Politik

Freiheitsindex: Freiheit in Krisen nachrangig

Freiheit gilt hierzulande als hohes Gut - allerdings nicht als sehr hohes. Wie der heute, Mittwoch, in Berlin präsentierte "Freiheitsindex 2011" zeigt, kommt sie gegenüber konkurrierenden Werten wie Gleichheit, Gerechtigkeit oder Sicherheit zunehmend ins Hintertreffen. "Sprechen Bürger über abstrakte Freiheit, befürwortet sie jeder. Geht es ums Konkrete, ist es mit ihr nicht so weit her", erklärt Ulrike Ackermann, Direktorin des John Stuart Mill Instituts für Freiheitsforschung, im Interview.

14.12.2011

Foto: Walter Reich/pixelio.de
Foto: Walter Reich/pixelio.de
Eine repräsentative Allensbach-Befragung deutscher Bürgern sowie eine Medienanalyse bilden die Grundlage für den Index, an dessen Erstellung neben Ackermanns Institut auch die SRH Hochschule Heidelberg sowie das Institut für Publizistik der Uni Mainz beteiligt waren. Die Umfrage zeigt, dass das Oben-Unten-Denken zu- und das Selbstvertrauen der Bürger abnimmt. "Bloß 44 Prozent der Deutschen stimmen der Aussage zu, jeder sei seines Glückes Schmied", berichtet Ackermann.

Vergleiche mit früheren Daten zeigen, dass der Wert der Freiheit nur bei der Gruppe der unter-30-Jährigen steigt, insgesamt jedoch im Sinkflug ist. Das bedeutet auch ein geändertes Bild des Staates, wie die Expertin veranschaulicht. "Selbst bei freiheits-affinen Menschen herrscht das Bild des fürsorgenden Staates vor und der Ruf nach Verboten nimmt zu, und zwar auf allen Ebenen: Beim Internet, bei der Zigarettenwerbung bis hin zum Handytelefonieren im Auto. Auffällig ist, dass die Bürger sogar in vielen Bereichen des Privatlebens Regelungen statt Selbstkontrolle wünschen."

Die Medien bilden diese Entwicklung nicht nur ab, sondern sind deren Vorreiter, wie eine quantitative Medienanalyse im Rahmen der Studie gezeigt hat. Bei einer Stichwort-Codierung von Beiträgen der größten deutschen Tageszeitungen zeigte sich, dass eine von Verboten, Regulierungen, von Zwang und Gleichheit dominierte Sichtweise eindeutig häufiger vorkommt als jene, die auf Freiheit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung beruht. "In den Medien ist die Verbots-Schiene noch viel ausgeprägter als im Bewusstsein der Bürger", resümiert Ackermann.

Dass speziell in Krisenzeiten alte Gewissheiten in Frage gestellt werden und Angst vor der Ungewissheit, vor der Zukunft und der Freiheit an sich umgeht, ist für die Expertin aus historischer Perspektive nachvollziehbar. "Das mündet in den Ruf nach einem starken Staat, der wie ein gütiger, doch strenger Vater seine Bürger beschützen soll", so Ackermann. Doch schon immer sei in Deutschland Freiheit immer mit Gemeinschaft und nationaler Einheit in Verbindung gebracht worden, während der angelsächsische Raum mehr Betonung auf die individuelle Freiheit lege.

Mit dem Freiheitsindex, der 2011 erstmals erhoben wurde und künftig jährlich aktualisiert werden soll, wollen die Heidelberger Forscher langfristig Vergleiche und Trends aufzeigen. "Der Freiheitsindex soll eine Art Wasserstandsmeldung sein, der zur öffentlichen Debatte über die Freiheit beiträgt und dieser eine Grundlage bietet", betont Ackermann. Auf dem Spiel stehe viel: Freiheitliche Traditionen haben wesentliche Errungenschaften wie die Demokratie oder die soziale Marktwirtschaft erst ermöglicht. "Verliert der Grundwert an Ansehen, so hat das Folgen."
Quelle: UD / pte
 
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