Alcantara: Rosige Zukunft dank grüner Strategie
Manche halten das Material irrtümlich für Kunstleder. Tatsächlich ist es ein Mikrofaserflies, der in Qualität und Haptik diesem nahekommt. Allerdings müssen dafür keine Tiere sterben und auch so setzt man bei der Produktion verstärkt auf Nachhaltigkeit. „Alcantara“ heißt dieses Material, der seit Jahrzehnten exklusiv von Italienern patentiert und in der umbrischen Kleinstadt Terni produziert wird. UmweltDialog sprach mit Andrea Boragno, Präsident und Geschäftsführer von Alcantara S.p.A., über deren starkes Nachhaltigkeitsengagement.
14.12.2016
Alcantara ist ein hochleistungsfähiges, aber auch hochpreisiges Material, das wir im Alltag nur bei Premiumprodukten antreffen: Autos der Oberklasse, Yachten, Designermode. Nüchtern betrachtet handelt es sich um ein eingetragenes Warenzeichen, das einen auf Polyester und Polyurethan basierendes Mikrofaservlies-Material herstellt. Die Idee dazu hatte 1970 der Japaner Miyoshi Okamoto, der damals einen Stoff entwickeln wollte, der die Eigenschaften des stets knappen Leders ersetzen konnte. Da die Grundzutat auf chemischen Produkten der Petroindustrie beruhte, interessierte sich der italienische Ölkonzern ENI für die Idee und so wurde Alcantara ein ur-italienisches Produkt mit den typischen Attributen wie Luxus, Design und Ästhetik. Seit 2009 kann man getrost ein weiteres Attribut hinzuzählen: Nachhaltigkeit.
Der Schwenk in Richtung planetare Verantwortung kam in einer kritischen Phase des Unternehmens. „Diese Entscheidung fiel nach der Finanzkrise. Unsere ganze Branche lag danieder. Jeder wusste: Das war kein normaler zyklischer Abschwung. Wir suchten damals daher nach einer strukturellen Neuausrichtung von Alcantara“, erinnert sich Andrea Boragno, Präsident und Geschäftsführer von Alcantara, im Gespräch. „Damals entschieden wir uns, dass die Neuausrichtung eine nachhaltige sein sollte. Vor allem der Klimawandel ist unsere größte Herausforderungen und wir als Unternehmen stellen uns dem, indem wir CO2-neutral produzieren wollen und werden.“
Und wie reagierten die Kunden? „Anfangs neugierig, einige fanden es kurios. Vor allem die Autobauer waren aber sehr interessiert, allen voran die deutschen Marken. Heute ist das Thema in unseren Kundengesprächen selbstverständlich auf der Agenda. Sei es bei den Premiummarken wie Audi, Tesla, Ferrari, Maserti, aber auch zunehmend bei Volumenherstellern wie Toyota oder neuerdings Elektronikfirmen wie Microsoft und Panasonic.“
Teil des Nachhaltigkeitsengagements ist seit 2009 eine jährliche Nachhaltigkeitsbilanz, die Alcantara durch unabhängige Dritte überprüfen und zertifizieren lässt. Im Fokus der Nachhaltigkeitsperformance stehen dabei Indikatoren mit Entwicklungs- und Rentabilitätsausrichtung. Der kritische Punkt für Alcantara sind dabei die CO2 Emissionen. Sowohl bei der Herstellung der Vorprodukte als auch bei der Produktion der Mikrofasern selbst fallen im Verhältnis zum Produkt hohe Mengen an CO2 an. Das Pariser Klimaabkommen, das bis 2050 eine weitgehende Dekarbonisierung vorsieht, bedeutet für eine Firma, die auf petrochemischen Produkten beruht, eine weitere Herausforderung.
Boragno: „Nachhaltigkeit ist für uns ein wichtiges Investment in die Zukunft. Wir arbeiten beispielsweie an der Umstellung auf bio-basierte Polymere. Diese sollen dann in Zukunft die derzeitigen fossilen Polymere ersetzen. Außerdem reduzieren wie die CO2-Emissionen in der Produktion, wo immer es geht. Das hat aber physikalische Grenzen. Deshalb nutzen wir auch Instrumente wie Carbon-Offsetting. Dabei werden die unvermeidbaren CO2-Emissionen durch Umweltschutzmaßnahmen kompensiert.“
Vom einfachen Umwelt- hin zum komplexen Nachhaltigkeitsmanagement
Alcantara startete 2009 mit seinem Nachhaltigkeitsmanagement: Anfangs bezog sich die Berichterstattung auf die gesamte Produktionskette, gemäß dem bekannten Kriterium "von der Wiege zum Fabriktor" (from cradle to gate): die Klimaneutralität bescheinigte also, dass der gesamte Produktionszyklus von Alcantara, von den Rohstoffen bis zur Auslieferung des Produkts zu den Kunden, eine neutrale CO2-Bilanz hat.
2011 schlug man bei Alcantara ein weiteres wichtiges Kapitel im Bereich Umweltschutz auf und erweiterte den Rahmen der Berichterstattung auf den gesamten Lebenszyklus des Produkts, gemäß dem Kriterium "von der Wiege zur Bahre" (from cradle to grave). Seit 2011 umfasst die Klimaneutralität also nicht nur den Produktionsprozess, sondern auch die Gebrauchs- und Entsorgungsphasen des Produkts an sich sowie alle Emissionen in Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit.
Das Ziel der Klimaneutralität, das innerhalb des Unternehmens große Anstrengungen erforderte, wurde dank der koordinierten Implementierung einer Reihe von gezielten Maßnahmen erreicht:
- exakte Messung des gesamten CO2-Aufkommens;
- drastische Senkung der CO2-Emissionen. Dank der Modernisierung des Maschinenparks, der Rationalisierung der Prozesse, der Verbesserungen der technischen Ausrüstung sowie der Energieversorgung und Abwasseraufbereitung ist es Alcantara gelungen, die CO2-Emissionen um 49 Prozent zu senken;
- Kompensation der restlichen Emissionen über den Beitritt zum internationalen, von der UNO koordinierten Kompensationsprogramm.
Durch die Unterstützung von qualifizierten Umweltprojekten kompensiert Alcantara die restlichen Emissionen aus seiner Betriebstätigkeit und erreicht damit eine neutrale Treibhausgasbilanz. Wie alle Engagements im Bereich der Nachhaltigkeit wird auch dieser Vorgang jedes Jahr vom Deloitte zertifiziert.