CSR-Management

„Man muss aber aufpassen, dass Nachhaltigkeit nicht zu kurz gedacht wird“

Die Neue Klasse ist die größte Firmeninvestition in der Geschichte von BMW und steht für die Zukunftsfähigkeit des Automobilkonzerns. Warum sie gleichzeitig ein Meilenstein in Sachen Nachhaltigkeit ist, führt Alexander Bilgeri, Leiter Hauptabteilung „Kommunikation Personal, Produktion, Einkauf, Nachhaltigkeit“ in einem Gespräch mit UmweltDialog aus. Dabei erklärt er den Lesern auch, welchen speziellen CSR-Anspruch das Unternehmen verfolgt.

13.05.2024

„Man muss aber aufpassen, dass Nachhaltigkeit nicht zu kurz gedacht wird“
Alexander Bilgeri, Leiter Hauptabteilung „Kommunikation Personal, Produktion, Einkauf, Nachhaltigkeit“

Von UmweltDialog

UmweltDialog: Der Automarkt in ganz Europa wird gerade ausgebremst. Insbesondere Elektroautos haben sinkende Marktanteile. Vor allem das Streichen der Förderprämie zeigt sich in den Verkaufszahlen. Ist Europa nicht bereit für einen vollelektrifizierten Automobilmarkt?

Alexander Bilgeri: Erst einmal möchte ich betonen, dass die BMW Group im ersten Quartal 2024 25 Prozent mehr vollelektrische Fahrzeuge im Vergleich zum Rekordjahr 2023 ausgeliefert hat. Noch dazu haben wir gerade erst unser einmillionstes vollelektrisches Fahrzeug an einen Kunden übergeben. Außerdem gibt es einen klaren gesamtgesellschaftlichen Wunsch nach Dekarbonisierung und Elektrifizierung. Und dem stellt sich die BMW Group. Wir können uns hier mit Innovationen von den Wettbewerbern differenzieren und Kunden und Interessenten ein besseres Angebot machen. Daher ist das ein Riesenthema für unser Unternehmen.

Natürlich gibt es Herausforderungen für die europaweite Verbreitung der Elektromobilität, vor allem bei der Ladeinfrastruktur. Kunden können und wollen nur auf Elektromobilität umsteigen, wenn sie auch die notwendigen Lademöglichkeiten angeboten bekommen. Hier gibt es in Europa eine sehr unterschiedliche Durchdringung und noch deutliches Ausbaupotenzial. Aus diesem Grund glauben wir an Technologieoffenheit. Damit können wir unseren Kunden die jeweils bestmögliche Lösung für ihre individuelle Mobilitätssituation anbieten. Das kann vollelektrisch, hybrid, Wasserstoff oder ein hocheffizienter Verbrenner sein.

Wir sind fest davon überzeugt, dass Elektroautos ein integraler Bestandteil für die individuelle Mobilität in Europa sein werden. Auch wenn der Elektrofahrzeugmarkt derzeit nicht mehr so stark wächst. Das war aber zu erwarten, wenn staatliche Subventionen reduziert oder gestrichen werden. Es entwickelt sich nun ein normaler Markt aus Angebot und Nachfrage. Und da werden wir uns mit unserem Angebot weiter durchsetzen, vor allem da wir ab 2025 die Elektrifizierung mit der Einführung unserer Neuen Klasse sogar noch weiter vorantreiben.

Die Neue Klasse ist wohl die größte Firmen-Investition in der Geschichte Ihres Unternehmens. BMW will sich damit in allen Bereichen komplett verändern. Was heißt das konkret und warum heben Sie Nachhaltigkeit damit auf eine neue Stufe?

Bilgeri: Die Neue Klasse steht für die Zukunftsfähigkeit der BMW Group und der Marke BMW. Sie ist viel mehr als eine neue Fahrzeuggeneration. Mit der Neuen Klasse setzen wir ab Mitte des Jahrzehnts neue Maßstäbe bei Digitalisierung, Elektrifizierung und Zirkularität. Alle BMW Modelle werden von den Innovationen der Neuen Klasse profitieren und die Neue Klasse wird in jedem BMW erkennbar sein. Sie steht für den Aufbruch in die nächste Generation unserer BMW Modelle, so wie die historische Neue Klasse der 1960er-Jahre für unser heutiges Portfolio.

Das Thema Nachhaltigkeit steht dabei mit im Fokus. So werden wir für bestimmte Stellen im Interieur das neue Material Verdana verwenden, das komplett pflanzen- und mineralbasiert ist und ganz ohne Erdöl auskommt. Auch werden wir unsere Batterietechnologie stark verbessern, was Elektromobilität noch attraktiver machen wird. Im Vergleich zu den existierenden BMW Modellen soll die Reichweite und die Ladegeschwindigkeit um 30 Prozent erhöht werden, während gleichzeitig die Kosten der Batteriezellen sinken werden.

