Politik

Wie Politik und Zivilgesellschaft Konflikte besser aushandeln können

Zunehmende Krisen und Politikskepsis dürfen sozial-ökologische Politikgestaltung nicht ausbremsen. Politische Akteure müssen die Transformation mehr denn je als Gemeinschaftsaufgabe gestalten. Welche Strukturen eignen sich, damit Staat und Zivilgesellschaft gut zusammenwirken können? Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) zieht erste Bilanz und empfiehlt Neujustierung.

28.03.2024

Wie Politik und Zivilgesellschaft Konflikte besser aushandeln können

Das Gebäudeenergiegesetz oder die Kürzungen von Agrardieselsubventionen haben gezeigt: Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz stoßen zurzeit auf heftige Kritik, was rechtspopulistische Akteure für sich nutzen. Heute ist es dringender denn je, soziale Gerechtigkeit in der Transformationspolitik zu verankern. Dies betont das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) im Impulspapier „Transformation gemeinsam gestalten“. Die Forschenden empfehlen eine Neuausrichtung, wie Staat und Zivilgesellschaft bei der Politikgestaltung zusammenwirken: Durch geeignete Aushandlungsräume und eine produktive Gesprächskultur könnten betroffene Interessen und Zielkonflikte in Gesetzgebungsverfahren frühzeitig abgewogen werden. Die mit Förderung von der Open Society Foundations erarbeiteten Empfehlungen stellt das IÖW heute auf einer Diskussionsveranstaltung in Berlin vor.

Sozial-ökologische Transformation als Gemeinschaftsaufgabe

„Krieg, Inflation, Haushaltskrise, Nullwachstum – die Herausforderungen für die aktuelle Regierung sind gigantisch. Doch das darf nicht zu einem Rollback in der notwendigen Transformationspolitik führen“, fordert die Politikwissenschaftlerin Helen Sharp vom IÖW, die das Projekt „Den Wandel verhandeln, die Just Transition gestalten“ leitet. „Wenn die Bundesregierung weitreichende politische Eingriffe plant, ohne soziale Gerechtigkeit als Ausgangspunkt zu nehmen – und wenn die Opposition darauf mit Populismus antwortet, dann sind wir meilenweit von dem gemeinsamen Verständnis entfernt, das wir so dringend brauchen.“

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Einen Lösungsansatz sieht Sharp in der lebendigen, vielstimmigen Zivilgesellschaft: „Es ist die Aufgabe von Politiker*innen, unterschiedliche Perspektiven und Interessen verhandelbar zu machen und diesen Aushandlungsprozess zu ausgewogenen und plausiblen Entscheidungen zu führen. Umso wichtiger ist es, dass in den verschiedenen Dialog- und Beteiligungsformaten über die Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften hinaus vor allem auch die anderen zivilgesellschaftlichen Interessen vertreten sind – zum Beispiel über Sozial- und Wohlfahrtsverbände, Umwelt- oder Entwicklungsorganisationen.“

Interviews zeigen: Politik im Krisenmodus hat das Zusammenwirken negativ geprägt

In Interviews mit Vertreter*innen aus Bundesministerien, -politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft untersuchte das Projekt, wie gut der Politik ein solches Zusammenwirken bisher gelingt. Befragte auf allen Seiten setzten Hoffnung in die Aufbruchstimmung zu Beginn der Ampelkoalition, doch diese Erwartungen wurden überwiegend nicht erfüllt. Gründe dafür waren insbesondere der Krisenmodus zu Beginn der Legislatur und die konflikthafte Konstellation der Regierungskoalition, die auch die Beteiligungs- und Austauschkultur mit der Zivilgesellschaft negativ geprägt haben, so die Wahrnehmung der Befragten.

Aushandlungsräume: An Bestehendes anknüpfen und Neues wagen

Dabei bilden bestehende Formate wie die „Allianz für Transformation“ des Bundeskanzleramts gute Anknüpfungspunkte, diese sollten allerdings einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen werden. Wichtige Fragen dabei sind: Wie steht es um die Repräsentativität gesellschaftlicher Interessen und Betroffenheiten in diesen Formaten? Wie wirksam sind sie an den politischen Entscheidungsprozess angebunden?

Helen Sharp sieht jedoch nicht nur im Bundeskanzleramt und den anderen Bundesressorts Handlungsbedarf: „Mit Blick auf die kommende Legislaturperiode empfehlen wir, dass sich der Bundestag parteienübergreifend auf den Weg macht, um einen neuen sozial-ökologischen Grundkonsens auszuhandeln.“ Denkbar wäre zum Beispiel eine neue Form der Enquete-Kommission mit zentraler Rolle nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Zivilgesellschaft und damit möglichst öffentlicher und direkter Rückkopplung in die Gesellschaft, so das IÖW.

Beratung und Förderung für regionales Engagement

Jenseits der bundespolitischen Diskussionen leistet die Zivilgesellschaft auch in Städten und Regionen ihren Beitrag zu sozial-ökologischen Lösungen. Hierbei benötigen sie Ansprechpersonen und Fördermittel für ihre Arbeit vor Ort. „Kommissionen, Stiftungen oder Transformationsagenturen könnten langfristige ‚Kümmerer‘ sein“, schlägt Sharp vor. Sie könnten lokale Akteure beraten, auftretende Konflikte moderieren und Räume für die Aushandlung organisieren.

Begleitend dazu sollten Bund und Länder Projektfonds finanzieren, die unbürokratisch vergeben werden können: „Akteure überall in Deutschland müssen ermutigt und befähigt werden, transformativ zu wirken und eigene Ideen umzusetzen“, so Sharp.

Mit diesen Empfehlungen im Impulspapier „Transformation gemeinsam gestalten“ möchte das IÖW eine notwendige Diskussion anstoßen – denn es ist höchste Zeit, die sozial-ökologische Transformation als Gemeinschaftsaufgabe voranzustellen. Auf der Veranstaltung „Mind the Gap!“ diskutiert das IÖW die Empfehlungen mit Vertreter*innen aus dem Bundeskanzleramt, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband sowie dem Sozial-Klimarat.

Quelle: UD/fo
 

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