Politik
Korruption führt zu Armut, Gewalt und Terrorismus - Exklusiv-Interview mit Peter Eigen
Angesichts der Nebeneinkünfte von Abgeordneten ist das Korruptionsthema derzeit im Blickfeld. Dochdas Thema Korruption ist komplexer: Im globalen Wettbewerb führt es zu massiven Schäden. Vor allem die Entwicklungsländer leiden darunter. Im Gespräch mit Prof. Dr. Peter Eigen, Vorsitzender von Transparency International (TI). Das vollständige Interview lesen Sie im aktuellen Jahrbuch des Global Compact Deutschland!
02.02.2005
Wie bewerten Sie die Einführung des 10. Prinzips?
Die neun Prinzipien sind ohne das zehnte Korruptionsprinzip nicht möglich. Wir waren daher schon enttäuscht, dass es nicht von Anfang an aufgenommen wurde. Die Situation war aber folgende: Es gab damals keine internationale Verpflichtung, die Korruption einzustellen. Und deshalb konnten besonders die großen Unternehmen nicht verpflichtet werden, mit der Korruption aufzuhören. Skandalös war etwa, dass bis Februar 1999 Auslandskorruption in den meisten reichen Staaten erlaubt war. Von daher wäre es wahrscheinlich vermessen gewesen, wenn Kofi Annan schon im Januar 1999 darum geworben hätte.
Wie ernst nimmt die Wirtschaft die Korruptionsbekämpfung?
Ich habe das Gefühl, dass das Thema Korruptionsbekämpfung eine Eigendynamik entwickelt. Derzeit scheuen aber noch viele Unternehmen, sich der Öffentlichkeit zu stellen. Wenn sie nämlich sagen: „Ich tue etwas gegen Korruption“, und es wird dann doch ein Korruptionsfall in Indien, Italien oder Nigeria bekannt, dann stehen sie nicht nur als korrupt sondern auch als scheinheilig da. Diese doppelte Gefährdung scheuen viele, insbesondere die deutschen Unternehmen. Insofern läuft es langsam an, aber die Firmen werden sich -- um ihrer eigenen Reputation willen - daran gewöhnen müssen.
Wie wird Transparency International diesen Prozess begleiten?
Erstens werden wir daran mitarbeiten, die Instrumente zur Verfügung zu stellen, damit die Beteiligten ihre eigenen Antikorruptionsregeln umsetzen können. Das ist manchmal gar nicht leicht, wenn man ein Unternehmen mit einigen hunderttausend Mitarbeitern hat, das in verschiedenen Kulturen und überall auf der Welt arbeitet und bestimmte Angewohnheiten mitbringt, die man nicht so ohne weiteres ausmerzen kann. Daher brauchen sie auch die technischen Instrumente, um eine neue Kultur zu schaffen, und um sich vor Korruption zu schützen. Zweitens werden wir auch in den Ländern, in denen Korruption an der Tagesordnung ist, durch unsere dortigen nationalen Sektionen versuchen, die Korruption zu bekämpfen. Wenn die Nachfrage nachlässt, fällt es den Unternehmen auch leichter, der eigenen Versuchung zu widerstehen.
Wie sollte sich ein Unternehmen also konkret verhalten?
Wenn es ein Unternehmen ist, was nur in Deutschland und Europa operiert, dann würde ich ganz klar verlangen, dass absolut keine Bestechungsgelder bezahlt werden. Ich würde Richtlinien festlegen für Geschenke und Gefälligkeiten, die angenommen und gegeben werden können. Präsentkörbe zu Weihnachten für einige Hunderte Euro etwa sind nicht akzeptabel. Außerdem würde ich in der eigenen Belegschaft Trainingskurse abhalten, und ich würde eine Hotline einrichten lassen.
Bei einem Unternehmen, welches in Länder exportiert, wo Korruption noch Gang und Gebe ist wie etwa Saudi-Arabien oder Indonesien, muss man das differenzierter sehen: Ich würde als Unternehmer meinen Mitarbeitern aber erklären, dass nach deutschem Recht dortige Korruption auch hier strafbar ist. Das wissen die meisten nämlich nicht. Wenn aber eine solche Situation auftaucht, und das Unternehmen merkt, dass ein riesiger Auftrag verloren gehen könnte, dann muss man sich Rat einholen, etwa bei beruflichen Organisationen oder bei TI, die möglicherweise in diesem Land eine nationale Sektion haben und Druck machen können, um dem Verlangen von Korruptionszahlungen zu begegnen.
Korruption hat viele Gesichter. Welche Bereiche sind besonders anfällig?
