Verfehlen Industriestaaten Nachhaltigkeitsziele?
Die meisten Industriestaaten der OECD sind noch nicht fit für das neue Nachhaltigkeitsversprechen der Weltgemeinschaft: Viele sind noch weit davon entfernt die globalen Politikziele zu erreichen, wie sie die Staats- und Regierungschefs auf dem UN-Sondergipfel in diesem Monat beschließen werden. Und bei vielen Indikatoren besteht die Gefahr diese Ziele komplett zu verfehlen. Die größten Defizite weisen die Industriestaaten dabei in ihrem wenig nachhaltigen Produktions- und Konsumverhalten auf. Außerdem verschärfen ihre Wirtschaftssysteme vielfach den Trend zur sozialen Ungleichheit.
09.09.2015
Zu diesem Ergebnis kommt eine Vergleichsuntersuchung aller 34 OECD-Staaten durch die deutsche Bertelsmann Stiftung anhand von 34 Indikatoren zu den zukünftigen 17 Nachhaltigkeitszielen (SDG), die bis 2030 gelten sollen. Dabei handelt es sich um die weltweit erste systematische Untersuchung zum gegenwärtigen Status jedes dieser Länder und im Vergleich der Länder zueinander. Die Momentaufnahme identifiziert zudem sowohl Staaten, die bei einzelnen Nachhaltigkeitszielen Vorbildcharakter haben und wo noch er erhebliche Defizite bestehen. Die Studie liefert damit die auch eine Blaupause für die Erreichung der SDGs in den nächsten 15 Jahren.
Skandinavien an der Spitze
Zu den Ländern, die die neuen UN-Ziele am ehesten erreichen, gehören danach die vier skandinavischen Staaten Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland, gefolgt von der Schweiz auf Platz fünf. Am schlechtesten bewertet werden die USA, Griechenland, Chile, Ungarn, die Türkei und Mexiko.
Aart De Geus, Vorsitzender der Bertelsmann Stiftung stellt klar: "Unsere Untersuchung ist der erste Stresstest für die Industriestaaten zu den neuen Zielvorgaben. Danach können wir uns als die reichen Länder mit unserer wachsenden sozialen Ungleichheit und Ressourcenverschwendung nicht mehr länger als die Lehrmeister der Welt darstellen. Wir können den Schwellenländern schwerlich vorgeben, wie sie sich entwickeln sollen. Stattdessen können wir in der Analyse erkennen, wo auch wir unsere Hausaufgaben machen müssen. Und zudem zeigt sie uns, wo die Industriestaaten bereits jetzt Gefahr laufen, die neuen Nachhaltigkeitsziele zu verfehlen."
Soziale Ungleichheit wächst
In der Untersuchung zeigen sich auch große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern in Bezug auf verschiedene Ziele. Insbesondere die soziale Ungleichheit hat in den Industriestaaten mittlerweile ein Rekordniveau erreicht, mit steigender Tendenz. In 23 OECD-Staaten verdienen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung inzwischen mindestens genauso viel wie die ärmsten 40 Prozent. In den USA sind es sogar das 1,7-fache und in Chile das 3,3-fache. Dass Ungleichheit keine zwangsläufige Entwicklung sein muss, beweisen Länder wie die Slowakei, Slowenien, Norwegen, Tschechien oder Dänemark. Hier ist die Konzentration der Einkommen deutlich geringer.
Große Unterschiede bei Umweltbelastung und dem Anteil Erneuerbarer Energien
Große Unterschiede zeigen sich etwa auch bei der Umweltbelastung. Staaten wie Australien, Kanada, Polen oder Mexiko belasten das Klima mit über sechs Mal so viel Kohlendioxid für jede Einheit an Wirtschaftsleistung wie Schweden oder Norwegen. Auch der Anteil der erneuerbaren Energien schwankt zwischen den Ländern erheblich. Korea, Großbritannien oder die Niederlande nutzen weniger als vier Prozent erneuerbare Energien. Dagegen kommen Island, Norwegen und Schweden bereits jetzt auf einen Anteil von über 47 Prozent und weiten diese Anteile sogar fortlaufend aus, ohne dass ihr Wirtschaftswachstum leidet.
Kofi Annan: "Wir schulden unserem Planeten Reformdebatten über Nachhaltigkeit"
Kofi Annan, der geistige Vater der Millenniumsziele, fordert im Vorwort der Studie größere Anstrengungen von den reichen Ländern der Erde: "Ich danke der Bertelsmann Stiftung dafür, dass sie die Aufmerksamkeit so detailliert auf dieses Thema gelenkt hat. Diese Studie wird hoffentlich Reformdebatten über Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit in vielen Industriestaaten entfachen. Wir schulden dies unserem Planeten und seinen Menschen."
Hier gelangen Sie zur Zusammenfassung der Studie auf Deutsch.