Politik

60 Jahre Charta der Menschenrechte

60 Jahre nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist das Jubiläum durchaus ein Grund zum Feiern. „Die in der Erklärung aufgeschriebenen Rechte sind heute in einer Vielzahl von völkerrechtlichen Konventionen ausdifferenziert und für die Staaten verbindlich“, sagte Barbara Lochbihler, Generalsekretärin von Amnesty International in Berlin.

10.12.2008

„Die Erklärung hat dazu beigetragen, die Folter zu ächten, die Todesstrafe in immer mehr Ländern abzuschaffen, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu fördern, Kinderrechte zu schützen, und Verantwortliche für schwere Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen, etwa mithilfe des seit 2003 tätigen Internationalen Strafgerichtshofs.“

Lochbihler wies darauf hin, dass Menschenrechte universell gälten und unteilbar seien. „Keine Kultur oder Religion kann sie einschränken. Wirtschaftliche und soziale Rechte wie das Recht auf Bildung oder Gesundheit und politische und bürgerliche Rechte wie die Meinungsfreiheit oder die körperliche Unversehrtheit gehören zusammen und bedingen einander.“

Aber leider seien die meisten Versprechen der UN-Menschenrechtserklärung bis heute nicht eingelöst. „Wir schauen heute nach Darfur, in den Kongo oder nach Sri Lanka und sehen Hunderttausende, die Opfer werden von Krieg und Vergewaltigung oder davor fliehen“, sagte Lochbihler. „Hinzu kommen die vielen, die im Dunkel leben, deren Menschenrechte durch Elend und Ausbeutung verletzt werden. Auch in Deutschland - wer ohne Papiere unter uns leben muss, kann vielfach nicht zum Arzt gehen und seine Kinder nicht zur Schule schicken. Das verletzt die Kernidee der Erklärung: Dass jeder Mensch, egal wo und unter welchen rechtlichen Umständen er oder sie lebt, unveräußerliche Rechte hat.“

2007 wurde in mindestens 81 Ländern gefoltert, in mindestens 23 Ländern wurden Frauen, in mindestens 15 Ländern Einwanderer und in mindestens 14 Ländern Minderheiten per Gesetz diskriminiert. Zensur und Menschenhandel sind immer noch weit verbreitet. „War die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts der Kodifizierung und Institutionalisierung der Menschenrechte gewidmet, so müssen wir in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts dafür sorgen, dass Menschenrechte endlich umgesetzt werden“, sagte sie. „Die politischen Spielräume und Möglichkeiten sind da. Regierende ducken sich nur zu gerne hinter dem Schutzschild der „Realpolitik“, um keine Verantwortung übernehmen zu müssen. Es ist der konsequente politische Wille, der hier fehlt. Menschenrechte sind der beste Maßstab für gute Regierungsführung.“

In Ländern mit autoritären Regierungsformen geraten Menschenrechte nach wie vor besonders stark unter Druck. In China hat sich etwa trotz der Olympischen Spiele die Lage nicht verbessert. China richtet weiterhin die meisten Menschen hin. Folter und Misshandlung sind weit verbreitet und werden nicht ernsthaft bekämpft. Die Rechte von Minderheiten wie Uiguren und Tibetern werden verletzt. Menschen können per „Verwaltungshaft“ noch immer bis zu vier Jahre ohne Gerichtsbeschluss in Arbeitslager gesteckt werden.

Vor 60 Jahren wurden Afro-Amerikaner in den USA noch vielfach diskriminiert. Heute ist ein schwarzer US-Amerikaner gewählter Präsident des Landes. Amnesty erwartet, dass die USA unter dem Präsidenten Barack Obama auch in ihrer Außenpolitik zu den allgemein gültigen Menschenrechtsstandards zurückkehren werden. „Wir fordern von der neuen US-Regierung, binnen 100 Tagen nach Amtsantritt das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen, jegliche Form von Verschleppungsflügen, geheimer Inhaftierung und Haft ohne Kontakt zur Außenwelt zu beenden sowie alle Maßnahmen zu ergreifen, die Folter durch US-Beamte, insbesondere durch die CIA, effektiv und dauerhaft stoppen“, sagte Lochbihler.

Deutschland hat sich nach den Worten Lochbihlers nach wie vor nicht ausreichend zu seiner Mitverantwortung für Folterflüge der CIA bekannt und keine vorbeugenden Maßnahmen ergriffen. „Besonders besorgt uns zur Zeit die wachsende Zahl von ‚diplomatischen Zusicherungen’, um Terrorismusverdächtige auch in Folterländer abschieben zu können“, sagte Lochbihler. „Diese Praxis muss sofort abgeschafft werden.“ Ebenso fordert Amnesty International die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass die EU-Grenzschutzbehörde FRONTEX die Menschenrechte auch in internationalen Gewässern anwendet und nicht etwa dort aufgegriffene Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückschiebt, wenn ihnen dort Verfolgung und Folter droht. „Die EU reagiert auf Flucht und Migration mit Abwehr. Wir brauchen aber politische Lösungen, die in den Menschenrechten gründen“, sagte Lochbihler.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte war eine Initiative von Regierungen. Die seien, so Lochbihler, nach wie vor in der Pflicht. „Aber mehr denn je ist heute der Einzelne aufgefordert, die Menschenrechte umzusetzen“, sagte Lochbihler. Eine infratest-Umfrage von diesem Jahr hat gezeigt, dass zwar eine Mehrheit der Deutschen sich vorstellen kann, sich für die Menschenrechte zu engagieren, aber 42 Prozent nicht ein einziges Menschenrecht benennen können. Deswegen arbeitet Amnesty in diesem Jubliäumsjahr besonders intensiv daran, Menschenrechte in Bildungseinrichtungen und Curricula zu bringen und mit betroffenen Verbänden zusammenzuarbeiten.
Quelle: UD
 
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