Politik

Kindersoldaten: Vergangenheit erschwert Leben

Der lange Bürgerkrieg hat Uganda ein schweres Erbe hinterlassen: Viele Kinder und Jugendliche, die früher als Kindersoldaten der Rebellen dienten, kämpfen weiterhin mit Post-traumatischen Belastungsstörungen (PTSD) und Depressionen. Psychologen der Universität Bielefeld berichten in der Fachzeitschrift "JAMA" von einem therapeutischen Konzept, das den Kindern die Rückkehr ins normale Leben erleichtern soll. Im Interview schildert die Studienleiterin Verena Ertl die Situation.

11.08.2011

Foto: UN Photo/Marie Frechon
Foto: UN Photo/Marie Frechon
"Das Schicksal als Kindersoldat beginnt in Uganda meist mit einem Überfall", berichtet Ertl. Rebellen plündern Dörfer nach Vorräten, Kleidung und Menschen. Erwachsene dienen als Lastenträger, die man später wieder freilässt, während Kinder zwischen acht und zwölf Jahren ideal für den Einsatz als Soldaten sind. "Kinder haben Angst vor dem Weglaufen, kennen den Weg nach Hause nicht und sind noch leicht zu Kämpfern umzupolen", so die Expertin.

Töte oder du wirst getötet

Diese "Erziehungsarbeit" verläuft über mehrere Schritte. Zunächst zusammengebunden und streng bewacht, wandern die Kinder später mit den Rebellen und erledigen niedrige Aufgaben. Die Initiation in die Rebellenarmee geschieht oft ein Einführungsritual, das oft im Überleben heftiger Prügel, teils auch in der gemeinschaftlichen oder alleinigen Tötung von Ausreißern oder sogar von Familienmitgliedern besteht. Entführte Mädchen erleben genauso viel Gewalt, erledigen jedoch vorrangig Haushaltsaufgaben und werden ab etwa zwölf Jahren mit männlichen Rebellen verheiratet, was teils Vergewaltigungen über Jahre mit sich bringt.

"Der traumatischste Moment ist für Kindersoldaten meist, wenn sie zum ersten Mal zum Töten gezwungen werden - meist mit der Drohung, dass sie sonst selbst sterben müssen", so Ertl. Massive Alpträume, Wiedererleben, Vermeidungsverhalten, dissoziative Zustände oder "Flashbacks" begleiten die Kinder infolge lange, wenngleich diese Erscheinungen häufig erst bei der Rückkehr ins normale Leben beginnen. "Zuvor im Busch ist der Kopf meist nur auf Überlebens-Modus eingestellt."

Rückkehr gelingt Kindersoldaten in der Regel, wenn sie durch die ugandische Armee befreit und in die nächste Stadt mitgenommen werden. Hier versorgt man sie in Aufnahmezentren mit Medizin und Kleidung, sucht nach Angehörigen und schickt sie dorthin. Diese Reintegration verläuft erstaunlich gut - wohl deshalb, da fast jede Familie Ugandas von Entführung betroffen und die Bereitschaft zu Wiederaufnahme und Versöhnung groß ist.

Viele Probleme kommen jedoch erst danach. Bei 30 Prozent der früheren kleinen Kämpfer bleiben schwere psychische Schäden zurück. "Die Konzentration in der Schule gelingt nicht, das schnelle Herzklopfen beim Fußball versetzt zurück in den Krieg und jedes Geräusch bei der Feldarbeit löst Flucht aus. Ein funktionelles Überleben ist so unmöglich", verdeutlicht die Bielefelder Psychologin. Das auffällige Verhalten schürt Ängste anderer, die Kinder seien von Geistern besessen oder hätten eine "Busch-Seele". Ärztliche oder gar psychotherapeutische Hilfe ist in Uganda jedoch rar, da Fachkräfte fehlen.

Erlebtes akzeptieren

Zielführend und durchführbar ist dennoch eine kurze, Trauma-fokussierte Behandlung, die sogenannte "narrative Expositionstherapie". Wie Ertl in den Jahren 2007 bis 2009 bei 85 schwer traumatisierten, ehemaligen Kindersoldaten zwischen zwölf und 25 Jahren zeigte, senken acht von lokalen Laien-Therapeuten durchgeführte Sitzungen die Trauma- und Depressions-Symptome sowie andere Beeinträchtigungen langfristig.

Die Methode wird gut angenommen, da sie die afrikanischen Erzähltradition aufgreift, erklärt die Forscherin. "Am Anfang steht die Aufforderung 'Erzähl mir dein Leben und was dir passiert ist!' Das veranschaulicht man zu Beginn der Therapie etwa durch eine Lebenslinie mit Steinen und Blumen als Symbole für schlimme und schöne Erfahrungen." Traumatische Situationen werden nochmals erlebt und die Angst in allen Sinnen im sicheren Umfeld des Therapiegesprächs aktiviert. "Ziel ist, diese Erfahrungen in die Biographie einzubauen und sich durch die Wiederholung an sie zu gewöhnen", so Ertl.

Schicksal einer Viertelmillion

Der Bürgerkrieg in Norduganda dauerte von 1986 bis 2008 und hat die gesamte Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen. Zwei Mio. Menschen wurden in Camps umgesiedelt, um sie vor Angriffen der "Lord's Resistence Army" zu schützen. Seit Ende der Kämpfe gibt es offiziell in Uganda keine Kindersoldaten mehr. Die Rebellen haben sich nach Nordkongo und in die Zentralafrikanische Republik zurückgezogen und entführen dort weiterhin Kinder. Weltweit kämpfen rund 250.000 Minderjährige in 14 Ländern als Soldaten in Kriegen.
Quelle: UD / pte
 
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