Exklusivinterview mit John Elkington: „Wachsendes Interesse von Wirtschaftsführern an CSR“
John Elkington gilt mit seinem Triple-Bottom-Line-Modell als Impulsgeber für die Entwicklung des Nachhaltigkeitsbegriffs. Anlässlich seiner neuesten Buchveröffentlichung spricht der CSR-Experte im Interview mit UmweltDialog über das wachsende Interesse am Thema Nachhaltigkeit sowie positive Trends in den Bereichen Technologie und Wirtschaft.
05.11.2014
Sie haben kürzlich “The Breakthrough Challenge. 10 Ways to Connect with Tomorrow’s Bottom line” veröffentlicht. Worum geht es in dem Buch?
John Elkington: Jochen Zeitz schlug vor, das Buch zu machen, kurz nachdem wir uns in kleinem Kreis getroffen haben, der von der Sir Richard Bransons Stiftung einberufen wurde. Zeitz war zu diesem Zeitpunkt noch Vorsitzender und Geschäftsführer von PUMA, wo sie gerade die erste Runde ihrer Arbeit zur Ökologischen Gewinn‐ und Verlustrechnung (EP&L: Environmental Profit & Loss accounting methodology) in Zusammenarbeit mit PwC und Trucost abgeschlossen hatten. Jochen betrachtete den EP&L‐Ansatz als Beginn, den Entwurf des Konzepts der „Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit“ aus dem Jahr 1994 zu ergänzen. Nun leiten Richard Branson und Jochen Zeitz „The B Team“ zusammen – eine CEO‐geführte Initiative unter dem Motto „People, Planet & Profit“, eine Zeile, die ich im Jahr 1995 geprägt habe. Das Buch fokussiert sich also darauf, was wir die „Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit“ nennen – und beruht weitgehend auf der Arbeit von „The B Team“, seinen Aktionsplan zu festigen.
Die Menschen sprechen immer häufiger über Nachhaltigkeit. Manchmal scheint dies zu einer Art “Sustainabubble” zu führen. Was müssen wir tun, um eine Verwässerung des Themas zu vermeiden?
Elkington: Als wir damals 1987 das Unternehmen SustainAbility gegründet haben, mussten wir das Wort Nachhaltigkeit noch mehrere Jahre immer wieder buchstabieren – die Menschen hatten noch nie davon gehört. Dann formulierte ich die Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, weil ich spürte, dass Geschäftsleute sich einem Nachhaltigkeitsplan verpflichteten. Sie haben dies aber hauptsächlich so verstanden, dass es dabei um Ersparnisse durch Energie- und Ressourceneffizienz geht. Ich wollte die wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen wieder auf den Plan rufen. Einige Jahre zuvor beunruhigte mich eine Umfrage unter 766 CEOs weltweit, die ergab, dass 81 Prozent der Befragten dachten, „Nachhaltigkeit“ bereits in ihr Handeln eingebettet zu haben. Da läuteten die Alarmglocken in meinem Kopf, denn fast alle dieser Unternehmen waren noch auf einem grundsätzlich nicht nachhaltigen Weg. Freilich verpflichteten sie ihre Stakeholder, Reportings nach Vorgaben der Global Reporting Initiative zu erstellen und zweifellos forderten sie mindestens einen ihrer Zulieferer in ähnlichen Belangen heraus. Dieses Umfrageergebnis suggerierte mir, dass sich eine Blase bildete, in der die Menschen dachten, sie müssten ein Teil von etwas sein – auch, wenn sie nicht ganz verstanden, was dieses etwas war oder was es beinhaltete. Wir haben die Wellen gesellschaftlichen Drucks auf Politik, Geschäfts‐ und Finanzmärkten seit 1960 verfolgt. Dabei haben wir vier große Wellen bis zu diesem Zeitpunkt identifizieren können. Sie erreichten ihre Höhepunkte in den Jahren 1969‐1972, 1987‐1991, 1999‐2001 und 2010‐2012. Letztere nennen wir die Nachhaltigkeits‐Welle; nicht weil die Menschen dieses Ziel erreichten, sondern weil sie immer häufiger davon sprachen.
Die CSR-Landschaft ist in einem Wandel begriffen. Das Freiwilligkeitsprinzip weicht immer mehr der Verpflichtung zu CSR. Wie erleben Sie das? Wo sehen Sie positive Trends, wo Stolperfallen?
