Die Bedeutung von Boden für nachhaltige Entwicklung
Böden sind für uns fundamental wichtig. Wir brauchen sie unter anderem für die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln, Bioenergie sowie Biomasse für die Chemie- und Textilindustrie. Damit leisten sie einen entscheidenden Beitrag im Kampf gegen Hunger, Armut und Klimawandel weltweit. Doch bleiben unsere gegenwärtigen Konsum- und Produktionsmuster unverändert, erreichen wir schon bald die Grenzen der ökologischen und damit letztlich auch sozialen Tragfähigkeit unseres Planeten.
13.05.2015
Im September diesen Jahres wird New York Schauplatz für das Einläuten der sogenannten Post 2015-Agenda. Im Rahmen eines UN-Gipfels wollen Staats- und Regierungschefs weltweit geltende Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) bis 2030 beschließen. Diese sollen die im kommenden Jahr auslaufenden Millennium Development Goals (MDGs) ablösen, jedoch mit einer besonderen Neuerung – sie gelten diesmal nicht nur für die Entwicklungsländer, sondern ebenso für die Industrienationen.
Von Armutsbekämpfung und Nahrungsmittelsicherheit über Klimaschutz und Sicherung der Ökosysteme bis hin zum Aufbau von globalen Partnerschaften – alle Länder sollen in die Pflicht genommen werden, einen Beitrag zu global nachhaltiger Entwicklung zu leisten. Eine von der UN eingesetzte offene Arbeitsgruppe hat im letzten Jahr einen Katalog mit 17 Nachhaltigkeitszielen vorgestellt, welcher Basis für die anstehenden Verhandlungen der UN-Generalversammlung sein soll.
Böden bzw. Landflächen spielen hierbei, zumindest implizit, eine herausragende Rolle. Wie das Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) und das International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) im Rahmen der 3. Global Soil Week Ende April in Berlin anhand von zwei Studien vorstellten, beziehen sich zehn der vorgeschlagenen SDGs auf die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, wobei hiervon mehrere direkt von der Nutzung zusätzlicher Landressourcen ausgehen. Dies betrifft zum Beispiel die Ziele zur Ernährungssicherheit (SDG 2), Energieversorgung (SDG 7), Produktion und Konsum (SDG 12) sowie zur nachhaltigen Nutzung der Ökosysteme (SDG 15).
Dies scheint zunächst kaum verwunderlich, übernehmen Böden doch eine Vielzahl für uns unverzichtbarer Funktionen. Sie sind Basis für 95 Prozent der globalen Nahrungsmittelproduktion und damit direkte Lebensgrundlage mehrerer Hundertmillionen Landwirte (insb. Kleinbauern im globalen Süden). Insgesamt wird rund ein Drittel der weltweiten Landfläche landwirtschaftlich genutzt, um die unterschiedlichen Nachfragen nach Biomasse zu befriedigen. Auch dienen Böden als gewaltige Kohlenstoffspeicher, binden sie doch mehr Kohlenstoff als die Atmosphäre und die gesamte Erdvegetation zusammen. Das Ökosystem Boden sichert zudem Biodiversität und spielt eine entscheidende Rolle in der Wasserregulierung.
Doch aktuelle Entwicklungen geben allen Anlass zur Sorge: 24 Prozent der weltweiten Landesflächen sind von Degradierung betroffen, wobei jedes Jahr weitere 24 Milliarden Tonnen fruchtbarer Erde aufgrund von Erosion, Bebauung, Verdichtung und Ressourcenausbeutung verloren gehen. Diesem Trend stehen ein rapides Bevölkerungswachstum, steigender Wohlstand und sich verändernde Konsummuster, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, gegenüber, welche den Druck auf die verbleibenden Landressourcen weiter erhöhen. Seit 1960 hat sich die durchschnittliche Agrarfläche pro Kopf mehr als halbiert. Und bei prognostizierten 9 Milliarden Menschen bis 2050 und gar 13 Milliarden Menschen bis zum Ende des Jahrhunderts wird sich dieser Trend zweifellos verschärfen.
Die Forscher des IASS gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Biomasse und dementsprechend Land in den nächsten Jahren signifikant ansteigen wird – und damit die Erreichung der SDGs potentiell gefährde, da diese im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Böden in Konkurrenz zueinander stünden. Insbesondere die zukünftige Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Bioenergie erfordert eine deutliche Expansion der derzeitigen Landnutzung, die momentan jedoch alles andere als nachhaltig sei. Mit anderen Worten: Der implizite Flächenbedarf ist mit den noch verfügbaren Landressourcen nicht zu decken.
Aus diesem Grund fordern die Autoren einen systemischen bzw. integrierten Ansatz (auch „Nexus-Perspektive“ genannt), um letztlich zu verhindern, dass Fortschritte bei einem SDG jene eines anderen negativ beeinflussen. Auf nationaler Ebene seien deshalb für die Nachhaltigkeitsziele klare Implementierungsstrategien vonnöten, die Boden, Wasser und andere Naturressourcen als interdependent betrachten.
In der Praxis könne man generell sowohl beim Angebot (bspw. verbessertes Landnutzungsmanagement), wie auch bei der Nachfrage (bspw. verringerter bzw. angepasster Konsum) der schnell expandierenden Flächennutzung entgegenlenken. Ferner müsse in diesem Kontext gewährleistet werden, dass die Bodenwirtschaft gewissen Nachhaltigkeitskriterien genüge, um folgenden Generationen nicht nur ausgelaugte und degradierte Böden zu hinterlassen.
Klar ist, dass business as usual in diesem Zusammenhang keine Option mehr darstellt. Wir müssen grundlegend überdenken, wie wir die uns zur Verfügung stehenden Naturressourcen nutzen, insbesondere die verbleibenden Böden. Um an dieser Stelle auch das globale Verteilungsproblem zu lösen, bedarf es einem grundlegenden Wandel hin zu nachhaltigeren Produktions- und Konsummustern vor allem in der industrialisierten Welt.
Die enormen Mengen an Abfall und schier grenzenlose Verschwendung (v.a. in der Lebensmittelindustrie) stellen hierbei nur eine mögliche Stellschraube dar, wie wir unseren ökologischen Fußabdruck senken und damit den Planeten zukunftsfähiger gestalten können. Der anstehende UN-Gipfel in New York kann große Signalwirkung haben, und es bleibt deshalb nur zu hoffen, dass das Abschlussdokument auch all das beherzigt.