Erste universitäre Konfliktakademie wird eröffnet
In der deutschen Gesellschaft schwelen massive Konflikte, die Spaltung der Gesellschaft ist ein Topthema. Lösungen werden gerade in Krisenzeiten oft von neuen Konflikten überlagert. Dabei gibt es an die Wissenschaft hohe Erwartungen, wobei auch sie angegriffen wird, wie die Pandemie gezeigt hat. Zeit also, sich über Konflikte besser zu verständigen und innovative Formate für Konfliktbearbeitung zu entwickeln. Das soll nun mit der ersten Konfliktakademie an einer deutschen Universität, der „ConflictA“, gelingen.
31.10.2024
Gefördert wird sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund acht Millionen Euro als Projekt des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Mit einer Fachkonferenz mit vielen Mitmachelementen wird die ConflictA Ende Oktober offiziell eröffnet.
Schon die vergangenen Studien des 1996 gegründeten IKG zeigen eine kritische gesellschaftliche Entwicklung. „Unsere Daten belegen einen Anstieg rechtsextremer Einstellungen und Gewalt nicht nur an den Rändern, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft und allein das ist für viele Menschen wie auch Institutionen eine besondere Herausforderung, die gut verhandelt werden muss“, sagt Professor Dr. Andreas Zick, wissenschaftlicher Direktor des IKG und Initiator der ConflictA. „Wie schützen wir die Demokratie? Wie gelingt in Krisenzeiten eine kluge Aushandlung von Konflikten, die aus Interessengegensätzen resultieren, ohne dass Populismus und Extremismus weiter Menschen an sich binden können und die Konflikte eher stärker werden? Wie bremsen wir politische Gewalt, die aus Konflikten resultiert?“
ConflictA analysiert Konflikte umfassend und organisiert den Austausch darüber
Die neu gegründete Akademie soll diesen Entwicklungen entgegenwirken. Sie soll dazu dienen, bundesweit den Austausch von Wissen und Expertise zu Konflikten voranzutreiben und zu systematisieren. Das Ziel ist es, Ansätze zur Konfliktbearbeitung und Handlungsempfehlungen zum Umgang mit innergesellschaftlichen und demokratierelevanten Konflikten verfügbar zu machen. „Mit der ConflictA schaffen wir eine Plattform, um gesellschaftliche Konflikte zu analysieren und Strategien für einen konstruktiven Umgang zu entwickeln“, sagt Dr. Kerstin Eppert, wissenschaftliche Leiterin der ConflictA. Die Akademie setzt dabei auf einen Ansatz, der Forschung, Praxis und Politikberatung verbindet. „Wir bringen Konfliktanalysen mit Debatten und Lösungsfindungen enger in einem Haus zusammen“, erklärt Andreas Zick und er nennt das Grundprinzip der Akademie: „Konflikte beforschen, besprechen, bearbeiten und daraus lernen.“
Ein Schwerpunkt der Arbeit von ConflictA wird auf der kommunalen Ebene liegen. Kerstin Eppert: „Viele der Konflikte, mit denen wir uns beschäftigen, entstehen vor Ort in Städten und Gemeinden, und wirken sich auf unser Zusammenleben aus. Deshalb ist es entscheidend, dass wir gemeinsam mit lokalen Akteur:innen daran arbeiten. Unser Ziel ist, die gemeinsam entwickelten Methoden und Zugänge als Werkzeugkasten für Konfliktbearbeitung allen Interessierten zur Verfügung zu stellen.“
Konferenz führt in Perspektiven der ConflictA ein
Die Auftaktkonferenz macht anschaulich, mit welchen Ansätzen die ConflictA beitragen soll, gesellschaftliche Spannungen zu adressieren. Veranstaltet wird sie in der Ravensberger Spinnerei, dem Historischen Museum und der Hechelei im Ravensberger Park in Bielefeld. Das Programm reicht von wissenschaftlichen Vorträgen über praxisorientierte Diskussionen bis zu interaktiven Formaten. Durch die Veranstaltung führt die Moderatorin Aisha Camara. Auf dem Programm stehen unter anderem:
- Ein Gespräch über Konflikte und Möglichkeiten ihrer konstruktiven Lösung
- Ein Fachpanel „Stadt, Land, Konflikt?“ zu kommunaler Konfliktbearbeitung
- Ein interaktives Podium „Dissens in der Demokratie“ zur dialogorientierten Konfliktkultur
- Eine Diskussionsrunde „Konflikträume in der Gesellschaft – Gewalt gegen Mädchen und Frauen sichtbar machen“
- Ein interaktive Entwicklungsspiel „Szenen eines kommunalen Konflikts“ am Beispiel des „Bremer Platanenstreits“
„Auf der Konferenz wollen wir nicht nur die ConflictA vorstellen, sondern auch zeigen, wie wir arbeiten. Deshalb bieten wir einen Raum für gesellschaftlichen Dialog an und binden alle Teilnehmenden aktiv mit ein“, erläutert Kerstin Eppert. Zu den Vortragenden der Konferenz gehören unter anderem Expert:innen für Friedensforschung, Konflikt- und Raumforschung, Erziehungs- und Bildungswissenschaften, Soziale Arbeit und Dialogforschung, außerdem kommunal tätige Konfliktberater:innen, Expertinnen aus der Frauenberatung, zivilgesellschaftliche Akteur:innen und Künstler:innen. Zu der Veranstaltung gehört ein kulturelles Begleitprogramm mit Ausstellungen und Musik auf dem Gelände der Ravensberger Spinnerei.
ConflictA adressiert drängende Themen
In den kommenden Jahren wird sich die Akademie verschiedenen Konfliktphänomenen widmen. In drei großen Programmlinien befasst sie sich:
- Mit der Auswirkung von globalen Transformationen und Krisen auf innergesellschaftliche Konflikte
- Mit der Frage, welche Kontextfaktoren dazu führen, dass sich Konflikte destruktiv entwickeln oder wieder eine konstruktive Wendung nehmen können
- Damit, wie politische Rahmung und kulturelle Ressourcen Konflikte beeinflussen
Die ConflictA verknüpft angewandte Forschung, wissenschaftliche Begleitung und Beratung sowie die Entwicklung von Bildungs- und Transferangeboten. Sie erforscht praxisbezogene Konfliktinterventionen für zivilgesellschaftliche Akteur:innen und Einrichtungen der Daseinsvorsorge. Zu letzteren gehören etwa kommunale Dienstleister, Schulen und Sicherheitsbehörden. Zugleich arbeitet die Akademie daran, Forschungswissen durch Qualifizierungs- und Professionalisierungsangebote in die Praxis zurückzuführen. In ihrer Arbeit setzt die ConflictA einen Schwerpunkt auf Wissenskommunikation und die Vermittlung von Konfliktsensibilität und -kompetenzen auch in der breiten Bevölkerung.
Langfristiges Engagement
Die Konfliktakademie ist zunächst auf vier Jahre angelegt und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund acht Millionen Euro gefördert. In der seit Juni 2023 laufenden Aufbauphase bis Dezember dieses Jahres werden Pilotstudien umgesetzt, deren Ergebnisse die Basis für die erste Förderphase bis März 2027 bilden.