GTZ und KfW: „Brennpunkt Kongo“
Sie sind von ihren Erlebnissen stigmatisiert, ihre Familien sind zerstört, sie haben keinen Schulabschluss und keine Papiere. In einer eindrucksvollen Schilderung berichtet Achim Koch, Teamleiter des GTZ-Projekts zur Reintegration von Kindersoldaten im Kongo, von seinen Erlebnissen. Unter dem Titel „Brennpunkt Kongo“ stellten er und Carla Berke von der KfW-Entwicklungsbank, auf Einladung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), in Potsdam ihre Hilfsprojekte vor.
22.05.2009
„Die Kindersoldaten, die aus den Kämpfen nach Hause kommen, stehen vor dem Nichts. Sie haben Menschen umgebracht. Wenn sie keine Kalaschnikow hatten, dann mit ihrer Machete“, erzählt Achim Koch. Bereits nach wenigen Worten ist das Publikum von seinem Bericht gefesselt. Achim Koch spricht von den Jugendlichen, die während der Bürgerkriege von 1997 bis 2003 in der Demokratischen Republik Kongo, besonders in der Provinz Maniema, von den Konfliktparteien als Soldaten eingesetzt wurden. Weil sie nach Ende der Kämpfe meist ohne ihre Papiere nach Hause geschickt wurden, fanden sie keinen Zugang zu nationalen Demobilisierungsprogrammen. Jetzt bilden sie die Zielgruppe des GTZ-Projekts. Achim Koch selbst lebt im ebenfalls in Maniema, in nächster Nähe zu den ehemaligen Kindersoldaten. Eigens, um den Journalisten die Inhalte des vom BMZ finanzierten Programms vorzustellen, reiste er aus dem Kongo nach Potsdam. Die Investition hat sich gelohnt, kaum jemand könnte die Situation vor Ort besser schildern als er: „Die Kinder sind nicht aggressiv, die sind froh, wenn sie Hilfe bekommen.“
Hilfe bedeutet in diesem Fall zuhören, Bildungsmöglichkeiten schaffen, ihnen Aufgaben und Verantwortung geben, damit sie so das Wichtigste für ihre Zukunft zurückgewinnen: Ihr Selbstwertgefühl. Praktisch bedeutet das: Die Kinder holen im Rahmen des GTZ-Projekts ihren Schulabschluss nach und bekommen die Chance, einen Beruf zu erlernen. Ihre so erlernten Fähigkeiten als Tischler, Mauerer, Fischer, Schneider oder Schiffbauer können sie direkt einsetzen: Zum Beispiel im Wiederaufbau von Schulen, Frauenhäusern oder Gesundheitszentren. Die Schiffe, die sie bauen, dienen der Lebensmittelversorgung über den Kongo-Fluss. Die ist weitaus günstiger als die Nahrungsmittelversorgung mittels alter Transportflugzeuge, auf die sie bisher angewiesen waren. Vor allem die ärmsten Einwohner der Provinz profitieren davon.
Positive Bilanzen und begrenzte Möglichkeiten
Die Zwischenbilanz nach vier Jahren Projektdauer beweist, dass Maßnahmen wie diese Erfolg haben: 70% der Jugendlichen arbeiten immer noch in den erlernten Berufen, 1.800 Kinder holen inzwischen ihre Grundschulausbildung nach. Dass Zahlen wichtig sind, um die Wirksamkeit der Projekte zu messen, ist Achim Koch klar, „nicht messbar ist jedoch die Steigerung der Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen dadurch, dass sie wieder eine Aufgabe haben“, ergänzt der GTZ-Mitarbeiter. Insgesamt bewertet er die Ergebnisse nach vier Jahren als gut. Gleichzeitig macht er aber auch deutlich, dass er und sein Team immer wieder an die Grenzen der Möglichkeiten zur Hilfe stoßen. Einem Mädchen, das auf Grund einer Schussverletzung an ständigen Kopfschmerzen litt, konnten sie zum Beispiel nicht helfen. Koch berichtet: „Sie hat eine Kugel im Kopf, wir haben Röntgenbildern gemacht und diese nach Deutschland geschickt um zu erfahren, ob eine Operation möglich ist.“ Die Rückmeldung der deutschen Ärzte war jedoch negativ.
