Politik
Warten auf die Pandemie
Die Gedanken an eine Vogelgrippe-Pandemie sind verdrängt. Dabei ist die Entstehung einer globalen Pandemie keine Frage des "Ob", sondern des "Wann". Im schlimmsten anzunehmenden Fall würden in Deutschland die Betten in den Krankenhäusern knapp. Landesweite Impfungen könnten hingegen die Krankheitsrate reduzieren. Versicherungstechnisch käme eine Pandemie einem Erdbeben gleich. Dies sind Ergebnisse eines von der Allianz und dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI Essen) veröffentlichten Reports.
31.07.2006
Der Ausbruch der Vogelgrippe in Deutschland war im Februar 2006 das Thema in den Medien. Nachdem die Bilder toter Vögel vom Bildschirm verschwunden sind, ist das Thema zwar größtenteils aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden, die Gefahr einer Pandemie besteht jedoch unverändert fort. Wissenschaftler sind sich aber einig: Die Frage ist nicht, ob eine Pandemie kommt, sondern wann sie kommt. "Es geht auch nicht darum, die Seuche abzuwenden, sondern schnell und richtig auf sie reagieren zu können", sagte Wilfried Johannßen, Mitglied des Vorstandes der Allianz Privaten Krankenversicherungs-AG "Als Risikomanager ist es unsere Aufgabe, die großen Gefahren und Risiken dieser Welt zu erkennen - und zwar bevor sie über uns hereinbrechen." So könnten diese für Kunden und Aktionäre gleichermaßen rechtzeitig abgemildert werden.
Medikamente und Krankenbetten werden knapp
Die therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung einer Pandemie sind begrenzt. Antivirale Medikamente sind derzeit noch die einzigen medizinischen Interventionsmöglichkeiten zu Beginn der Krankheit. Impfen wäre der beste Schutz, wenn denn schnell ein Impfstoff entwickelt werden könnte und ausreichende Kapazitäten kurzfristig zur Verfügung stünden. Derzeit könnten die Pharmaunternehmen jedoch nur Impfstoff für maximal sieben Prozent der Weltbevölkerung kurzfristig bereitstellen.
Nicht nur Medikamente sind knapp, auch Betten für Infizierte in deutschen Krankenhäusern dürften im Katastrophenfall nicht ausreichen. Darüber hinaus fallen durch die Gesundheitsreform aus dem Jahr 2004 in den kommenden Jahren etwa 135 000 Krankenhausbetten bundesweit weg. "In deutschen Krankenhäusern stehen immer weniger Kapazitäten für plötzlich steigenden Versorgungsbedarf zur Verfügung", sagte Johannßen.
Zu diesem Ergebnis kommen auch die Wissenschaftler des RWI Essen und der Unternehmensberatung ADMED. "Unsere Analyse hat ergeben, dass in Deutschland zwar genügend Krankenhausbetten zur Verfügung stehen, die Versorgung von Intensivpatienten wäre jedoch gerade in Ballungszentren wie Hamburg oder Berlin kaum zu bewältigen", sagte Christoph Schmidt, Präsident des RWI Essen. "Im Falle einer schweren Pandemie stünde beispielsweise in Berlin nur für jeden vierten Patienten ein Intensivbett zur Verfügung." Und bei einer Erkrankungsrate von 30 Prozent wären nur in Sachsen-Anhalt genügend Betten vorhanden.
Impfungen können Schaden begrenzen
Der Report enthält darüber hinaus eine Übersicht über die Kostenvorhersagen der vorliegenden namhaften Pandemiestudien. "Die Bandbreite der Vorhersagen lässt so ziemlich jede Schlussfolgerung über die wirtschaftlichen Folgen einer neuen Pandemie zu", sagte Schmidt. Dennoch zeigen die Pandemie-Studien in der theoretischen Analyse der Ursachen und Auswirkungen auffällige Parallelen. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung hat in Zusammenarbeit mit der ADMED GmbH berechnet, dass das Bruttoinlandsprodukt im Fall einer milden Pandemie um etwa ein Prozent und bei einer schweren Pandemie um 3,6 Prozent geringer wäre als im Fall ohne Pandemie. "Durch den Ausfall an Arbeitsstunden haben die Wissenschaftler im milden Szenario einen Angebotseffekt von -0,7 Prozent, im schweren Szenario von -2,4 Prozent ermittelt", sagte Schmidt. Hinzu kommt ein Nachfrageausfall von -0,3 Prozent beziehungsweise von -1,2 Prozent.
