UNICEF: Eine Million Kinder im Gefängnis
Eine Mio. Kinder sitzen weltweit in Gefängnissen. Mehr als die Hälfte davon hatte zuvor kein Gerichtsverfahren und viele haben gar kein Verbrechen begangen. Das zeigt der Bericht 'Progress for Children' der Kinderhilfsorganisation der Vereinten Nationen UNICEF. In dieser ersten weltweiten Bestandsaufnahme zu Verletzungen der Kinderrechte wird deutlich, in welchem Ausmaß die Menschenrechte von Kindern eingeschränkt werden. Viele leiden unter körperlicher und psychologischer Gewalt, deren Folgen oft weitreichend oder nicht mehr gut zu machen sind. "Kinder sind besonders gefährdet, da sie leicht auszubeuten sind und vielerorts noch immer als billige Arbeitskräfte eingesetzt werden", berichtet Sylvia Trsek, Pressesprecherin von UNICEF-Österreich.
08.10.2009
Der Bericht gibt einen guten Einblick, in welcher Bandbreite Kinderrechte weltweit in extremer Form verletzt werden. 150 Mio. Kinder unter 15 Jahren konnten 2007 die Schule nicht besuchen, da sie arbeiten gehen müssen. 51 Mio. Kinder, darunter besonders Kinder in Ländern des südlichen Afrikas wie Somalia und Liberia, werden jährlich bei der Geburt nicht registriert, was die Chancen auf einen späteren Schulplatz senkt und schutzlos gegenüber krimineller Ausbeutung macht. Über 18 Mio. Kinder wachsen in Familien auf, die durch Kriege oder Katastrophen vertrieben wurden. Bestimmte Probleme betreffen besonders Mädchen. In mindestens 29 Ländern wird die weibliche Genitalverstümmelung noch immer praktiziert und jedes dritte Mädchen in Entwicklungsländern wird als Kind verheiratet.
Allerdings gibt es im Kampf gegen die weibliche Beschneidung leichte Fortschritte. "Dazu haben massive Aufklärungsprogramme und vor allem Aktivitäten von Frauengruppen vor Ort geführt", so Trsek. Günstig sei auch der zunehmende internationale und zwischenstaatliche Druck an die Regierungen. Die Ausbeutung von Kindern erfolge jedoch meist unsichtbar. "Viele sind im privaten Bereich Dienstboten oder Hausangestellte oder arbeiten in der Landwirtschaft." Änderungen seien hier bloß bei steigendem Druck der Konzerne der Industriestaaten zu erreichen, der wiederum allein durch stärkeres Bewusstsein der Konsumenten der Industrieländer zustande komme. "Die wahrscheinlich beste Möglichkeit für den Einzelnen, sich für die Durchsetzung der Kinderrechte einzusetzen, ist sich beim Einkauf an fair gehandelten Produkten zu orientieren", so die UNICEF-Sprecherin.
Die Zahlen des Berichts beruhen allerdings bloß auf Schätzungen. "Es gibt nicht einmal in Europa verlässliche Zahlen, was die Gewalt gegen Kinder oder den sexuellen Missbrauch betrifft." Auch die Genitalverstümmelung bewege sich in einem großen Graubereich, da manche Betroffene für diesen Eingriff sogar zurück in ihr Heimatland fahren und Gynäkologen und Kinderärzte kaum Auskunft geben. In Europa werden Kinderrechte vor allem verletzt, wenn minderjährige Asylwerber in Schubhaft gemeinsam mit Erwachsenen kommen, wie auch die gängige Praxis der Altersfeststellung, die etwa per Handwurzel-Messung erfolgt, sehr fragwürdig sei. Einmal mehr pocht die Kinderrechts-Expertin auf die ausstehende Übernahme der Kinderrechte in die Verfassung vieler Staaten. "Der Schutz von Kindern würde sich erhöhen, weil ihre Rechte somit einklagbar werden. Sie würden somit Recht auf Mitsprache etwa bei Scheidungen der Eltern oder das Recht auf gewaltfreie Erziehung bekommen."