Politik

EU-Agrarreform: Ein Schritt nach vorne, seitwärts oder gar rückwärts?

EU-Agrarreform. Hinter diesem technischen Begriff verbirgt sich Europas umstrittenstes und heißestes Eisen. Ein Großteil des Etats wird für Agrarsubventionen verwendet. Die Folge: Milchseen, Butterberge, Fleischverbrennung uvm. Eine Reform ist überfällig. Wir dokumentieren verschiedene Stimmen dazu.

08.07.2003

Die Beschlüsse zur E-Agrarreorm haben ewartungsgemäß ein unterschiedliches Echo hervorgerufen. Umwelt- und Vrbraucherverbände sehen darin einen positiven Schritt. Agrarverbände einen Fehler.

PRO:

NABU begrüßt EU-Agrarbeschluss als Chance für Kurswechsel

Zu den wesentlichen Verbesserungen gehöre nach Auffassung des NABU
der Einstieg in die Entkopplung der Direktzahlungen von der Produktion. So könne anstatt unzähliger produktbezogener Subventionen in Zukunft eine regional einheitliche Acker- und Grünlandprämie eingeführt werden. Mit der Bindung der Prämienzahlung an Umweltauflagen würde zudem ein Signal gegen die Intensivierung der Landwirtschaft gesetzt. Ferner sollten bis zu fünf Prozent der Agrarzahlungen in die Entwicklung des ländlichen Raums und in
Agrarumweltprogramme umgeschichtet werden. "Höhere Finanzierungssätze
durch die EU tragen schließlich dazu bei, dass Umweltmaßnahmen an
Bedeutung gewinnen", so NABU-Bundesgeschäftsführer Gerd Billen.

WWF: Trippelschritte in die richtige Richtung

"Die EU-Agrarminister haben wieder einmal eine Chance verpasst, um die
Agrarpolitik in ganz Europa nachhaltig und zukunftsfähig zu gestalten", bedauert Imke Lübbeke, Agrarexpertin des WWF, den Ausgang der aktuellen Verhandlungen. Der WWF kann den Verhandlungsergebnissen auch gute Seiten abgewinnen: Positiv bewertet Imke Lübbeke zum Beispiel den Beschluss der Agrarminister, die Tier- und Flächenprämien von der Produktion zu entkoppeln. Da die Mitgliedsstaaten jedoch nur dazu verpflichtet werden, Teile ihrer Prämien bis zum Jahr 2007 zu entkoppeln, sei der Erfolg dieser Maßnahme entscheidend von der Umsetzung der Mitgliedsstaaten abhängig. Als wichtigsten Verhandlungserfolg wertet der WWF die Möglichkeit, in Zukunft die Grünlandstandorte, das heißt Wiesen und Weideflächen, stärker zu fördern. "Das muss bereits bis 2005 auf nationaler Ebene umgesetzt werden", fordert Imke Lübbeke. Und weiter: "Jetzt stehen die Bundesländer in der Pflicht, die neu gewonnenen Gestaltungsspielräume zu nutzen."

CONTRA

Milchindustrie-Verband sieht drastische Konsequenzen

Der Verband befürchtet drastische Folgen für die deutsche Milchwirtschaft
und ihre Beschäftigten. Kritisiert werden vor allem die weit über das ursprüngliche Ziel der Agenda 2000 hinausgehenden Abschlüsse - wie
z.B. die weitaus höhere Senkung des Ankaufspreises für Butter, die rigorose Reduzierung der maximalen Butterinterventionsmenge oder die im Milchbereich bis zu 100 Prozent mögliche Entkopplung der Ausgleichszahlungen. Lediglich die zusätzlich vorgesehene Quotenaufstockung wurde abgebaut. Weiterer Kritikpunkt: die zahlreichen Ausnahmen, die nach Ansicht des MIV zu starken Wettbewerbsverzerrungen führen werden."Wir müssen damit rechnen, dass die Beschlüsse zahlreiche
Milcherzeuger in ökonomische Schwierigkeiten bringen", so Eberhard Hetzner, Hauptgeschäftsführer des MIV.

Bauernverband: Kein Aufbruchsignal, sondern schwere Bürde

Die Idee der Entkopplung des landwirtschaftlichen Direktausgleichs mündet in einem unerträglichen europäischen Flickenteppich sehr unterschiedlicher nationaler und regionaler Bestimmungen. Dessen Umsetzung und Kontrolle wird in Deutschland Bund und Ländern eine bisher nicht gekannte Verantwortung, aber auch eine noch größere Verwaltungsaufgabe abverlangen. Anstatt gerade den Bauern eine unbürokratische Lösung zu präsentieren und eine nachhaltige Landwirtschaft im Wettbewerb zu stärken, trifft gerade dieser Beschluss diejenigen massiv, die mit die Rinderhaltung in Deutschland ihr Einkommen erwirtschaften und zugleich die Landschaft pflegen. Das trifft die Mehrzahl der bäuerlichen Betriebe, unabhängig von ihrer
Größenordnung.

Deutscher Raiffeisenverband: Kein Signal für verbesserte Perspektiven

Die Entscheidungen der EU-Agrarminister über die Reform der EU-Agrarpolitik sind kein Einstieg in verbesserte wirtschaftliche Perspektiven für die Land- und Agrarwirtschaft. Für die Vermarktungsunternehmen insgesamt ist weiterer wirtschaftlicher Anpassungsdruck vorprogrammiert.

Insbesondere im Milchsektor werden sich die Rahmenbedingungen massiv verschlechtern. Die Beschlüsse gehen über den bislang von der Agenda 2000 gesteckten Rahmen hinaus. Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) begrüßt grundsätzlich die Verlängerung der Quotenregelung, aber insbesondere die preis- und mengenmäßige Einschränkung der Butterintervention wird zu einer deutlich geringeren Absicherung der Milchpreise führen. Der Druck auf Markterlöse und Erzeugerpreise wird
noch zunehmen. Der DRV befürchtet erhebliche Auswirkungen auf die künftigen Strukturen in Milcherzeugung und -verarbeitung.
Quelle: UD
 
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