Mittendrin dabei, in Wort und Tat
„Jeder Mensch hat das Recht darauf, dabei zu sein.“ So definiert die Aktion Mensch den Begriff der Inklusion. Inklusion geht alle an. Wie können beispielsweise Menschen mit Leseschwäche an der Gesellschaft teilhaben? Oder Obdachlose? Für beide Gruppen engagiert sich toom Baumarkt.
31.01.2020
Die eingängige Inklusionsdefinition der Aktion Mensch ist in leichter Sprache verfasst. Leichte Sprache soll laut Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) Menschen mit Leseschwierigkeiten die Teilhabe an Gesellschaft und Politik ermöglichen. Sie folgt einfachen Regeln: Sätze möglichst kurz halten, auf Fremdwörter verzichten und schwierige Wörter erklären.
Die „Zielgruppe“ für leicht verständliche Texte ist groß, weiß die BpB: „Menschen mit Lernschwierigkeiten, Hörbehinderung, funktionalem Analphabetismus, Legasthenie, Aphasie, Autismus, Demenz, Hirnverletzungen, Personen mit Migrationshintergrund, ältere Menschen und Kinder“. Auf all diese Menschen lauern überall Fallstricke in Form schwer verständlicher Texte: Packungsbeilagen für Medikamente, Bauanleitungen für Möbel oder Bedienungsanleitungen. In Deutschland engagiert sich der Verein „Mensch zuerst“ besonders dafür, dass die „Lesehürden“ niedriger werden. Andere Länder sind schon weiter: In Schweden gibt es etwa eine „Easy to read“-Komission, die mit zahlreichen Servicestellen Behörden, Organisationen, Verbände und Unternehmen unterstützt.
Bastel-Fibel mit hilfreichen Tipps für alle
Eines der deutschen Unternehmen, das sich ganz besonders für Inklusion engagiert, ist toom Baumarkt. Alle Menschen sollen Zugang zur Do-it-yourself-Welt haben, findet der Kölner Einzelhändler. Um dies zu gewährleisten, muss es aber auch gut verständliche Anleitungen geben, wie die Materialien aus dem Heimwerker-Paradies korrekt weiterverarbeitet werden. 2016 erstellte toom deshalb in Kooperation mit der Bundesvereinigung Lebenshilfe die 32-seitige Broschüre „Selber machen leicht gemacht“. Darin erfahren Heim-Handwerker, wie sie Holzkisten selbst bauen, Wände streichen und Kräuter anpflanzen können. Nicht nur für Menschen, die auf Texte in leichter Sprache angewiesen sind, hält die Broschüre viele nützliche Tipps bereit.
Die leicht lesbare Bastler-Fibel kam gut an. Deswegen präsentierte toom zwei Jahre später eine weitere Ausgabe. In „Selber machen leicht gemacht 2“ wird Schritt für Schritt erläutert, wie Tomaten angepflanzt, Möbel lackiert und kleine Regale an die Wand montiert werden.
„Menschen mit geistiger Behinderung sollten überall dazugehören und ihre Ideen und Pläne verwirklichen können, ob im Arbeitsleben oder in der Freizeit“, meint Dr. Angelika Magiros, die bei der Bundesvereinigung Lebenshilfe für die 2014 begonnene Kooperation mit toom Baumarkt zuständig ist. Die Selbermach-Broschüren sind nur ein Teil davon.
Die Baumarktkette ist nämlich auch ein begehrter Arbeitsort für Menschen mit Behinderung. Bei toom in Schwerin gibt es beispielsweise einen Außenarbeitsplatz der Dreescher Werkstätten. Insgesamt stellt toom der Lebenshilfe 17 Außenarbeitsplätze in seinen Märkten zur Verfügung. „Außenarbeitsplätze sind eine gute Möglichkeit, dass Beschäftigte aus den Werkstätten für behinderte Menschen in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes berufspraktische Erfahrungen sammeln und im besten Falle sogar in diesen Betrieben Fuß fassen können“, lobte Staatsekretär Nikolaus Voss vom Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung Mecklenburg-Vorpommern bei einem Besuch dort.
Neustart im eigenen, kleinen Holzhaus
Ums Wieder-Fuß-Fassen geht es auch bei einem toom-Kooperationsprojekt mit dem Verein Little Home e.V. Dieser verhilft Wohnungslosen zu einem eigenen, kleinen Holzhaus. Denn wer keine Wohnung hat, hat oft auch den Job verloren und ist von vielen weiteren sozialen Aktivitäten ausgeschlossen. „Mit den Little Homes sollen Obdachlose einen Rückzugsort bekommen, an dessen Gestaltung sie selbst mitwirken dürfen und sollen“, schreibt der Verein. Die Zwischenstation Little Home soll zum Startpunkt werden, um wieder auf eigenen Beinen stehen zu können.
Eine Little-Home-Wohnbox ist 3,2 Quadratmeter groß und mit Matratze, Campingtoilette, Waschbecken, Feuerlöscher, Rauchmelder und Erste-Hilfe-Kasten ausgestattet. Für den einen Tag dauernden Aufbau werden Spanplatten, ein PVC-Fußboden, etwas Styropor, eine Tür und zwei Kippfenster benötigt. Hier kommt toom Baumarkt ins Spiel: „Beim Bau der ‚tiny houses‘ bietet sich uns als Baumarkt die Möglichkeit, unsere Materialien direkt zur Verfügung zu stellen und zugleich unsere Kunden für das Thema ‚Obdachlosigkeit‘ zu sensibilisieren“, meint Dominique Rotondi, toom-Geschäftsführer Einkauf und Logistik. Die Aufbauarbeiten finden am Baumarkt statt. Später werden die Hütten dann in Absprache mit den Städten auf Privatgrundstücke verfrachtet und den späteren Bewohnern gratis zur Verfügung gestellt.
Unternehmen und Schulen arbeiten mit
Initiiert wurde das Projekt 2016 nach einem US-amerikanischen Vorbild vom Kölner Fotografen Sven Lüdecke. Zunächst baute und finanzierte er etwa ein Little Home pro Monat selbst, bald unterstützt durch ein wachsendes Team von Freiwilligen. Aus der Privatinitiative wurde eine erfolgreiche Bewegung über die Kölner Stadtgrenzen hinaus. Es gibt die Boxen schon in elf deutschen Städten. Zahlreiche Unternehmen, aber auch Schulen unterstützen die Idee – mit Patenschaften oder im Rahmen von freiwilligen Arbeitseinsätzen. Der Großteil der Geldspenden kommt indes von Privatleuten, freut sich Little Home e. V.
Die künftigen Bewohner der Tiny Houses müssen durchaus einige Anforderungen erfüllen. Denn der Weg zurück in die gesellschaftliche „Normalität“ ist oft beschwerlich und erfordert einigen Einsatz. So sollten etwa möglichst keine alkohol- und drogenabhängigen Menschen einziehen, erklärte Sven Lüdecke auf Deutschlandfunk Nova. Der Kölner Verein lässt die Bewohner auf ihrem Weg aber nicht allein und begleitet sie etwa bei Behördengängen oder der Arbeitsplatzsuche.
Die kleinen Häuser haben in den wenigen Jahren, seit das erste in Deutschland errichtet wurde, bereits Großes bewirkt. 117 Little Homes wurden nach aktuellem Stand gebaut. 43 Menschen fanden nach ihrem Einzug Arbeit. Sogar 49 zogen wieder aus. Sie hatten eine eigene, „richtige“ Wohnung gefunden.