Politik

Nachhaltigkeitsrat legt Studie zur aktuellen Finanzpolitik vor

Zur aktuellen Haushalts- und Steuerdiskussion legt der Nachhaltigkeitsrat die Studie „Nachhaltig aus der Krise“ vor, die Experten des DIW und Ecologic Institutes erarbeitet haben. Die Finanz- und Steuerreform muss auf Nachhaltigkeit setzen, weil eine einfache Wachstumsstrategie nicht ausreichen kann. Dem Nachhaltigkeitsrat geht es um Denkanstöße, die Weitsicht und einen umfassenden Ansatz fördern. Der Nachhaltigkeitsrat hat die Studie veranlasst, nachdem schon im Januar 2009 zu erkennen war, dass Rettungspakete, Finanzbürgschaften und Konjunkturspritzen zu einem übergroßen Schuldenberg des Staates führen werden.

13.10.2009

Foto: Marion Book
Foto: Marion Book
Zum Ergebnis und Inhalt der Studie nimmt der Nachhaltigkeitsrat wie folgt Stellung:

„Es zeichnet sich ab: Man kommt nicht um die einfache Wahrheit herum, dass zur Refinanzierung der Krisenschulden steuer- und ausgabenpolitische Einschnitte nötig sind. Es ist eine einfache Wahrheit: Wer Geld ausgibt, muss auch Geld einnehmen. Heute aber wollen das die Einen nicht sagen, und die Anderen wollen es nicht hören. Auch deshalb sind überzeugende neue Konzepte erforderlich. Der Weg aus der Krise heraus führt nicht über eine Diskussion über fragwürdige Steuererhöhungen und ein undifferenziertes Hoffen auf Wachstum, sondern nur der mutige Schwenk hin zu einer an Nachhaltigkeitskriterien orientierten Wirtschaft.

Der öffentliche Haushalt liegt schief, die Klima- und Umweltbelastung erzeugt hohe gesellschaftliche Zusatzkosten, die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit behindert eine effiziente Wirtschaft und ist ein Konzept aus dem vorigen Jahrhundert. Alle drei Effekte sind nicht zukunftsfähig. Auf die Wirtschaftskrise wird bislang mit kurzfristigen Maßnahmen reagiert. Das war erfolgreich, weil größere Einbrüche am Arbeitsmarkt vermieden werden konnten. Die leichte Stabilisierung der Wirtschaft lässt viele in dem Glauben aufatmen, dass die Krise bereits vorbei sei. Das ist ein Trugschluss. Die schwierigsten Entscheidungen stehen in vielen Firmen und zuallererst in Politik und Staat noch aus.

Der Nachhaltigkeitsrat hat zum damaligen Zeitpunkt Experten beauftragt, Wege aus der fiskalischen Krise aufzuzeigen. Es geht darum, die ökologische, ökonomische und soziale Dimension der Nachhaltigkeit vernünftig in Einklang zu bringen. Ein Jahr nach dem Beinahe-Kollaps der internationalen Finanzmärkte müssen wir davon ausgehen, dass die staatlichen Rettungsaktionen, Bürgschaften und Konjunkturhilfen zu einer übergroßen Staatsschuld angewachsen sind und ein strukturelles Problem sind. Auf mittlere Sicht ist kein stabiler und ausgewogener Haushalt zu erwarten. Zusätzlich trägt auch die finanzielle Nachhaltigkeitslücke, die der demographische Wandel Deutschlands hinterlässt, zu den strukturellen Problemen bei.

Die nötige Re-Finanzierung des Staates erfordert ein hohes Maß an politischer Weitsicht. Jetzt sind strukturelle Maßnahmen gefragt, nicht mehr punktuelle Krisenreaktion. Es ist unabdingbar, die langfristige Haushaltspolitik auf der Basis einer gründlichen Bestandsaufnahme neu zu ordnen. Die Neuausrichtung der Haushalts- und Finanzpolitik muss harten Nachhaltigkeitskriterien standhalten. Wer es ernst meint mit der Haushaltssanierung, kommt aller Voraussicht nach nicht um Steuererhöhungen umhin. Die Erhöhung der Steuern bietet der Politik die Chance, Verantwortung zu zeigen und für sozialen Ausgleich zu sorgen.

