Politik

Wohin steuert die EU-Agrarpolitik?

Was passiert, wenn die EU-Zölle auf Agrarprodukte gesenkt werden? Profitieren die Entwicklungsländer tatsächlich so stark wie angenommen? Und wie sind die Auswirkungen innerhalb der Europäischen Union? Rund dreißig Arbeitsgruppen aus ganz Europa arbeiten in den nächsten vier Jahren zusammen, um die Effekte agrar- und umweltpolitischer Entscheidungen prognostizierbarer zu machen.

13.04.2005

Seit dem Jahr 1992 vollzog die Europäische Union in drei Reformschritten einen drastischen Wechsel in der Agrarpolitik: Wurden durch das Brüsseler Geldsäckel zuvor einzelne Produkte subventioniert, indem die EU für Eier, Rindfleisch oder Weizen Garantiepreise zahlte, erhält heute jeder Landwirt in der EU jährlich einen bestimmten Betrag für die Landfläche, die zu seinem Hof gehört - selbst wenn er sie gar nicht bebaut. Die Folge dieser kleinen Revolution waren vielfältig: Da die Rinderzucht nicht mehr direkt subventioniert wurde, nahm die Fleischproduktion ab; weniger Tiere erzeugen aber auch weniger umweltschädliche Gülle. Auf vielen Feldern wuchs nach Wegfall der Stützzahlungen statt Weizen fortan Tierfutter, das seinerseits weniger Dünger benötigt. Die Belastung des Grundwassers durch Nitrate und Phosphate nahm daher ab, ebenso wie die Menge der Klimagase: Jede Kuh "rülpst" täglich bis zu 300 Liter des Klimakillers Methan in die Luft - je weniger Rinder, desto besser also für die Umwelt.

Andererseits gingen durch die Brüsseler Geldspritze die Preise für Agrarland in die Höhe - schließlich bedeutete jeder Hektar eigene Scholle fortan bares Geld, und das ohne Risiko. Zudem sanken die Exporte von Rindfleisch; die Importe gingen im Gegenzug in die Höhe. Die mit der Fleischerzeugung verbundenen Probleme verlagerten sich daher zumindest zum Teil ins Ausland. "Das Beispiel verdeutlicht höchstens annähernd, wie komplex die Effekte agrarpolitischer Entscheidungen sind", erklärt Dr. Wolfgang Britz vom Institut für Agrarpolitik, Marktforschung und Wirtschaftssoziologie der Universität Bonn. "Wir entwickeln daher computergestützte Szenarien, auf deren Basis die Politiker entscheiden können."

Es gibt halt viele Stellschräubchen, an denen die Politik drehen kann, und nicht immer sind die Folgen wie geplant. Die Wissenschaftler um Professor Dr. Thomas Heckelei haben daher eine Simulationssoftware entwickelt, die in die Zukunft sehen kann: "CAPRI Modelling System" heißt das Agrar-Orakel, das die Bonner schon seit 1997 immer weiter ausbauen und verfeinern. Das System kann die agrarwirtschaftlichen Zusammenhänge bereits recht gut abbilden. Schwächen hat es dagegen bei biophysikalischen Zusammenhängen - wenn es beispielsweise um die Auswirkungen einer veränderten Düngepraxis auf Pflanzenwachstum oder Grundwasserverschmutzung geht. "Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns primär nicht, dafür gibt es in Europa andere Spezialisten", sagt Britz.

Das EU-Projekt SEAMLESS (nahtlos) soll vorhandenes Know-how bündeln: Rund 80 Forscher aus 13 Ländern versuchen in den nächsten vier Jahren, aus den verschiedenen Prognosemodellen, die in Europa bereits existieren, ein großes Gesamtpaket zu schnüren. Ziel ist letztlich eine gemeinsame Software für ganz Europa, die die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf dem Agrarsektor über einen Zeitraum von zehn und mehr Jahren zumindest tendenziell prognostizieren kann.

In anderthalb Jahren soll der erste Prototyp stehen. Das Interesse der Politik ist groß: 40 Prozent des EU-Gesamtbudgets fließen in den Agrarbereich - 2004 waren das knapp 50 Milliarden Euro. Rund 15 Millionen Euro lässt sich die EU SEAMLESS daher kosten.
Quelle: UD
 
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