Auswirkung auf Kapitalmarkt
Im Mittelpunkt einer Analyse über die möglichen Auswirkungen einer Pandemie auf den Kapitalmarkt steht die Unterteilung in potenzielle Gewinner und Verlierer. "Falls es zum Ausbruch einer Pandemie kommen sollte, werden die Börsen die Ersten sein, die entscheiden, wer zu welcher Kategorie gehört", stellt Gunnar Miller, Analyst des Deutschen Investment Trusts (dit), in einem Interview im Rahmen des Reports fest. Insgesamt überwiegen seiner Ansicht nach die Verlierer: Je nach unterstelltem Szenario könnten die Aktienmärkte nach Schätzung der Allianz zwischen 4,3 und 16,7 Prozent verlieren. "Für die Allianz als weltweit tätiges Finanzdienstleistungsunternehmen haben aktuelle globale Risiken, wie sie beispielsweise Pandemien oder auch der Klimawandel darstellen, eine herausragende geschäftliche Bedeutung", sagte APKV-Vorstand Johannßen. "Versicherungstechnisch betrachtet ist eine Pandemie jedoch kein außergewöhnliches Ereignis."
Letztlich reiht sich eine Pandemie in Katastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürme ein. "Der wesentliche Unterschied bei einer Pandemie ist jedoch der, dass uns kaum Statistiken bei der Annahme helfen, wann und mit welcher Heftigkeit uns demnächst ein Virus tatsächlich bedroht." Um verschiedene Szenarien zu berechnen und mögliche Belastungen für das Unternehmen abzuschätzen, berücksichtigen die Mathematiker der Allianz Daten aus der Zeit der Spanischen (1918-20), Asiatischen (1957) und der Hongkong-Grippe (1968) sowie der Lungenkrankheit SARS (2003) in ihren Risikomodellen. "Die Szenarien zeigen ein beachtliches ökonomisches Risiko, das aber, selbst im schlimmsten anzunehmenden Fall einer weltweiten Pandemie, von der Allianz verkraftet werden kann", zeigt sich Johannßen überzeugt. Im Falle einer Pandemie wären neben der Finanzdienstleitungsbranche die Geflügelwirtschaft und die Tourismusindustrie sowie das Transportwesen, der Einzelhandel und die Luxusgüterindustrie besonders betroffen. Profitieren würden Hygienemittelhersteller, Anbieter von Unterhaltungselektronik und Informationstechnologie. Ein Gewinner steht bereits heute fest: Die Pharmaindustrie, vor allem die Hersteller antiviraler Medikamente und Grippe-Impfstoffe.
Medikamente und Krankenbetten werden knapp
Die therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung einer Pandemie sind begrenzt. Antivirale Medikamente sind derzeit noch die einzigen medizinischen Interventionsmöglichkeiten zu Beginn der Krankheit. Impfen wäre der beste Schutz, wenn denn schnell ein Impfstoff entwickelt werden könnte und ausreichende Kapazitäten kurzfristig zur Verfügung stünden. Derzeit könnten die Pharmaunternehmen jedoch nur Impfstoff für maximal sieben Prozent der Weltbevölkerung kurzfristig bereitstellen.
Nicht nur Medikamente sind knapp, auch Betten für Infizierte in deutschen Krankenhäusern dürften im Katastrophenfall nicht ausreichen. Darüber hinaus fallen durch die Gesundheitsreform aus dem Jahr 2004 in den kommenden Jahren etwa 135 000 Krankenhausbetten bundesweit weg. "In deutschen Krankenhäusern stehen immer weniger Kapazitäten für plötzlich steigenden Versorgungsbedarf zur Verfügung", sagte Johannßen.
