Experten beraten über Strategien zur weltweiten Ernährungssicherung
Um Hunger und Fehlernährung bis 2030 zu bekämpfen, müssen alle an einem Strang ziehen: Das ist das Ergebnis eines Treffens von 200 Wissenschaftlern und Experten aus aller Welt Ende September an der Universität Hohenheim. Zwei Wochen vor dem Welternährungstag berieten sie mit dem wissenschaftlichen Beirat des UN-Welternährungsausschusses über Forschungslücken und Innovations-Strategien zur zukünftigen Sicherung der Welternährung.
29.09.2016
Fehlernährung und die starke Zunahme ernährungsbedingter Krankheiten, massive Landflucht, Klimawandel und die Verknappung natürlicher Ressourcen – das sind neue Herausforderungen denen sich die Wissenschaft stellen muss. Zudem hungern immer noch 795 Millionen Menschen weltweit aufgrund ihres mangelnden Zugangs zu Land, Produktionsmitteln und Einkommen. Über die richtigen Ansätze und Strategien zur Lösung dieser Probleme besteht jedoch nur teilweise Einigkeit.
Prof. Dr. Regina Birner vom Institut für Tropische Agrarwissenschaften an der Universität Hohenheim stellt fest: “Auch wenn man sich im Ziel einig ist, so sind die Wege dorthin innerhalb von Wissenschaft und Politik sehr umstritten.“ So bestehe zwar Konsens über die Notwendigkeit einer nachhaltigen Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion. „Aber sind dafür hoch-technologische Produktionsverfahren notwendig, oder sind möglichst naturnahe Verfahren zielführender? Darüber gibt es noch keinen Konsens.“
Themenfindung für UN-Welternährungsausschuss
Die 200 Wissenschaftler und Experten formulierten auf dem Kolloquium in Hohenheim konkrete Forschungsprioritäten, die auch als Beitrag für die globale Forschungsagenda dienen: Ernährung in Zeiten von Krieg und Konflikt, nachhaltiger Konsum, der Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Verlust von Diversität. Sie können nicht mehr allein durch nationale Forschungsprogramme bearbeitet werden, sondern brauchen viel stärker als bisher eine globale Forschungsagenda.
Der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats (HLPE) des UN-Welternährungsausschusses (CFS), Dr. Patrick Caron hat viele Jahre zum Thema geforscht. Er sieht die Ergebnisse des Kolloquiums in Hohenheim als wichtigen Beitrag für die zukünftige Arbeitsagenda des UN-Gremiums. In einem einjährigen Konsultationsprozess soll das HLPE aktuelle Schlüsselthemen für die globale Ernährungssicherung definieren. „Die Wissenschaft kann der Politik helfen, Veränderungen für nachhaltige Ernährungssysteme voranzutreiben.“
Ganzheitlicher Ansatz nötig
Alicia Kolmans, Geschäftsführerin des Forschungszentrums für Globale Ernährungssicherung und Ökosysteme an der Universität Hohenheim, führt dazu aus: „Die Sicherung der Welternährung ist eine Meta-Herausforderung, die wir mit einem Blick für das Ganze und fachübergreifend angehen müssen.“
Wie und was die Menschheit esse stehe zum Beispiel in Wechselwirkung mit Böden, Gewässer und Klima, aber auch in Zusammenhang mit Handelsbedingungen, Einkommensverteilung, Verbraucherverhalten und Ernährungskultur. Um alle Menschen mit ausreichender und gesunder Nahrung zu versorgen sei es daher notwendig, die Probleme nicht isoliert voneinander zu betrachten.
Auf dem Kolloquium wurde deutlich, dass Ansätze der Zusammenarbeit über verschiedene Disziplinen hinweg noch stärker konkretisiert und mit Leben gefüllt werden müssen. Außerdem plädierten die Experten für eine Stärkung der Förderung von anwendungs- und bedarfsorientierter Forschung. Dafür müssten Forschung und Praxis intensiv zusammenarbeiten.
Traditionelles Wissen in die Forschung einbeziehen
Von den Philippinen angereist war Esther Penunia, Leiterin der Asian Farmers‘ Association for Sustainable Rural Development. Der Verband bündelt 17 Bauernorganisationen in 13 asiatischen Ländern und vertritt ca. zwölf Millionen Kleinbauern. Penunia weiß, mit welchen Problemen diese zu kämpfen haben: „Vor allem bäuerliche Familien leiden noch immer am meisten unter Hunger“, so Penunia. Deshalb sei es wichtig, die Betroffenen in die Forschung frühzeitig und ernsthaft einzubeziehen.
Die Expertin für ländliche Entwicklung fordert von der Forschung, sich den Bedürfnissen der Produzenten anzupassen: „Wir müssen weg vom reinen Technologietransfer hin zu gemeinschaftlicher Innovation. Nachhaltige Entwicklung braucht die Wissensressourcen von allen Akteuren.“
Die Agenda 2030
Die Agenda 2030 bezeichnet die im Jahr 2015 neu definierten Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen. Dabei handelt es sich um 17 Ziele für nachhaltige soziale, ökonomische und ökologische Entwicklung, welche die Weltgemeinschaft bis 2030 erreichen will.
Die Bekämpfung von Hunger und Armut zählen ebenso zu den Zielen wie Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, gesicherte Wasserversorgung, saubere Energie oder Schutz der Artenvielfalt. Das Thema Ernährungssicherung ist eng mit vielen der Ziele verbunden. Festgelegt ist auch, wann ein Ziel als erreicht gilt.