Wir haben in einer Umfrage einmal eine Reihenfolge der Branchen aufgestellt, in denen Korruption besonders häufig vorkommt. Da war ganz klar die Bauwirtschaft die anfälligste. Gleich danach kommen der Waffenhandel und der Energiesektor. Der Grund ist, dass dort sehr große Investitionen eine Rolle spielen, die in einem deutlichen Missverhältnis zum Einkommen des Beamten stehen, der über die Vergabe entscheidet. Deswegen ist die Versuchung - etwa für einen kleinen Beamten in Nigeria groß - zehn oder 20 Mio. Dollar zu kassieren, bevor er einen 500 Mio. Dollar Auftrag vergibt. Das haben viele Unternehmen, auch deutsche, jahrelang unterstützt: Die haben sich nämlich ausgerechnet, dass fünf bis zehn Prozent Schmiergelder bei Großaufträgen lohnen, allzumal sie früher auch von der Steuer absetzbar waren. So wurde viele Jahre lang Wirtschaftspolitik systematisch pervertiert. Das ist meiner Meinung nach auch der Hauptgrund für die Verarmung vieler Länder und Milliarden von Menschen. Korruption führt daher ganz klar zu Armut, Gewalt und Terrorismus.
Seit Jahren belegen die skandinavischen Länder Spitzenplätzen im Korruptionsindex. Was machen sie besser, was kann Deutschland davon lernen?
Meiner Meinung ist der interessanteste gemeinsame Nenner der skandinavischen Länder der, dass sie ausgeprägte Informationsfreiheitsgesetze haben. Das sind Gesetze, die grundsätzlich alle Behördenakten öffentlich machen. Wenn etwas vertraulich oder geheim gehalten werden soll, dann muss dies ausdrücklich beschlossen und begründet werden. Bei uns ist es umgekehrt: Hier ist erst einmal alles geheim, und wenn man Zugang zu Akten haben möchte, muss man dies beantragen. Deswegen wäre es ungeheuer wichtig, dass auch in Deutschland endlich ein Informationsfreiheitsgesetz zustande kommt.
Andererseits muss man aber auch sagen, dass Deutschland sich im aktuellen Index verbessert hat. Vielleicht nicht zu sehr von Rangfolge, hier verbesserte es sich vom 16. auf den 15. Platz, aber vor allem vom Wert: Deutschland stieg hier von 7,8 auf 8,3 Punkte von insgesamt möglichen zehn.
Das vollständige Interview lesen Sie im aktuellen Jahrbuch des Global Compact Deutschland!
Global Compact Deutschland 2004
Mit Beiträgen u.a. von Horst Köhler, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Georg
Kell, Volker Hauff, Peter Eigen, Peter Ulrich, Ernst Ulrich von
Weizsäcker, Elmer Lenzen, Barbara Unmüßig und vielen deutschen Global
Compact- Mitgliedsunternehmen.
88 S., durchgehend farbig, kartoniert und gebunden, FSC-zertifizierter
Druck, ISSN 1614-7685
Einzelpreis: EUR 25.- inkl. MwSt. & Versand
Ab sofort erhältlich!
Bestellanschrift::
mediengruppe macondo
Hüfferstr. 25
48149 Münster
Tel.: 0251/4844 9340
Fax: 0251/4844 9342
info@macondo.de
www.macondo.de
Die neun Prinzipien sind ohne das zehnte Korruptionsprinzip nicht möglich. Wir waren daher schon enttäuscht, dass es nicht von Anfang an aufgenommen wurde. Die Situation war aber folgende: Es gab damals keine internationale Verpflichtung, die Korruption einzustellen. Und deshalb konnten besonders die großen Unternehmen nicht verpflichtet werden, mit der Korruption aufzuhören. Skandalös war etwa, dass bis Februar 1999 Auslandskorruption in den meisten reichen Staaten erlaubt war. Von daher wäre es wahrscheinlich vermessen gewesen, wenn Kofi Annan schon im Januar 1999 darum geworben hätte.
Wie ernst nimmt die Wirtschaft die Korruptionsbekämpfung?
Ich habe das Gefühl, dass das Thema Korruptionsbekämpfung eine Eigendynamik entwickelt. Derzeit scheuen aber noch viele Unternehmen, sich der Öffentlichkeit zu stellen. Wenn sie nämlich sagen: „Ich tue etwas gegen Korruption“, und es wird dann doch ein Korruptionsfall in Indien, Italien oder Nigeria bekannt, dann stehen sie nicht nur als korrupt sondern auch als scheinheilig da. Diese doppelte Gefährdung scheuen viele, insbesondere die deutschen Unternehmen. Insofern läuft es langsam an, aber die Firmen werden sich -- um ihrer eigenen Reputation willen - daran gewöhnen müssen.
Wie wird Transparency International diesen Prozess begleiten?
Erstens werden wir daran mitarbeiten, die Instrumente zur Verfügung zu stellen, damit die Beteiligten ihre eigenen Antikorruptionsregeln umsetzen können. Das ist manchmal gar nicht leicht, wenn man ein Unternehmen mit einigen hunderttausend Mitarbeitern hat, das in verschiedenen Kulturen und überall auf der Welt arbeitet und bestimmte Angewohnheiten mitbringt, die man nicht so ohne weiteres ausmerzen kann. Daher brauchen sie auch die technischen Instrumente, um eine neue Kultur zu schaffen, und um sich vor Korruption zu schützen. Zweitens werden wir auch in den Ländern, in denen Korruption an der Tagesordnung ist, durch unsere dortigen nationalen Sektionen versuchen, die Korruption zu bekämpfen. Wenn die Nachfrage nachlässt, fällt es den Unternehmen auch leichter, der eigenen Versuchung zu widerstehen.
