Politik

Kampf gegen die Massenvergiftung in Bengalen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von der "größten Massenvergiftung in der Geschichte der Menschheit": Die hohe Belastung des Grundwassers mit Arsen bedroht Gesundheit und Leben von mehreren Millionen Menschen in West-Bengalen (Nord-Ost-Indien) und Bangladesch. Eine Gruppe von Wissenschaftlern der Universitaet Karlsruhe will der Gefahr auf den Grund gehen.

16.12.2003

Schon zweimal ist Frank Wagner, Doktorand am Institut, in das Katastrophengebiet gefahren. Er hat dort rund 70 arsenverseuchte Brunnen untersucht und festgestellt, dass sich die Lage im Verlauf eines Jahres zumindest nicht stark verschlimmert hat: "Von den beprobten Brunnen zeigen nur wenige einen deutlichen Arsenanstieg."

In Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Karlsruhe setzen Wagner und sein Team auf die Synchrotron-Technologie, die Untersuchungen im Hundertstel Millimeter-Bereich erlauben. Mit dieser Methode kommen sie der
Verteilung des Arsens in den Sedimentkoernern der grundwasserführenden
Schichten auf die Spur und koennen so Hinweise zu der Freisetzung des "tödlichen Giftes" bekommen. Ist diese Arbeit erfolgreich, kann eine
Gefahren-Prognose für die zukünftige räumliche Entwicklung der Arsenkontamination erstellt werden.

Dabei beschränken sich die Wissenschaftlicher "auf ein kleines Operationsgebiet im Malda Distrikt, um den Leuten konkret mit lokalen Ergebnissen zu helfen", erklärt Dr. Zsolt Berner, Koordinator des Karlsruher Projektes. Erste bescheidene Erfolge im Kampf gegen die schreckliche Massenvergiftung zeichnen sich bereits ab. Von den Karlsruher Wissenschaftlern wurden Betroffene zur praktischen Selbsthilfe angeleitet: Ein einfacher, aber effektiver Filter - etwa ein alter Eimer, gefüllt mit Kies und Sand - reicht schon, um grosse Mengen des im Trinkwasser gelösten Arsens zusammen mit Eisen ausflocken zu lassen.

Die Zeit drängt: Das Gift macht die Menschen todkrank. Krebs- und Hauterkrankungen nehmen deutlich zu. Vor 15 Jahren wurde das Umweltdesaster bekannt - und noch weiss niemand genau, was die
lebensbedrohliche Freisetzung des Arsens im Grundwasser auslöst. Das in
den Sedimenten der Bengalischen Delta-Ebene natuerlich vorkommende Arsen gelangt vermutlich erst durch menschliche Einflüsse in hohen
Konzentrationen ins Grundwasser, möglicherweise durch einsickernde
Abwässer, Überdüngung mit Phosphat oder intensives Pumpen. Mikroorganismen spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Eine weitere Dimension der Katastrophe hat die ehemalige DAAD-Stipendiatin Paramita Agarwala vom Department of Earth Sciences, Indian Institute of Technology Bombay, unter die Lupe genommen: In einer von Dr. Stefan Norra mitbetreuten Pilotstudie am IMG untersuchte sie verschiedene Kulturpflanzen im Katastrophengebiet auf deren Arsengehalt - etwa Weizen und Reis, die mit arsenbelastetem Grundwasser bewässert werden. Norra kann in diesem Punkt zwar vorerst Entwarnung geben: "Die gemessenen Werte in den von uns untersuchten Feldfrüchten sind für die Gesundheit des Menschen entsprechend den Richt- und Grenzwerten nicht relevant. Es scheint, dass nur sehr wenig Arsen in die Zellen der Wurzeln eindringt und das meiste davon in Eisenausfällungen aussen an der Wurzel hängen bleibt. Das kann die geringen Konzentrationen in den untersuchten Getreidekörnern erklären." Was aber passiert mit Knollenfrüchten wie Kartoffeln, Rüben und Möhren? Werden sie vielleicht auch an Vieh verfuettert? Welchen Beitrag leistet diese Arsenquelle zusätzlich zur Belastung von Haustieren durch das
Trinkwasser? Indische Wissenschaftler haben bereits "bedenkliche"
Arsenwerte in Kuhmilch festgestellt.
Quelle: idw
 
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