Nestlé Zukunftsforum fordert neue soziale Esskultur
Bricht unsere Gesellschaft am Esstisch auseinander? Der Verlust der sozialen Funktion von Ernährung stand im Mittelpunkt der ersten Veranstaltung des Nestlé Zukunftsforums (NZF) in Berlin. In der voll besetzten Kalkscheune diskutierten Experten die Erkenntnisse und Empfehlungen, die der interdisziplinäre Beirat des neu gegründeten NZF in den vergangenen Monaten erarbeitet hatte. Renate Schmidt, Bundesfamilienministerin a.D. und Vorsitzende des NZF-Beirats, hielt eingangs fest: "Essen und Trinken ist an erster Stelle Privatsache. Aber das Private ist immer auch politisch, mit erheblichen gesellschaftlichen Wirkungen."
21.10.2010
Insbesondere Orte der Gemeinschaftsverpflegung, also Kindergärten, Schulen, Betriebskantinen und Pflegeheime, wurden als Chance für eine neue soziale Esskultur identifiziert. Laut Franz-Josef Möllenberg, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), essen täglich rund 10 Mio. Deutsche in Betriebskantinen. Diese seien auch Orte für Kreativität, in dem vor allem die Kultur des Miteinanders in Unternehmen gepflegt werden könne. Gerhard Berssenbrügge, Vorstandsvorsitzender der Nestlé Deutschland AG und NZF-Beirat, ergänzte: "Unternehmen müssen endlich erkennen, dass Betriebskantinen mehr sind als nur ein Ort reiner Verpflegung, sondern vielmehr die Teambildung fördern können." NGG und Nestlé vereinbarten eine Initiative, mit der die Bedeutung des gemeinsamen Essen herausgestellt wird und in der Folge auch Kantinenessen lieber wahrgenommen wird.
Esskultur in Kitas und Schulen entwickeln
Ulrike Höfken, MdB und Stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, betonte darüber hinaus die Bedeutung der Schulmensa als Ort für Ernährungsbildung und sozialen Zusammenhalt. "Fangen wir bei den Kindern mit einer neuen Esskultur und guter Infrastruktur für die Kindergarten- und Schulernährung an." Johann Lafer, Sternekoch und NZF-Beiratsmitglied, sagte: "Wir müssen an die Ursachen ran." Wichtig sei, das gemeinsame Kochen mit Kindern so früh wie möglich zu fördern. Das könne man später gar nicht mehr aufholen.
Appell an Politik, Wirtschaft und Medien
Das NZF richtet vier konkrete Forderungen an Wirtschaft, Politik und Medien, die den Stellenwert von Ernährung wieder erhöhen, um eine neue, soziale Kultur der Ernährung zu entwickeln:
1. Orte schaffen, die "Social Food" fördern: Orte, an denen auch außerhalb von Familien gemeinsam gegessen, aber auch gekocht wird. Adressiert werden Medien, Unternehmen, Gastronomen und Caterer, aber auch Wohnungsbaugesellschaften, das Bundesfamilienministerium, die Sozialminister der Länder, Wohlfahrtsverbände und Krankenkassen.
2. Work-Life-Food-Balance verbessern: Entwicklung von haushaltsnahen Dienstleistungen und Produkten, die dazu beitragen, mehr Zeit für gemeinsames Essen und Kochen zu gewinnen. Adressaten dieser Forderung sind Lebensmittelhersteller, Handelsunternehmen, Gewerkschaften, Betriebsräte, Wohlfahrtsorganisationen und NGO`s.
3. Informationskampagnen und öffentlichkeitswirksame Maßnahmen heben die Bedeutung und Wertschätzung von Ernährung als sozialen Kitt hervor. Aufgefordert sind hier das Bundesbildungsministerium, Sterneköche und Prominente als Botschafter, Medien, Lebensmittelunternehmen, die Bildungsminister der Länder, Bundesverbraucherministerium, Forschungs- und Bildungsministerium, Arbeitgeber, Gewerkschaften sowie Lehrer und Schulen
4. Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung müssen zu Orten werden, an denen man nicht nur satt wird, sondern sich auch gerne mit anderen aufhält. Adressiert werden hier Medien, Prominente und Multiplikatoren, Caterer, Köche, Arbeitgeber und Gewerkschaften, Bildungsminister und Sozialminister der Länder, Wohlfahrtsorganisationen, Krankenkassen, Unternehmen.
Das NZF will eine neue, soziale Kultur der Ernährung fördern. "Unser Anspruch ist es, dass Menschen Essen wieder wertschätzen", so Gerhard Berssenbrügge. "Gerade deshalb ist die Arbeit des NZF so wichtig. Unsere Arbeit hat erst begonnen."