Politik

Gegen den Trend: Wird die britische Bahn wieder verstaatlicht?

Der Parteitag der britischen Labour-Party beschloss, in Großbritannien auch den Bahnbetrieb wieder unter staatliche Regie zu stellen. Deutsche Unternehmerverbände hatten vor einer Woche das britische Beispiel als Vorbild präsentiert. Die Bahnexpertengruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn sieht in dem Labour-Beschluss eine logische Antwort auf die katastrophalen Folgen jeder Bahnprivatisierung.

06.10.2004

Noch vor wenigen Tagen hatten die Unternehmerverbände BDI und DIHT das britische Beispiel der Bahnprivatisierung als Alternative gegenüber dem Mehdorn-Modell präsentiert. Zwar sei dort der Webfehler gemacht worden, die Trassen zu privatisieren. Richtig sei jedoch gewesen, den Bahnbetrieb an private Betreiber zu vergeben. Die Entwicklung der Verkehrsleistungen im britischen Netz würde dies bestätigen. In Deutschland soll nach dem Willen der Unternehmerverbände zwar das Netz beim Bund bleiben, der Betrieb jedoch ebenfalls privatisiert werden.

Richtig ist, dass die Statistiken ein deutliches Wachstum des britischen Schienenverkehrs vermelden. So stieg im Zeitraum 1994 bis 2000 die Leistung im Personenverkehr um 39 Prozent und im Güterverkehr um 40 Prozent. In der Fachliteratur *) wird die Ursache dafür überwiegend nicht in der Privatisierung, sondern in Faktoren wie der lang anhaltenden positiven Wirtschaftsentwicklung, der Schaffung von Millionen prekärer Jobs mit wachsendem Pendlerverkehr und den überdurchschnittlich hohen Kraftstoff-Preisen gesehen. Während die Zahl der Erwerbstätigen im genannten Zeitraum in Großbritannien um eineinhalb Millionen stieg, stagnierte sie hierzulande.

Dennoch ist die Bilanz der britischen Bahnprivatisierung negativ, findet der Verein Bürgerbahn statt Börsenbahn: Im Bahnbetrieb sei es nicht zu einem "belebenden Wettbewerb" gekommen. Vielmehr hätten sich Gebietsmonopole der privaten Bahnbetreiber gebildet. Zudem sei es nicht zum größeren Einsatz von modernem, attraktiven Wagenmaterial gekommen. Vielerorts werde mit dem umlackierten Fahrzeugpark der verblichenen Staatsgesellschaft gefahren. Schließlich hätten sich die Sicherheitsstandards deutlich verschlechtert. Daraus resultierten bisher fünf aufeinander folgende schwere Unfälle.

Im übrigen, so der Bürgerverein weiter, sei die Pleite der Trassengesellschaft Railtrack 2001 nicht zu trennen vom gesamten Schienenverkehr. Bei der Privatisierung der Trasse machten private Investoren Gewinne in Höhe von bis zu zehn Milliarden Pfund. Bei der Renationalisierung musste der Staat sechs Milliarden Pfund Schulden übernehmen. Nach Angaben der britischen Regierung sind Investitionen in Höhe von umgerechnet bis zu 100 Milliarden Euro erforderlich, um das heruntergewirtschaftete Schienennetz wieder instand zu setzen.
Quelle: UD
 
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