschlossen, die den Aufbau der nationalen Wasserstoffwirtschaft ebnen soll. Die Klima-Allianz Deutschland und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßen die Pläne eines schnellen Wasserstoffhochlaufs für den Klimaschutz, sehen jedoch Nachbesserungsbedarf in der Priorisierung der Anwendungsbereiche.
02.08.2023
Der Förderung von blauem Wasserstoff aus Erdgas und dem Einsatz von Wasserstoff in Heizungen stehen die Verbände kritisch gegenüber. Zudem sollten die Nachhaltigkeitskriterien der Produktion von grünem Wasserstoff konkretisiert werden. „Die Zivilgesellschaft in Deutschland aber auch in den Importländern muss besser in die Entwicklung von Wasserstoffprojekten einbezogen und belastbarere Nachhaltigkeitskriterien geschaffen werden. Denn nur so kann geordnet, schnell und zuverlässig eine grüne Wasserstoffwirtschaft im Interesse aller geschaffen werden“, so beide Verbände übereinstimmend.
Christiane Averbeck, Geschäftsführende Vorständin der Klima-Allianz Deutschland und Mitglied des Nationalen Wasserstoffrates: „Die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie sieht richtigerweise einen schnellen Ausbau der Produktionskapazitäten und Anwendungsfelder vor. Allerdings kann nur grüner – mit zusätzlichen erneuerbaren Energien produzierter – Wasserstoff bei der Begrenzung der Erderhitzung helfen, wenn er zielgerichtet und effizient in den richtigen Sektoren eingesetzt wird. Die vorgesehene Förderung von blauem Wasserstoff ist ein Festhalten an alten, fossilen Strukturen, verhindert mittelfristig eine grüne Transformation und setzt kurzfristig falsche Anreize bei den anstehenden Infrastrukturplanungen. Da Wasserstoff trotz größter Anstrengungen ein weltweit knappes Gut bleiben wird, muss zudem eine klare Priorisierung der Anwendungsbereiche stattfinden – Wasserstoff sollte zum Beispiel nicht in der dezentralen Wärmeversorgung, sondern besser in der Industrie eingesetzt werden!
Außerdem müssen globale Energiepartnerschaften, im Rahmen derer Wasserstoff nun im Ausland in großen Mengen produziert und nach Deutschland importiert werden soll, strenge soziale und ökologische Nachhaltigkeitsstandards erfüllen und die Interessen der dortigen Zivilgesellschaft berücksichtigen. Fehlende Akzeptanz kann den schnellen Hochlauf verhindern.“
Verena Graichen, stellvertretende BUND-Vorsitzende und Mitglied des Nationalen Wasserstoffrates: „Zwei weitere wichtige Aspekte fehlen in der Strategie bislang komplett: Effizienz und die Reduktion der Energienachfrage. Hier muss die Bundesregierung erheblich nachbessern. Je weniger und je effizienter die erzeugte Energie eingesetzt wird, desto geringer ist der Druck auf die Produktion. Nur so ist eine erneuerbare Zukunft realistisch zu schaffen. Und weniger Druck auf die Produktion bedeutet auch weniger Druck auf die Planung. Die in der Strategie-Fortschreibung festgehaltene Planungsbeschleunigung ist aus Sicht des BUND nur dann akzeptabel, wenn sie mit und nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger durchgesetzt wird. Entsprechend der Aarhus-Konvention darf es kein Absenken von Standards im Boden- und Artenschutz wie auch bei den Beteiligungs- und Klagerechten geben. Vielmehr sollte die Bundesregierung durch deutlich mehr qualifiziertes Personal in Planungs- und Genehmigungsbehörden und durch eine frühzeitige Verbände- und Öffentlichkeitsbeteiligung die Akzeptanz der Projekte flankieren.“
Hintergrund:
Blauer Wasserstoff wird aus Erdgas produziert. Das entstehende CO2 soll zwar aufgefangen und in der Erde gespeichert werden, das sogenannte Carbon Capture and Storage (CCS) – das ist aber eine experimentelle Technologie, die noch nicht funktioniert. Nach aktuellem Stand ist unklar, ob die Technik das CO2 wirklich in der Erde hält, die Bedrohung für das Klima bleibt daher erhalten.