Politik

Brasilianische Kleinbauern im Teufelskreis der Armut

Kleinbauern in ökologisch fragilen Gebieten Brasiliens wie in der Pantanal-Region kämpfen um ihr wirtschaftliches Überleben. Die Tübinger Geografin Martina Neuburger hat in Fallstudien erforscht, mit welchen Strategien die Kleinbauern gegen den Teufelskreis aus Armut und Umweltzerstörung angehen und warum staatliche Hilfen wie Kredite oder finanzielle Zuschüsse häufig ins Leere gehen.

23.12.2003

Umweltprobleme haben meistens vielschichtige Ursachen. Allein durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse und technische Entwicklungen lassen sie sich oft nicht lösen. Bei der Analyse der wirtschaftlich-sozialen Lebensbedingungen in drei Dörfern der Pantanal-Region zeigten sich große Unterschiede in den Überlebensstrategien. Besitz- und kapitallose Kleinbauern, die in den 1970er Jahren in die Pantanal-Region kamen, besetzten Land mit schlechter Bodenqualität. Nur kurze Zeit war der Anbau von Grundnahrungsmitteln wie Reis, Bohnen und Mais möglich. Dann war der Wald gerodet, der Boden weggeschwemmt. Die Bauern säten Weidegräser aus und stellten auf Milchwirtschaft um. Sie konnten allerdings kein eigenes Milchvieh kaufen, sondern nutzten das Zeburind, das eigentlich für die Mast gezüchtet worden war.

"Der Milchertrag war sehr gering. Das Einkommen war so klein, dass die jungen Leute weiter nach Amazonien hinein oder in die Städte abwandern mussten", berichtet Neuburger. Die verbleibenden Menschen in dem abgelegenen Gebiet gerieten durch die Globalisierung in Probleme: "Der brasilianische Staat baute Handelsschranken ab, sodass ein italienischer Hersteller von Milchprodukten massiv in die Region drängte, die örtliche Milchkooperative kam unter Druck, die Milchpreise sanken weiter. Schließlich wurden die Menschen aus allen Lebensbereichen hinausgedrängt, denn auch die Gemeinden hatten Finanzprobleme beim Straßenbau. Die Dörfer wurden von den regionalen Märkten abgeschnitten“, so die Forscherin.

Die Siedler des zweiten, von Martina Neuburger untersuchten Dorfes kamen aus Kaffeebauregionen. Mit ihrem wenigen Kapital bauten sie auch in der Pantanal-Region Kaffee an. "Bereits Ende der 1980er Jahre waren sie am Ende, das Mikroklima war für Kaffee nicht geeignet. Außerdem hat der brasilianische Staat die Kaffeepreise nicht länger aufrecht erhalten", berichtet die Geografin. Doch nicht alle Bauern begannen nun mit Milchwirtschaft. "Einige der Bauern hatten noch Kontakte in die alten Kaffeeregionen um Sao Paulo und konnten beobachten, dass dort die Großbetriebe zunehmend auf Ananas, Papaya, Zitronen und Orangen setzen. Die Bauern haben sich dann zu kleinen Handelsgesellschaften zusammengeschlossen und den Obstanbau modernisiert, um den Supermärkten immer gleiche Mengen in gleicher Qualität bieten zu können. Im nächsten Schritt hat die Handelsgesellschaft Maschinen angeschafft, um das Obst zu Konzentrat zu verarbeiten und dieses selbst zu vermarkten. "Damit haben die Kleinbauern den Großhändlern einen gewissen Raum abgetrotzt", fasst Neuburger zusammen.

Im dritten Dorf erging es den Kleinbauern zunächst ähnlich wie in den anderen Dörfern. Die ursprünglichen Kaffeebauern lebten nun von dem geringeren Einkommen der Milchwirtschaft. "Hinzu kam hier eine deutliche Verschlechterung der Infrastruktur bei Gesundheit und Bildung, zum Beispiel reichte die Krankenversorgung nicht mehr für alle. Diese Entwicklungen hatten vor allem für die Frauen Konsequenzen, da sie sich um Kinder und Alte kümmern", sagt Martina Neuburger. Durch Abwanderung verschlechterten sich Nachbarschaftshilfe und soziale Netze. Die Frauen ergriffen dann selbst die Initiative und gründeten mit Hilfe von Sozialarbeiterinnen, die in Brasilien eine soziallandwirtschaftliche Beratung bieten, eine eigene Vereinigung. "Das war ein Novum und hat für Furore gesorgt", erzählt die Forscherin. Insgesamt war das aber ein labiler Erfolg. Das zeigte sich, als ein neuer Bürgermeister antrat, der die Aktionen nicht mehr so stark unterstützte.

Welches Entwicklungskonzept könnte den Menschen in der Pantanal-Region nun helfen? "Bis in die 1980er Jahre ging man in der Entwicklungs-zusammenarbeit davon aus, dass die Menschen auf dem Land nicht wissen, wie man produziert und dass man sie schulen müsste", erklärt Neuburger. Doch häufig sei die Vermarktung der Produkte das eigentliche Problem. Die Forscherin hat außerdem festgestellt, dass die Kleinbauern aus ihrem eigenen Lebenszusammenhang heraus durchaus logisch vorgehen. "Anfang bis Mitte der 1990er Jahre bekamen die Kleinbauern billige Kredite oder sogar Zuschüsse vom Staat angeboten. Die Agrarbehörden stellten fest, dass die Bauern dieses Geld nicht wollten", erzählt die Geografin. Denn die Bauern hätten beobachtet, wie andere trotz der Kredite gepfändet wurden, weil sie zu viel riskiert hatten. Wieder andere Bauern haben die Kredite im Sinne der Behörden nicht vernünftig verwendet. "Ein einziges nationales Programm zur Entwicklung für alle erscheint nicht sinnvoll", zieht Martina Neuburger Bilanz.
Quelle: UD
 
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