Politik

Handy definiert Status in Ostafrika

Das Mobiltelefon ist in Ostafrika längst zum populären Instrument der Alltagskommunikation geworden. Das berichtet die Afrikaforscherin Julia Pfaff vom Lehrstuhl für Bevölkerungs- und Sozialgeographie der Universität Bayreuth. In einer längeren Feldforschung beobachtete sie die Bedeutung des Mobiltelefons bei den Swahili, worunter man die Bevölkerung der ostafrikanischen Küste mit arabischen Vorfahren und Kiswahili als Muttersprache versteht.

13.11.2009

Foto: Elmer Lenzen
Foto: Elmer Lenzen
„In westlichen Ländern befürchtet man immer wieder, dass aufgrund des Handys persönliche face-to-face-Gespräche und Besuche abnehmen und das soziale Miteinander negativ beeinträchtigt wird. Die Realität zeigt etwa am Beispiel Ostafrika ein weniger radikales Bild", so Pfaff im pressetext-Interview. Handys haben bei den Swahili hohe symbolische Bedeutung und sind schon bei Jugendlichen ein sehr begehrtes Objekt, das oft auch den Status definiert. Besonders in Städten ist die Handydichte sehr hoch, im Umlauf sind Imitate und Billigimporte aus Asien ebenso wie 600 Euro-Modelle. "Man wundert sich oft, wie die Menschen das Geld zusammenbringen, um sich so ein Gerät zu kaufen."

Täglich eine neue Wertkarte

Während Handykunden in Europa meistens Verträge besitzen und vom Betreiber alle zwei Jahre ein neues Gerät erhalten, vertraut man in Afrika lieber auf Prepaid-Karten. "Handys werden benutzt, bis sie nicht mehr reparierbar sind. Innerhalb ihrer Lebensdauer werden sie jedoch in der Regel viele Male weiterverkauft." Ein ganzes Gewerbe von Einzelpersonen sei entstanden, die defekte Handys reparieren, kaufen und weiterverkaufen oder dem Kundenwunsch entsprechend in der Ausstattung wie etwa den Klingeltönen anpassen.

Als Ding der Unmöglichkeit bezeichnet es Pfaff, in Ostafrika ein aufgeladenes Guthaben länger zu behalten. "Wenn in der Familie jemand eine Wertkarte kauft, will sie der kleine Bruder gleich verbrauchen und man kann es ihm kaum abschlagen. Um daraus entstehenden Konflikten zu entgehen, lädt man meist erst direkt vor dem Anruf auf.“ Das Auflade-Guthaben beschränkt sich daher oft auf minimale Beträge. "Durchschnittlich beträgt der Aufladewert bloß einen US-Dollar, was Menschen der Mittelklasse an einem Tag verbrauchen." Da SMS-Nachrichten günstiger sind, werden diese häufiger genutzt, ebenso billigere Nachttarife.

Anläuten heißt: "Ich denke an dich"

Eine Revolution der Gesellschaft hat die Einführung des Handys nicht bewirkt. "Die Technologie gliedert sich ein in Strukturen, die es schon früher gab", so Pfaff. Die Bandbreite der Benutzung sei in mancher Hinsicht in ostafrikanischen Staaten größer als in Europa. "Häufig genutzt werden sogenannte ‚missed calls’ bei denen der Anrufer nur einmal anläutet und dann auflegt. Das signalisiert, dass man an den anderen denkt oder zurückgerufen werden will." Beliebt bei Frauen ist es zum Beispiel bei Männern anzuklingeln, umgekehrt sei es kaum denkbar. "Wichtig ist es, die sozialen Umgangsformen und Normen zu kennen, damit man sich keinen faux pas erlaubt."

Ganz unverändert blieben soziale Beziehungen jedoch doch nicht, berichtet Pfaff. "Den muslimischen Jugendlichen ist es nun eher möglich, nachts heimlich mit Freunden zu telefonieren. Damit schwindet die Kontrolle der Eltern." Während Jungen je nach ihrem sozialen Hintergrund kurz vor dem Erwachsenwerden das erste Handy besitzen, versuche man in einigen Familien diesen Zeitpunkt bei Mädchen länger hinauszuzögern. Zudem sei es Menschen, die in entlegenen Regionen leben, nun viel eher möglich, Kontakte mit Verwandten aufrecht zu erhalten. "Die Netzabdeckung ist mittlerweile auch auf dem Land schon sehr gut", so die Bayreuther Afrikaforscherin.

Quelle: UD / pte
 
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