Denn die unsozialste Vorgehensweise wäre es, die Finanzierungskrise mit einer Inflation zu bekämpfen. Die Inflation würde die Ärmsten am härtesten treffen.
Das Gutachten weist auf einen entscheidenden Punkt hin: Im Hinblick auf das Steueraufkommen aus Umweltsteuern liegt Deutschland unterhalb des Durchschnitts unserer Nachbarländer der EU. Sogar Schlusslicht ist Deutschland, wenn es um die Besteuerung von Ressourcen und Rohstoffen geht. Die Gutachter regen an, wie eine nachhaltige Haushaltspolitik auf möglichst effiziente Weise mit der Entlastung der Umwelt und der Verteilungsgerechtigkeit verbunden werden kann. Denn die Re-Finanzierung des Staatshaushaltes soll zum Ausbau einer nachhaltigen Wirtschaft beitragen und Arbeit und Einkommen in Zukunft ermöglichen. Das nötige Finanzvolumen wird in der Studie beziffert.

Das Gutachten äußert sich ausschließlich zu der nationalen Dimension einer fiskalischen Nachhaltigkeit, verkennt aber nicht, dass globale Fragestellungen und internationale Verhandlungen wichtige Rahmenbedingungen setzen. Die Vorschläge des Gutachtens greifen vorrangig, aber nicht ausschließlich die ökologische Dimension auf. Das Konzept der „doppelten Dividende“ aus Entlastung der Faktors Arbeit und positiven Wirkungen auf die Umwelt soll fortentwickelt werden. Jetzt geht es ergänzend um die Parallele zwischen der Re-Finanzierung des Staates und dem Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft.

Das Gutachten empfiehlt als erste Schritte eine Neuausrichtung der Umweltsteuern, weil sie ökologisch in die richtige Richtung weisen, während eine Erhöhung der undifferenzierten Mehrwertsteuer dies nicht tut, zu Lasten der Ärmeren. Es geht um die Besteuerung der Ressourcennutzung, der Flächeninanspruchnahme sowie des Mineralöleinsatzes im Flugverkehr und in der Schifffahrt. Eine Börsenumsatzsteuer wird, allerdings als global zu verankernde Steuer, als wichtiger Baustein einer neuen Steuerstruktur vertreten und kann einen signifikanten Beitrag zur Re-Finanzierung der Schuldenlast leisten.

Der Nachhaltigkeitsrat gibt an dieser Stelle kein abschließendes Votum für die eine oder andere Steuer ab. Es erfordert große Sorgfalt, die möglichen Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur und die soziale Balance auszuloten und die internationale Einbindung im Blick zu haben. Vielmehr geht es zunächst um die grundsätzliche Frage, woran eine nachhaltige Haushaltspolitik auszurichten ist und wie sie zu verankern ist,

•  um in der Haushaltssanierung die erforderliche Weitsicht und den komplexen Blick auf die Dimensionen der Nachhaltigkeit zu schaffen,
• um die Differenzierung der Mehrwertsteuer zur sozialen Entlastung und zur Verstärkung ökologischer Wirkungen einzusetzen,
• um ethischen Anforderungen und Werten einer nachhaltigen Wirtschaft mit der Haushaltssanierung zu verbinden, und zum Beispiel, „Luxus“ im steuerlichen Sinne zeitgemäß, etwa als übermäßiger CO2 Ausstoß zu interpretieren.

Der Nachhaltigkeitsrat erwartet von der Regierungsbildung, dass sie eine Haushaltspolitik entwirft, die ökologischen und sozialen Anforderungen wesentlich besser gerecht wird als dies bisher der Fall war. Sie ist eine Voraussetzung, um dem Primat der Politik überhaupt wieder eine Chance zu geben.

Studie Nachhaltig aus der Krise. Analyse möglicher Beiträge einer ökologischen Finanzreform, erstellt von Benjamin Görlach und Nils Meyer-Ohlendorf, (Ecologic Institut, Berlin) und Michael Kohlhaas (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW), September 2009.
Quelle: UD / pm
 
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