Neuerscheinung: „Wirtschaftsethik und Menschenrechte“
Die wirtschaftsethische Debatte in Deutschland war lange Jahre durch die Positionen von Peter Ulrich und Karl Homann geprägt, wobei letzterer wohl die größere Zustimmung erhalten hat. Jetzt hat Bernward Gesang der Debatte eine neue, dritte Stimme hinzugefügt – eine utilitaristisch geprägte. Diese soll – um ein Bild von Gesang zu verwenden – aus dem bislang eher dissonanten Orchesterklang der theoretischen Wirtschaftsethik mehr Harmonie entstehen lassen, die für den Hörer (die Unternehmen) auch praktisch bemerkbar wird. Auszug einer Besprechung von Prof. Dr. Axel Birk.
20.03.2017
Von Prof. Dr. Axel Birk
Gesang vertritt einen „humanen“ Utilitarismus. Diesen hat er schon früher ausführlich begründet (Gesang 2003). Als dem kritischen Rationalismus nahestehend könnte er sich dabei auch auf Karl Popper berufen. Popper hat zwar keine ausgearbeitete Ethik verfaßt, aber in einigen Bemerkungen seine ethische Grundauffassung skizziert. Der vielleicht wichtigste Grundsatz besteht darin, daß es die Konsequenzen unserer Handlungen sind, welche für ethisch richtige Entscheidungen maßgeblich sind (Popper 1992, Bd. 2, S. 272 f.). Popper vertrat also ebenfalls eine konsequenzialistische Ethik, wie sie der Utilitarismus ist.
Der wirtschaftsethische Teil
Im ersten Kapitel erfolgt eine Auseinandersetzung mit der „ökonomischen Ethik“ von Karl Homann und seinen Schülern. Die diesem Ansatz zugrundeliegende Vertragstheorie (vgl. etwa Rawls, Buchanan) bildet nach Gesang keine ausreichende Grundlage für eine „humane“ Wirtschaftsethik. Dazu verwendet er unter anderem eines der Standardargumente gegen die Vertragstheorie, wonach von dem fiktiven Vertragsschluß wichtige Vertragspartner (zukünftige Menschen und die Natur bzw. die Tiere) ausgeschlossen sind (zu diesem Problem vertragstheoretischer Ethikansätze vgl. etwa Stemmer 2000, § 8). Mit seiner Kritik am Menschenbild des homo oeconomicus, das für die ökonomische Ethik als Modellannahme wichtig ist, verwendet Gesang ein weiteres Standardargument gegen deren Logik (vgl. zur Problematik des homo oeconomicus etwa Nida-Rümelin 2015, Kap. I.7.). Trotz der Kritik anerkennt Gesang eine Reihe von wichtigen Leistungen der ökonomischen Ethik Homanns, die er auch für seine Theorie übernimmt (S. 31 ff.).
Der unternehmensethische Teil
In Kapitel fünf wendet sich Gesang dem Problem zu, wie Unternehmen in konkreten ethischen Konfliktsituationen handeln sollen. Als problematisch erachtet er die widersprüchliche Lage, in welcher Entscheider im Unternehmen von deontologischen, konsequenzialistischen oder vertragstheoretischen Ethiken zurückgelassen werden. Er will mit seinem Ansatz eine Konsensposition entwickeln (vgl. S. 138).
Zum Nutzen des Buchs
Das Buch von Bernward Gesang ist mehr als nur eine Wirtschaftsethik. Es ist zugleich eine Einführung in Grundpositionen der allgemeinen Ethik und der politischen Philosophie mit Alternativvorschlägen zu unserem aktuellen Wirtschaftssystem. Zugleich will es auch ein Kompaß für praktische Entscheidungen in Unternehmen sein. Es ist somit ein Beitrag zur wissenschaftlichen Debatte, eine niveauvolle und verständliche Einführung in die Wirtschaftsethik für Studenten und zugleich eine gewisse Anregung für die CSR-Abteilung in (Groß-)Unternehmen. Gesang schafft das alles durch seine ungemein dichte Darstellung der einzelnen Themen und Argumente. Sein Thema „Unternehmen und Menschenrechte“ hat durch den gerade erst von der Bundesregierung verabschiedeten „Nationalen Aktionsplan Menschenrechte“ zusätzliche Aktualität erlangt.
Bernward Gesang
Wirtschaftsethik und Menschenrechte
200 Seiten, utb – Verlag Mohr Siebeck, 2016
€ 14,99
ISBN 978-3-8252-4562-7
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Lesen Sie hier die komplette Rezension von Dr. Axel Brink, Professor am Insitut für Unternehmensrecht, Hochschule Heilbronn.