Wie sollte sich ein Unternehmen also konkret verhalten?
Wenn es ein Unternehmen ist, was nur in Deutschland und Europa operiert, dann würde ich ganz klar verlangen, dass absolut keine Bestechungsgelder bezahlt werden. Ich würde Richtlinien festlegen für Geschenke und Gefälligkeiten, die angenommen und gegeben werden können. Präsentkörbe zu Weihnachten für einige Hunderte Euro etwa sind nicht akzeptabel. Außerdem würde ich in der eigenen Belegschaft Trainingskurse abhalten, und ich würde eine Hotline einrichten lassen.
Bei einem Unternehmen, welches in Länder exportiert, wo Korruption noch Gang und Gebe ist wie etwa Saudi-Arabien oder Indonesien, muss man das differenzierter sehen: Ich würde als Unternehmer meinen Mitarbeitern aber erklären, dass nach deutschem Recht dortige Korruption auch hier strafbar ist. Das wissen die meisten nämlich nicht. Wenn aber eine solche Situation auftaucht, und das Unternehmen merkt, dass ein riesiger Auftrag verloren gehen könnte, dann muss man sich Rat einholen, etwa bei beruflichen Organisationen oder bei TI, die möglicherweise in diesem Land eine nationale Sektion haben und Druck machen können, um dem Verlangen von Korruptionszahlungen zu begegnen.
Korruption hat viele Gesichter. Welche Bereiche sind besonders anfällig?
Wir haben in einer Umfrage einmal eine Reihenfolge der Branchen aufgestellt, in denen Korruption besonders häufig vorkommt. Da war ganz klar die Bauwirtschaft die anfälligste. Gleich danach kommen der Waffenhandel und der Energiesektor. Der Grund ist, dass dort sehr große Investitionen eine Rolle spielen, die in einem deutlichen Missverhältnis zum Einkommen des Beamten stehen, der über die Vergabe entscheidet. Deswegen ist die Versuchung - etwa für einen kleinen Beamten in Nigeria groß - zehn oder 20 Mio. Dollar zu kassieren, bevor er einen 500 Mio. Dollar Auftrag vergibt. Das haben viele Unternehmen, auch deutsche, jahrelang unterstützt: Die haben sich nämlich ausgerechnet, dass fünf bis zehn Prozent Schmiergelder bei Großaufträgen lohnen, allzumal sie früher auch von der Steuer absetzbar waren. So wurde viele Jahre lang Wirtschaftspolitik systematisch pervertiert. Das ist meiner Meinung nach auch der Hauptgrund für die Verarmung vieler Länder und Milliarden von Menschen. Korruption führt daher ganz klar zu Armut, Gewalt und Terrorismus.
Seit Jahren belegen die skandinavischen Länder Spitzenplätzen im Korruptionsindex. Was machen sie besser, was kann Deutschland davon lernen?
Meiner Meinung ist der interessanteste gemeinsame Nenner der skandinavischen Länder der, dass sie ausgeprägte Informationsfreiheitsgesetze haben. Das sind Gesetze, die grundsätzlich alle Behördenakten öffentlich machen. Wenn etwas vertraulich oder geheim gehalten werden soll, dann muss dies ausdrücklich beschlossen und begründet werden. Bei uns ist es umgekehrt: Hier ist erst einmal alles geheim, und wenn man Zugang zu Akten haben möchte, muss man dies beantragen. Deswegen wäre es ungeheuer wichtig, dass auch in Deutschland endlich ein Informationsfreiheitsgesetz zustande kommt.
Andererseits muss man aber auch sagen, dass Deutschland sich im aktuellen Index verbessert hat. Vielleicht nicht zu sehr von Rangfolge, hier verbesserte es sich vom 16. auf den 15. Platz, aber vor allem vom Wert: Deutschland stieg hier von 7,8 auf 8,3 Punkte von insgesamt möglichen zehn.
Das vollständige Interview lesen Sie im aktuellen Jahrbuch des Global Compact Deutschland!
Global Compact Deutschland 2004
Mit Beiträgen u.a. von Horst Köhler, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Georg
Kell, Volker Hauff, Peter Eigen, Peter Ulrich, Ernst Ulrich von
Weizsäcker, Elmer Lenzen, Barbara Unmüßig und vielen deutschen Global
Compact- Mitgliedsunternehmen.
88 S., durchgehend farbig, kartoniert und gebunden, FSC-zertifizierter
Druck, ISSN 1614-7685
Einzelpreis: EUR 25.- inkl. MwSt. & Versand
Ab sofort erhältlich!
Bestellanschrift::
mediengruppe macondo
Hüfferstr. 25
48149 Münster
Tel.: 0251/4844 9340
Fax: 0251/4844 9342
info@macondo.de
www.macondo.de
Quelle: UD