Politik

In der Globalisierungsfalle? Essay von Ernst Ulrich von Weizsäcker

Die Welt durchlebt zwei Krisen, eine ökologische und eine politische. Die Lösung beider Krisen kann für die Menschheit und für die Unternehmen lebenswichtig sein. Ernst Ulrich von Weizsäcker analysiert die Situation. Den Vollständigen Artikel lesen Sie im aktuellen Jahrbuch des Global Compact Deutschland!

26.01.2005

Die ökologische Krise ist bekannt. Wenn 6,3 Milliarden Menschen so leben würden wie die heutigen US-Amerikaner, dann bräuchten wir etwa drei Erdbälle, um deren „ökologische Fußabdrücke“ unterzubringen. Schon heute rotten wir täglich rund 50 Tier- oder Pflanzenarten aus. Und wir heizen die Erdatmosphäre bedrohlich weiter auf. Die Instabilität des Polareises und damit eine weltweite Überschwemmungskatastrophe kommt in Reichweite.

Nachhaltigkeit ist nur noch zu erreichen, wenn sich erstens die Zahl der Menschen bald stabilisiert und wir zweitens lernen, die Effizienz im Umgang mit Energie und anderen Ressourcen dramatisch zu steigern. Eine Vervierfachung der Ressourcenproduktivität ist technisch möglich. Sie ist aber unter den heutigen Bedingungen nicht rentabel und wird daher nicht ernsthaft betrieben.

Die politische Krise ist komplex und schwieriger zu beschreiben. Ich nenne zunächst drei offen sichtbare Krisenherde:
· den großen und weiter wachsenden Abstand zwischen arm und reich;
· den Fehlbestand von etwa einer Milliarde auskömmlicher Arbeitsplätze; und
· die weit verbreitete Unsicherheit wegen Terrorismus und Krieg.
Fast unsichtbar spielt sich eine vielleicht noch tiefer gehende Krise ab: die Krise der Demokratie. Sie hat nach dem Ende des Ost-West-Konflikts gleichzeitig mit dem neuen Phänomen der Globalisierung begonnen. Es ist signifikant, dass das Wort Globalisierung erst nach 1990 in die Sprachen der Welt eingewandert ist.
Krise der Demokratie

Bis 1990 konnte man noch frohgemut davon ausgehen, dass sich Demokratie und freie Marktwirtschaft gegenseitig unterstützen. Die Marktwirtschaft war sozial ausgerichtet worden und schaffte so „Wohlstand für alle“ (Ludwig Erhard). Und das Bündnis demokratischer Staaten schützte die Marktwirtschaft vor dem Kommunismus. Am Ende siegte diese wunderbare Allianz von Marktwirtschaft und Demokratie über den Kommunismus, und Francis Fukuyama rief schon das „Ende der Geschichte“ aus.
Aber es kam anders. Die Marktwirtschaft veränderte sich selbst nach 1990 von Grund auf. Wie das? Nun, bis 1990 hatte das Kapital ein massives Interesse an einem sozialen Konsens, der die Länder gegen den Bazillus des Kommunismus immunisierte. Das war nun nicht mehr nötig. Damit verloren die Nationalstaaten unversehens viel von ihrer Verhandlungsstärke gegenüber dem Privatsektor. Die globalen Kapitalmärkte erhielten auf einmal eine unerhörte Durchschlagskraft. Sie setzten zuerst die Unternehmen unter einen gnadenlosen Renditedruck. Diese gaben den Druck so gut sie konnten weiter, an die Arbeitnehmerschaft und vor allem an den Staat. Alles, was Kosten für die Betriebe bedeutete, insbesondere Steuern, wurde mit einer Heftigkeit attackiert, die vor 1990 als „politisch nicht korrekt“ empfunden worden wäre und daher unterblieb. Jetzt sehen wir den Kern des Phänomens der Globalisierung.

Schädlicher Steuerwettbewerb

Im „schädlichen Steuerwettbewerb“ (OECD-Sprache!) machten einige Länder wie Neuseeland, Irland und USA den Vorreiter. Bei Steuersenkungen gibt es einen „first mover advantage“: die Investoren lassen sich anlocken. Wenn aber die Konkurrenten nachgezogen haben, nimmt der Vorteil ab. Wenn im überfüllten Kino mit einer zu niedrigen Leinwand einer aufsteht, kann er besser sehen, aber wenn im Laufe der Zeit alle aufstehen, geht es allen schlechter.

Die Staaten sind steuerlich und sozialpolitisch stark geschwächt. Ihre Fähigkeit, sich um die sozial Schwachen zu kümmern, hat nach 1990 sehr abgenommen, und das zu einer Zeit, wo die demographische Entwicklung gewaltige Zusatzkosten für die Altersversorgung mit sich brachte. Doch immer noch ruft die Wirtschaft nach weiteren Steuersenkungen.

Die Wähler sind verstimmt und verunsichert, teilweise wütend. Sie ahnen zwar, dass die Handlungsfähigkeit des Staates geschrumpft ist, aber sie haben niemand anderen als den Staat, um ihrem Ärger Luft zu machen. Die Wahlenthaltung nimmt zu, teilweise auch der Zulauf zu extremen Parteien.

Mehr über Lösungsperspektiven und den vollständigen Artikel lesen Sie im aktuellen Jahrbuch des Global Compact Deutschland!

Global Compact Deutschland 2004
Mit Beiträgen u.a. von Horst Köhler, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Georg
Kell, Volker Hauff, Peter Eigen, Peter Ulrich, Ernst Ulrich von
Weizsäcker, Elmer Lenzen, Barbara Unmüßig und vielen deutschen Global
Compact- Mitgliedsunternehmen.
88 S., durchgehend farbig, kartoniert und gebunden, FSC-zertifizierter
Druck, ISSN 1614-7685
Einzelpreis: EUR 25.- inkl. MwSt. & Versand
Ab sofort erhältlich
Quelle: UD
 
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