Erlebtes verarbeiten
Mädchen wie diesen zu helfen, ist neben der Reintegration der Kindersoldaten ebenfalls Teil des Projekts, das sich im Ganzen an „benachteiligte Jugendliche“ in Maniema richtet. Viele Mädchen sind darunter, da sie es oft waren, die als Erste auf Minenfelder geschickt wurden. Die Folgen sind Verletzungen wie fehlende Gliedmaßen, aber auch psychische Probleme - die machen ihnen ebenso zu schaffen wie den Kindersoldaten. „Es war wichtig, dass wir in diesem Projekt alle Jugendlichen integrieren“, erklärt Koch. „Würden wir uns nur um die Kindersoldaten kümmern, hätte ihnen das einen besonderen Status verliehen.“ Zur Bewältigung ihrer Erlebnisse bietet das Projekt psychosoziale Betreuung, in der sie mit örtlichen Heilern zusammen arbeiten. Die Aufgabe des GTZ-Teams besteht dabei vor allem aus aktivem Zuhören. Koch weiß aus Erfahrung, dass die Kinder Zeit brauchen: „Gesprächspausen von einer halben Stunde sind normal“.
Noch zwei Jahre wird Achim Koch in Maniema bleiben. Dann endet das Projekt. Was er zurücklasse, wenn er den Kongo verlässt, will eine Journalistin aus dem Publikum wissen. Mit seiner Antwort zögert Koch keine Sekunde und weiß Einiges zu nennen: Zum Beispiel die zahlreichen Kongolesen, die sie zu Lehrern ausgebildet haben. Oder die neuen Betriebe inklusive Ausstattung, die durch Mikrofinanzierungen gegründet werden konnten und den Menschen eine Möglichkeit bieten, Geld zu verdienen. Mit Überzeugung stellt er klar: „Auf jeden Fall hinterlassen wir eine große Gruppe von Jugendlichen, die resistent sind gegen Kalaschnikows und die nicht wieder in den Krieg gehen.“
Der Friedensfonds
Zehn Jahr Krieg und 32 Jahre unter dem Regime des Diktators Mobutu sind es, die jegliche Strukturen im Kongo zerstörten. „Wir wollen rasch und sichtbar zum Wiederaufbau und zur Stabilisierung des Landes beitragen“, berichtet jetzt Carla Berke von der KfW-Entwicklungsbank. Sie ist nun an der Reihe, die Inhalte des KfW-Friedensfonds für den Kongo zu präsentieren: 50 Millionen werden bereit gestellt und im Osten des Landes, aber auch in der Metropole Kinshasa eingesetzt. Dort fließen sie zum Beispiel in Projekte zum Schutz der Ressourcen, aber auch in Bildungseinrichtungen und Gesundheitszentren. Größter Kostenfaktor ist jedoch der Ausbau des Straßennetzes, das in dem 2,3 Millionen km² großen Land nach dem Krieg auf 1.000 km asphaltierte Straßen schrumpfte. Die Wiederinstandsetzung wichtiger Verbindungswege bewirkt zum einen die Ankurblung des Handels und schafft Arbeitsplätze. Diese, in Verbindung mit einem eigenen Einkommen sowie die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen, sind für den Fortschritt des Friedensprozess im Kongo eine wichtige Basis. So sollen sich die Lebensbedingungen der Bewohner verbessern und ihre Armut verringert werden. Denn wo viel Armut herrscht, existieren viele Konfliktherde - Ziel ist es diese zu beseitigen, um die Stabilität des Landes zu steigern und so die Weiterentwicklung des Friedensprozess zu ermöglichen.
Carla Berke besucht den Kongo vier Mal im Jahr, die übrige Zeit arbeitet sie von Deutschland aus. Um sicherzugehen, dass die Fondsgelder an den richtigen Stellen eingesetzt werden, arbeitet die KfW-Entwicklungsbank mit kongolesischen Fondsverwaltern, die vor Ort leben. Gemeinsam entscheiden sie, welche Projektvorschläge finanzielle Unterstützung aus dem Fonds erhalten. Eingereicht und durchgeführt werden die Projekte von kongolesischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen.
Trotz dieser und vieler anderer Hilfsprojekte steht der Wiederaufbau des Landes noch ganz am Anfang: „Der Kongo ist weit davon entfernt ein stabiles Land zu sein“, verdeutlicht Carla Berke die momentane Situation. Der Friedensfonds der KfW-Entwicklungsbank kann hier nur einen kleinen Fortschritt bewirken: „50 Millionen machen den Kongo nicht glücklich, aber wir wollen damit ein Zeichen setzen, das etwas passiert“, so die Abteilungsdirektorin über die erhoffte Wirkung des Fonds. Wie das Projekt der GTZ zur Reintegration benachteiligter Jugendlicher endet auch das Programm des Friedenfonds im Jahr 2011.