SDGs: Schöne neue (Unternehmens)Welt?
Im Jahr 2015 wurden die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) verabschiedet. Damit wurde vielen Regierungen, Regulierungsbehörden und Unternehmen die dringende Notwendigkeit klar, mehr für den Schutz zukünftiger Generationen zu tun. Seitdem sind einige Jahre vergangen. Wo stehen wir jetzt und wie reagieren die Unternehmen auf diese „schöne neue Welt“?
20.02.2019
Seit der Einführung der SDGs lässt sich feststellen, dass sich auch Unternehmen intensiver mit den Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf gesellschaftliche Belange beschäftigt haben. Betrachtet man die globalen Zahlen des Global Compact der Vereinten Nationen, so berichten heute insgesamt 8.996 Unternehmen über eigene Aktivitäten zur Förderung menschenwürdiger Arbeit (SDG 8). Damit ist die Achtung der Menschenrechte unter den 17 Zielen dasjenige, zu denen die meisten Unternehmen Stellung beziehen. Weniger als die Hälfte informieren dagegen über Aktivitäten, die Nachhaltigkeit in Städten und Gemeinden fördern (N=4.344, SDG 11).
Was hält die Unternehmen zurück? Sind es die fehlenden globalen oder nationalen Rahmenbedingungen? Selbstverständlich ist es die Rolle von Regierungen, Vorschriften zu erlassen, um eine nachhaltigere Gesellschaft zu fördern. Unternehmen werden jedoch zunehmend ihre Verantwortung für ein verantwortungsbewusstes Handeln eigenständig wahrnehmen müssen, weil eine kritischer werdende Abnehmerseite transparente Lieferketten und die Einhaltung von Menschenrechten fordern werden. Gleichzeitig müssen Unternehmen als ökonomisch handelnde Subjekte notwendigerweise Preis und Qualität in Übereinstimmung bringen.
Die Kernfrage ist deshalb vielmehr, wie können Unternehmer Gewinnorientierung auf der einen und gesellschaftliche Verantwortung auf der anderen Seite in eine gute Balance bringen? Vielen Unternehmen scheint der direkte Bezug von Umwelt, Sozial- und Governance-Aspekten zur wirtschaftlichen Situation ihres Unternehmens noch nicht klar genug zu sein. Das gilt insbesondere im Hinblick auf damit einhergehende Risiken, die langfristig wirkende, finanzielle Schäden verursachen können. Nachhaltig agierende Unternehmen, die CSR in ihre Unternehmenssteuerung integriert haben und diese Aspekte gezielt managen, können sich im Durchschnitt erfolgreicher entwickeln als ihre Wettbewerber.
Mazars hat zusammen mit Shift, der führenden gemeinnützigen Organisation der UN Guiding Principles on Business and Human Rights („die UNGPs“), den UNGP
Reporting Framework entwickelt. Diese Initiative wurde als Multi-Stakeholder-Projekt durchgeführt, mit über 200 verschiedenen beteiligten Organisationen, darunter Regierungen, Regulierungsbehörden, multinationale Unternehmen, zivilgesellschaftliche Akteure und Berater. Aus diesen Gesprächen ging ein einheitliches Thema hervor: verantwortungsbewusstes Handeln sowie der Respekt vor Mensch und Umwelt muss in die gesamte Organisation bzw. in das gesamte Geschäftsmodell integriert werden.
Für Unternehmen stellt sich zunächst die Frage, wie und in welchen Bereichen sie den Prozess beginnen und wie sie diesen umsetzen sollen. Im UNGP Reporting Framework ist hierzu festgelegt, dass Unternehmen im ersten Schritt die Risiken in den Fokus rücken sollen, die durch die eigene Geschäftstätigkeit schwerwiegende negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben sowie deren Kontrolle. Ist eine Organisation beispielsweise in der Fertigungsindustrie tätig, dann ist der Mangel an einem existenzsichernden Lohn ein Schlüsselrisiko, das mit SDG 1 – „Keine Armut“ nicht in Einklang steht. Ein Unternehmen im produzierenden Gewerbe hingegen sieht
sich dem Risiko von verschmutztem Wasser oder Wasserknappheit gegenüber, das mit der SDG 6 – „Sauberes Wasser und Hygiene“ – nicht übereinstimmt. Wenn sich Unternehmen mit den SDGs auseinandersetzen und diese umsetzen möchten, sollten sie tatsächliche Veränderungen erwirken und nicht nur ihr bisheriges Vorgehen neu beschreiben sowie ihr Reporting anpassen. Eine solche Praxis verfehlt die Ziele der SDGs.
Die Auswirkungen der Regulierung
Auch die staatliche Regulierung könnte künftig noch eine größere Rolle spielen. Der Gesetzgeber könnte beispielsweise Unternehmen dazu verpflichten, nicht nur die Ergebnisse nachhaltigen Handelns darzulegen, sondern auch den Weg und die einzelnen Schritte dahin. Durchschnittlich 80 Prozent des Marktwerts von Aktiengesellschaften bestehen aus immateriellen Vermögenswerten. Deshalb könnte es ein Weg sein, auch diese nichtfinanziellen Informationen analog zum Finanzbericht unabhängig und pflichtgemäß prüfen zu lassen. Was die Wirksamkeit der Regulierung anbetrifft, so lässt sich erfahrungsbasiert feststellen, dass sich immer mehr Unternehmen mit ihren Schwachstellen auseinandersetzen und von Unternehmen wie Mazars bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer CSR-Strategien unterstützen lassen.
Dazu gehören Themen wie die Identifikation von tatsächlichen und potenziellen wesentlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt; die Art und Weise, wie Risikobereiche identifiziert wurden und ob diese analysiert, bewertet und beobachtet werden. Unsere Beobachtung ist, dass sich CSR von einer reinen „ComplianceÜbung“ hin zu einer Erwartung entwickelt, mit diesem Thema auch positive Effekte in Bezug auf das eigene Rating zu erzielen (z.B. Performance-Indikatoren und -Indizes). Dies ermöglicht es Unternehmen, die Effektivität ihrer Prozesse besser zu verstehen, diese zu steuern und ihre Leistung zu verfolgen, was ihnen das Vertrauen gibt, CSR in ihre breitere Geschäftsstrategie zu integrieren.
SDGs zur Wertschöpfung nutzen
Abschließend ist zu sagen, dass es mit zunehmender Regulierung und Sensibilisierung der Verbraucher, einer Fülle von freiwilligen Hinweisen und den SDGs es nur eine Richtung auch für die Unternehmen gibt. Je früher sie beginnen, Nachhaltigkeit ernster zu nehmen und sie in die eigene Kultur sowie das Geschäftsmodell zu integrieren, desto größer sind die Chancen auf eine längerfristige Rentabilität.
Dieser Artikel ist im Original im Jahrbuch "Global Compact Deutschland 2018" zum Thema "Wirtschaft und Menschenrechte" erschienen.