Zusammen mit einem stark erhöhten Fokus auf Recyclingfähigkeit und Nutzung von Sekundärmaterialien setzen wir beim Thema Nachhaltigkeit mit der Neuen Klasse neue Akzente. Und diese neuen Maßstäbe wollen wir auch zügig groß rausbringen. Allein in den ersten zwei Jahren nach Start der Neuen Klasse wollen wir mindestens sechs verschiedene Modelle anbieten.

Die Neue Klasse ist die größte Firmen-Investition in der Geschichte von BMW
Die Neue Klasse ist die größte Firmen-Investition in der Geschichte von BMW

Sie haben es schon angesprochen: Neben Elektrifizierung und Digitalisierung steht Zirkularität im Zentrum der Transformation. Inwiefern sind Ihre Autos Vorreiter im Bereich der Circular Economy?

Bilgeri: Kreislaufwirtschaft ist für uns als BMW Group ein essenzielles Thema, da – vereinfacht gesprochen – die Rohstoffminen der Zukunft schon heute auf unseren Straßen fahren. Daher gilt es, diese so effizient wie möglich zu nutzen und die Rohstoffe wiederzuverwerten. Das geschieht aus Gründen der Nachhaltigkeit, da die CO2-Emissionen dadurch sehr stark reduziert werden, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen, da es für uns mittelfristig günstiger ist, diese Fahrzeuge wiederzuverwerten, als Primärrohstoffe zu verbrauchen. Auch unsere Lieferketten werden dadurch resilienter etwa gegenüber geopolitischen Umbrüchen.

Wir bauen Autos mit einem festen Blick auf deren Recyclingfähigkeit und berücksichtigen diese schon beim Design der Modelle. So verwenden wir beispielsweise, wann immer möglich, sortenreine Materialien und kleben Teile nur, wenn es keine Alternative gibt. Das hilft uns dabei, die Altfahrzeuge dann deutlich schneller und effizienter wiederzuverwerten. Wir feiern dieses Jahr 30 Jahre Betrieb des Recycling- und Demontagezentrums (RDZ) in der BMW Group. Bereits seit 1994 gewinnen wir im RDZ wertvolle Erkenntnisse darüber, wie man den Recyclingprozess effizienter und effektiver gestalten kann.

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Diese Erkenntnisse werden dann mit gut 3.000 Verwertern in 41 Ländern kostenlos von uns geteilt. Denn die Verwerter müssen in der Lage sein, mit möglichst geringem Aufwand die recyclebaren Teile zu entfernen und möglichst viele Materialien zurückzugewinnen. Teil des Engagements der BMW Group für mehr Kreislaufwirtschaft ist auch die Unterstützung der Initiative Circular Republic. Sie wurde von der BMW Group gemeinsam mit UnternehmerTUM, Europas größtem Start-up- und Gründungszentrum im Umfeld der Technischen Universität München, initiiert. In und um München entsteht aktuell eine Art Silicon Valley für Zirkularität. Ziel ist es dabei, viele gute Ideen und Initiativen in der Region anzusiedeln.

Als erster deutscher Automobilbauer ließen Sie Ihren Beitrag auf dem Weg, die maximale Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, durch die Science Based Targets initiative (SBTi) wissenschaftlich validieren. Die steht selbst gerade in der Kritik, auch weil viele Firmen ihre Ankündigungen dann doch nicht einhalten. Wie machen Sie deutlich, dass BMW in Sachen Nachhaltigkeit für „walk the talk“ und nicht für Greenwashing steht?

Bilgeri: Wir bekennen uns klar zum Pariser Klimaabkommen und folgen bei der CO2-Reduzierung einem Kurs, der die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad begrenzen soll. Als erster deutscher Automobilhersteller sind wir der „Business Ambition for 1,5 °C“ der Science Based Targets initiative beigetreten. Damit sind wir Teil der internationalen Race-to-Zero-Initiative.

BMW bekennt sich klar zum Pariser Klimaabkommen
BMW bekennt sich klar zum Pariser Klimaabkommen

Wir haben uns hierbei sehr ambitionierte Ziele gesetzt – wollen diese aber unabhängig von einem Label erreichen. Für uns ist es viel wichtiger, dass wir uns wissenschaftsbasierte Ziele setzen und diese dann transparent und vollständig erfüllen. Daher veröffentlichen wir regelmäßig detaillierte Nachhaltigkeitsberichte, in denen Umweltinitiativen, Erfolge und Verbesserungsbemühungen klar und verständlich dargelegt werden. Damit kann sich jeder ein vollständiges Bild von unseren Nachhaltigkeitsbemühungen machen. Man muss aber aufpassen, dass Nachhaltigkeit nicht zu kurz gedacht wird. Gerade in Deutschland erleben wir dabei vielfach eine mediale Verkürzung und eine Gleichsetzung mit Ökologie oder Umwelt- beziehungsweise Klimaschutz.

Aber reicht das? Wäre es nachhaltig, wenn wir plötzlich nur noch Elektroautos verkaufen würden, dafür aber große Teile unserer Mitarbeiter entlassen müssten? Natürlich nicht. Nachhaltigkeit umfasst drei Dimensionen: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Glaubwürdige Nachhaltigkeit im Unternehmen kann nur Nachhaltigkeit sein, die diese Dreidimensionalität entlang der gesamten Wertschöpfungskette abbildet.