Zu diesem Ergebnis kommen auch die Wissenschaftler des RWI Essen und der Unternehmensberatung ADMED. "Unsere Analyse hat ergeben, dass in Deutschland zwar genügend Krankenhausbetten zur Verfügung stehen, die Versorgung von Intensivpatienten wäre jedoch gerade in Ballungszentren wie Hamburg oder Berlin kaum zu bewältigen", sagte Christoph Schmidt, Präsident des RWI Essen. "Im Falle einer schweren Pandemie stünde beispielsweise in Berlin nur für jeden vierten Patienten ein Intensivbett zur Verfügung." Und bei einer Erkrankungsrate von 30 Prozent wären nur in Sachsen-Anhalt genügend Betten vorhanden.
Impfungen können Schaden begrenzen
Der Report enthält darüber hinaus eine Übersicht über die Kostenvorhersagen der vorliegenden namhaften Pandemiestudien. "Die Bandbreite der Vorhersagen lässt so ziemlich jede Schlussfolgerung über die wirtschaftlichen Folgen einer neuen Pandemie zu", sagte Schmidt. Dennoch zeigen die Pandemie-Studien in der theoretischen Analyse der Ursachen und Auswirkungen auffällige Parallelen. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung hat in Zusammenarbeit mit der ADMED GmbH berechnet, dass das Bruttoinlandsprodukt im Fall einer milden Pandemie um etwa ein Prozent und bei einer schweren Pandemie um 3,6 Prozent geringer wäre als im Fall ohne Pandemie. "Durch den Ausfall an Arbeitsstunden haben die Wissenschaftler im milden Szenario einen Angebotseffekt von -0,7 Prozent, im schweren Szenario von -2,4 Prozent ermittelt", sagte Schmidt. Hinzu kommt ein Nachfrageausfall von -0,3 Prozent beziehungsweise von -1,2 Prozent.
Auswirkung auf Kapitalmarkt
Im Mittelpunkt einer Analyse über die möglichen Auswirkungen einer Pandemie auf den Kapitalmarkt steht die Unterteilung in potenzielle Gewinner und Verlierer. "Falls es zum Ausbruch einer Pandemie kommen sollte, werden die Börsen die Ersten sein, die entscheiden, wer zu welcher Kategorie gehört", stellt Gunnar Miller, Analyst des Deutschen Investment Trusts (dit), in einem Interview im Rahmen des Reports fest. Insgesamt überwiegen seiner Ansicht nach die Verlierer: Je nach unterstelltem Szenario könnten die Aktienmärkte nach Schätzung der Allianz zwischen 4,3 und 16,7 Prozent verlieren. "Für die Allianz als weltweit tätiges Finanzdienstleistungsunternehmen haben aktuelle globale Risiken, wie sie beispielsweise Pandemien oder auch der Klimawandel darstellen, eine herausragende geschäftliche Bedeutung", sagte APKV-Vorstand Johannßen. "Versicherungstechnisch betrachtet ist eine Pandemie jedoch kein außergewöhnliches Ereignis."
Letztlich reiht sich eine Pandemie in Katastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürme ein. "Der wesentliche Unterschied bei einer Pandemie ist jedoch der, dass uns kaum Statistiken bei der Annahme helfen, wann und mit welcher Heftigkeit uns demnächst ein Virus tatsächlich bedroht." Um verschiedene Szenarien zu berechnen und mögliche Belastungen für das Unternehmen abzuschätzen, berücksichtigen die Mathematiker der Allianz Daten aus der Zeit der Spanischen (1918-20), Asiatischen (1957) und der Hongkong-Grippe (1968) sowie der Lungenkrankheit SARS (2003) in ihren Risikomodellen. "Die Szenarien zeigen ein beachtliches ökonomisches Risiko, das aber, selbst im schlimmsten anzunehmenden Fall einer weltweiten Pandemie, von der Allianz verkraftet werden kann", zeigt sich Johannßen überzeugt. Im Falle einer Pandemie wären neben der Finanzdienstleitungsbranche die Geflügelwirtschaft und die Tourismusindustrie sowie das Transportwesen, der Einzelhandel und die Luxusgüterindustrie besonders betroffen. Profitieren würden Hygienemittelhersteller, Anbieter von Unterhaltungselektronik und Informationstechnologie. Ein Gewinner steht bereits heute fest: Die Pharmaindustrie, vor allem die Hersteller antiviraler Medikamente und Grippe-Impfstoffe.
Quelle: UD