Elkington: Für mich war Freiwilligkeit schon immer entscheidend. Wenn man reguliert und versucht, die Geschäfte in eine bestimmte Richtung zu drängen, riskiert man am Ende minimalistische und defensive Lösungen. Wenn man aber einigen Elementen Wettbewerbscharakter verleiht – welcher Report ist der beste oder wer hat das höchste Ranking im Dow Jones Nachhaltigkeitsindex – dann entsteht eine völlig andere Dynamik. Wer sich hohe Ziele setzt, muss an den grundsätzlichen Standards arbeiten, wenn Regierungspolitik, Vorschriften und Zwang ins Spiel kommen. Es gibt eine andauernde Spannung in diesem Bereich – zwischen dem Raum für Menschen, um in positivem Sinne kreativ zu sein und gleichzeitig zu garantieren, dass Leistungsschwache angemessen kontrolliert werden. Die positiven Trends, die ich sehe, finde ich in Bereichen wie Technologie (saubere Technology, erneuerbare Energien, neue Materialien und einige Aspekte von Big Data), Wirtschaft und in Geschäftsmodellen (z.B. Sharing Economy und Kreislaufwirtschaft) und im wachsenden Interesse von Wirtschaftsführern (z.B. dem Weltwirtschaftsrat für nachhaltige Entwicklung, dem Weltwirtschaftsforum und dem B Team). Ich bin auch begeistert von der Arbeit, die momentan in den Städten passiert, wie beispielweise mit den C40 Städtepartnern.
Die beiden wichtigen Stakeholder World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) und United Nations Global Compact (UNGC) feiern im kommenden Jahr Jubiläum (20 Jahre WBCSD / 15 Jahre Global Compact). Welche Rolle werden diese beiden Organisationen in Zukunft spielen?
Elkington: Sowohl der WBCSD als auch der UNGC haben alte Blockaden gelöst, wo Industrievereinigungen und Verbände ein großes Hindernis für den Fortschritt waren, weil sie ihre schwächsten Mitglieder geschützt haben. Ich bewundere sehr, was der WBCSD um Vision 2025 und Action 2020 herum getan hat und die Courage, mit der der UNGC seine 10 Prinzipien gegen Bestechung und Korruption vorgestellt hat. Und ich denke, dass Peter Bakker ein herausragender Präsident des WBCSD ist in Hinsicht darauf, seine Mitglieder zu fördern, die Messlatte höher zu setzen. Aber wir sollten uns auch klar darüber sein, dass die wirklich großen Veränderungen von den Widerständlern kommen und nicht von den Amtsinhabern. Daher sind wir eng in Netzwerke wie „The B Team“ und die B Cooperation Bewegung involviert.
Sie stellen Interface als Fallstudie vor. Was können wir insbesondere von diesem Unternehmen lernen?
Elkington: Es gibt viele Fallstudien, die mit wenig Mühe erstellt werden und in denen die gleiche kleine Gruppe von Unternehmen immer wieder gelobt wird (oft ist dieses Lob ein Warnsignal, dass etwas falsch laufen wird). Auch wenn Interface und sein verstorbener Gründer Ray Anderson in den vergangenen Jahren viel gelobt wurden, hat dieses Unternehmen es geschafft, sich selbst, seine Produktangebote und, in gewissem Maß, seinen Markt neu zu definieren. Außerdem hat es Interface auch nach dem Tod von Ray geschafft, die Ambition und den Schwung zu erhalten. Unser unmittelbarer Grund, uns darauf zu fokussieren wie sie es geschafft haben, an der Spitze der eingestuft nachhaltigen Unternehmen zu bleiben (wie beispielsweise in den Umfragen, die GlobeScan seit 1987 durchführt), war, dass sie in diesem Jahr drei ihrer Null‐Ziele erreicht haben hinsichtlich Brennstoffen, Deponiemüll und Wassereffizienz. Wir haben ihre Mission Zero Plattform in unser Buch von 2012 aufgenommen: The Zeronauts: Breaking the Sustainability Barrier. In einer Zeit, in der viele Unternehmen noch darüber nachdenken, sich Null‐Ziele oder Nahe‐Null‐Ziele zu setzen, erreicht Interface dies in Europa. Nachdem wir die Fallstudie abgeschlossen haben, suchen wir nun nach weiteren Unternehmen und Wirtschaftsinitiativen, die in der gleichen Art analysiert werden könnten. Es gibt jetzt mehr solcher Unternehmen, aber es wird eine echte Herausforderung sein, eine potenzielle Fallstudie zu finden, die dem entsprechen kann, was Interface bisher erreicht hat.
Vielen Dank für das Gespräch.