Trotz deutscher Enthaltung hat eine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten im März für das europäische Lieferkettengesetz gestimmt. Sie selbst haben bereits vor vielen Jahren Verantwortung für Ihr Lieferantennetzwerk übernommen und sich dem Grundsatz „Befähigung vor Rückzug“ verpflichtet. Was umfasst für Sie Ihre Sorgfaltspflicht in der Lieferkette?

Alexander Bilgeri, Leiter Hauptabteilung „Kommunikation Personal, Produktion, Einkauf, Nachhaltigkeit“
Alexander Bilgeri, Leiter Hauptabteilung „Kommunikation Personal, Produktion, Einkauf, Nachhaltigkeit“

Bilgeri: Hohe Umwelt- und Sozialstandards gehören zu den festen Anforderungen an unsere Lieferkette. Sowohl unsere Direkt- als auch die Unterlieferanten müssen sich an diese Vorgaben halten, ansonsten folgen unverzüglich Konsequenzen bis hin zu einem Ende der Geschäftsbeziehungen. Generell beenden wir die Zusammenarbeit mit Lieferanten aber nur, wenn wir über keinen anderen Weg etwas erreichen können. Denn die Probleme bei den Lieferanten werden durch ein Ende der Zusammenarbeit nicht gelöst. Daher versuchen wir wann immer möglich erst durch unseren Einfluss substanzielle Änderungen zu erwirken und die Probleme zu lösen.

Um sicherzustellen, dass unsere Vorgaben auch eingehalten werden, verwenden wir mehrere Verfahren wie Risikofilter, Medienanalysen und Supply Chain Mapping. Das ist wichtig, damit wir nicht nur pro forma den Vorgaben entsprechen, sondern sie tatsächlich auch in die Realität umgesetzt werden. Und wenn es Hinweise zu potenziellen Verstößen gibt, dann gehen wir diesen konsequent nach. Das alles sehen wir als unsere Sorgfaltspflicht in der Lieferkette: hohe Umwelt- und Sozialstandards vertraglich festlegen, diese dann überwachen und ihnen bei Hinweisen auf Verstöße nachgehen. Nach Möglichkeit versuchen wir dann substanzielle Änderungen zu erwirken und nur falls das nicht geht, beenden wir die Geschäftsbeziehung mit dem Lieferanten.

Ihr Anspruch ist es, CSR in Ihrem Unternehmen weiter zu denken. Beispielhaft dafür steht die Entwicklung Ihres südafrikanischen Werkes in Rosslyn, das 1973 als erster Standort außerhalb Deutschlands gegründet wurde. Was macht Rosslyn aus Nachhaltigkeitsperspektive so besonders?

Bilgeri: Wir bei der BMW Group sind fest überzeugt, dass der Erfolg eines Unternehmens nicht nur in Geschäftszahlen gemessen wird, sondern genauso am gesellschaftlichen Beitrag und an der sozialen Veränderung, die man anstößt. Rosslyn hat dadurch einen ganz besonderen Platz bei uns. Doch Südafrika und Rosslyn sind nicht einzigartig: An jedem Standort, an dem wir uns befinden, agieren wir auch als guter Corporate Citizen und unterstützen sowohl unsere Mitarbeiter als auch die Communities vor Ort durch zahlreiche Projekte. In Rosslyn haben wir nicht nur ein Werk, das Arbeitsplätze und einen Beitrag zur industriellen Weiterentwicklung leistet, sondern zeigen seit Jahrzehnten auch, was soziale Verantwortung bedeutet.

BMW als guter Corporate Citizen in Südafrika
BMW als guter Corporate Citizen in Südafrika

Dort laufen momentan zahlreiche Projekte, mit denen wir auch außerhalb unserer normalen Geschäftstätigkeiten die Bevölkerung vor Ort unterstützen. Ein gutes Beispiel dafür ist PowerUp, ein Projekt, bei dem wir Hochvoltbatterien aus ehemaligen Entwicklungsfahrzeugen als Energiespeicher für zwei Schulen einsetzen. Das lässt sie unabhängiger vom lokalen südafrikanischen Stromnetz werden und die Kinder können auch bei einem der häufigen Stromausfälle weiterlernen. Ein anderes Projekt betreiben wir zusammen mit der Firma Envirolite, mit der wir aus Polystyrol-Resten, die in der Produktion anfallen, Ziegel für Häuser produzieren. 

In Südafrika begann letztes Jahr im November auch unsere langfristig angelegte globale Partnerschaft mit UNICEF. Diese steht unter dem Motto „BRIDGE. Educating young people for tomorrow, today“ und setzt den Fokus auf Bildungsprojekte im MINT-Bereich. Im Laufe dieses Jahres wird die Zusammenarbeit auch noch auf Brasilien, Indien, Mexiko und Thailand ausgeweitet werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Quelle: UmweltDialog
 

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