Gewinn und Moral: ein Zielkonflikt für Manager?
Mindestlohn, Umweltauflagen, Nachhaltigkeit – Unternehmen werden zunehmend mit moralischen Erwartungen der Gesellschaft konfrontiert und stehen vor der Herausforderung, diese unter den harten Wettbewerbsbedingungen einer globalisierten Welt zu erfüllen. Themen wie Corporate Governance und CSR haben in der Öffentlichkeit Hochkonjunktur. Dennoch fällt es vielen Firmen noch schwer, das Management ethischer Chancen und Risiken in ihren klassischen Führungsstrukturen abzubilden, sagt Christian Schiel im Interview mit dem Wissensportal Springer für Professionals.
06.02.2015
„Weder interne Kontrollsysteme, noch Compliance- oder Risikomanagementsysteme sind diesbezüglich entscheidend weiterentwickelt worden.“ In seinem gerade bei Springer Gabler erschienenen Fachbuch Management moralischer Risiken in Unternehmen erklärt der Experte, warum Gewinn und Moral sich nicht grundsätzlich widersprechen. Vielmehr müssten Manager ihre Kompatibilität organisieren – im eigenen Interesse: „Der zukünftige Erfolg von Unternehmen hängt heute mehr denn je davon ab, ob ihr Geschäftsmodell gesellschaftliche Akzeptanz findet. Man spricht auch von der ‚License to operate‘.“
„Verantwortliche Unternehmensführung ist keine triviale Aufgabe und erfordert insbesondere im Risikomanagement Kompetenzen“, sagt Christian Schiel. Sowohl mit der Erfüllung als auch mit der Zurückweisung von gesellschaftlichen Moralforderungen seien Chancen und Risiken verbunden. Die Einhaltung höherer Umweltstandards oder besserer Arbeitsbedingungen erhöhe zum Beispiel in der Regel die Kosten und damit die Wettbewerbsrisiken. Dem gegenüber stünden Kooperationschancen durch zufriedene Mitarbeiter, gesunde Communities und ein langfristiges Vertrauen der Kunden.
Wertschaffendes Risikomanagement
Dies alles in Einklang zu bringen, bezeichnet der Autor als „Moralisches Risikomanagement“. Dass globaler Hyperwettbewerb und Gewinnstreben häufig im Widerspruch zu moralischem Handeln stehen, kann er nicht bestätigen: „Tatsächlich geht es nur darum, bestimmte Arten der Gewinnerzielung zu vermeiden, nämlich die, die zu Lasten anderer Akteure oder der Umwelt erzielt werden.“ Gewinne durch Innovationen oder optimierte Prozessabläufe hingegen seien wünschenswert.
Um wirklich wertschaffend zu sein, muss ein moralisches Risikomanagement aber integraler Bestandteil des Kerngeschäfts sein, so Schiel weiter. Reine Kommunikationsstrategien zum „Greenwashing“ seien nicht geeignet, um moralische Spannungsfelder nachhaltig zu bewältigen: „Es geht also nicht primär um PR-Aktionen zur Steigerung oder Rettung der Reputation, sondern darum, betriebliche Prozesse und Strukturen so zu gestalten, dass Regeln und gegebene Versprechen eingehalten werden können ohne zugleich Wettbewerbsnachteile zu erleiden.“
Der Wille ist da
Genau das falle Unternehmen in der Praxis noch schwer. Häufig würden neue Stabsfunktionen für Philanthropie und Nachhaltigkeit geschaffen, die losgelöst vom Kerngeschäft agieren. Stattdessen sollten Unternehmen ihre klassischen Risiko Governance-Funktionen – insbesondere Risikomanagement, Compliance, Interne Revision und Internes Kontrollsystem – für diese Aufgabe sensibilisieren und mit geeigneten Methoden befähigen. Basierend auf dem international etablierten Risikomanagementstandard COSO ERM stellt Schiel in seinem Buch jetzt einen alltagstauglichen Managementansatz zum Umgang mit Konflikten zwischen Gewinn und Moral vor.
Denn das Bedürfnis sei da: „Meine Wahrnehmung ist, dass das Thema einen hohen Stellenwert bei Topmanagern in Deutschland hat. Vielen Führungskräften jedoch fällt es angesichts kurzfristiger finanzieller Vorgaben verständlicherweise schwer, geeignete Konzepte und Tools zu finden. Hier gibt das Buch konkrete Hilfestellung.“
Dr. Christian Schiel studierte Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Risikomanagement in Berlin und Lausanne. Im Rahmen seiner Promotion am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Unternehmensethik der Leipzig Graduate School of Management entwickelte er praktikable, alltagstaugliche und risikoorientierte Konzepte zum Management moralischer Spannungsfelder. Er berät zudem Unternehmen bei der Konzeptionierung, Implementierung und Verbesserung von modernen Corporate Governance-Lösungen.