Politik

Öffentliche Beschaffung darf fair sein

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat jetzt mit einem Urteil den öko-fairen Einkauf durch den Staat gestärkt: Öffentliche Auftraggeber dürfen demnach von ihren Auftragnehmern verlangen, dass diese mit Erzeugnissen aus ökologischer Landwirtschaft oder Produkten aus Fairem Handel arbeiten. Konkrete Gütesiegel dürfen den Auftraggebern allerdings nicht abverlangt werden. Beobachter sehen in dem Urteil einen Schritt zu mehr Rechtssicherheit. Die Bundesregierung will Nachhaltigkeit künftig stärker bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigen.

06.06.2012

Foto: Jochen Goedecke, Modellprojekt Konstanz GmbH, Universität Hohenheim
Foto: Jochen Goedecke, Modellprojekt Konstanz GmbH, Universität Hohenheim
Mit dem EuGH-Urteil wurde ein seit dem Jahr 2008 laufender Rechtsstreit zwischen der Europäischen Kommission und den Niederlanden beigelegt. Damals hatte die Provinz Nord-Holland die Lieferung und Bewirtschaftung von Kaffee-Automaten für öffentliche Gebäude ausgeschrieben und darin herausgehoben, dass sie Wert auf ökologische und Fair-Trade-Erzeugnisse legt. Belegen sollten die Auftragnehmer das durch zertifizierten Kaffee und Tee mit dem niederländischen EKO-Label, das die ökologische Herstellung belegt, sowie mit dem Siegel der Schweizer Fair-Trade-Organisation Max-Havelaar.

Diese Einschränkung auf konkrete Gütesiegel war nach Ansicht der Europäischen Kommission unzulässig. Das EuGH folgte der Kommission jedoch nur teilweise. Laut Uwe-Carsten Völlink, Vergaberechtsexperte im Münchener Büro der Kanzlei Noerr LLP, darf die öffentliche Hand nach dem Urteil zwar Umweltaspekte oder Sozialstandards bei der Auftragsvergabe berücksichtigen. Sie dürfe aber nicht - wie im entschiedenen Fall geschehen - ein konkretes Gütezeichen verlangen. Vielmehr müsse sie auch andere Siegel und Produkte ohne Siegel zulassen, wenn deren Eigenschaften oder die Bedingungen, unter denen sie hergestellt oder gehandelt werden, den gestellten Anforderungen gleichwertig sind.

Volkmar Lübke, Koordinator des CorA-Netzwerks für Unternehmensverantwortung, sagt, das Urteil sei ein „weiterer Schritt zu mehr Rechtssicherheit bei der Anwendung ökologischer und sozialer Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe“. Im deutschen CorA-Netzwerk engagieren sich 51 zivilgesellschaftliche Organisationen und Verbände unter anderem für die Vergabe öffentlicher Aufträge nach sozial-ökologischen Kriterien. Nach der Modernisierung des deutschen Vergaberechts im Jahr 2009 können diese Kriterien grundsätzlich in Ausschreibungen der öffentlichen Hand aufgenommen werden. Die in dem Gesetz aufgeführte „Kann“-Regelung reicht nach Einschätzung Lübkes indes „nicht aus, um die Anwendung dieser Kriterien in der Beschaffungspraxis durchzusetzen“.

Um Einkäufer aus Bund, Ländern und Kommunen bei der Beschaffung von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen zu unterstützen, hat die Bundesregierung am 30. Januar im Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Inneren eine „Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung“ eröffnet. Vom CorA-Netzwerk wurde das grundsätzlich begrüßt. Lübke kann gegenwärtig allerdings nicht erkennen, dass der Kompetenzstelle „auch die dafür notwenigen finanziellen und personellen Ressourcen zugeteilt werden“. Die Bundesregierung stellt für die Einrichtung dieser Stelle dieses Jahr 50.000 Euro zur Verfügung. Das lässt sich einer Anfang Mai veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen entnehmen.

Die Bundesregierung hatte außerdem bereits Anfang März angekündigt, „anspruchsvolle Kriterien einer nachhaltigen Beschaffung stärker bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigen“ zu wollen. Auch will sie den Erfahrungsaustausch dazu mit den Ländern und Kommunen in der „Allianz für eine nachhaltige Beschaffung“ fortführen. In ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Bündnisgrünen schreibt sie, die Nachfrage der öffentlichen Hand könne einen wichtigen Beitrag für eine stärkere Ausrichtung der Wirtschaft an Nachhaltigkeitsaspekten leisten. Volker Lübke vom CorA-Netzwerk wünscht sich auch deswegen klare politische Vorgaben, wie es sie anderen europäischen Ländern wie Schweden oder den Niederlanden bereits gäbe.

Nachdruck eines Beitrags des Rates für Nachhaltige Entwicklung.
Quelle: UD / RNE
 
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