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Islam, Geld und Wohlstand

Gläubige Muslime müssen bei der Geldanlage vieles beachten. So sind Zinsen wie auch bestimmte Branchen nicht erlaubt. Michael Gassner hat dazu jetzt eine sehr praxisnahen und lesenswerten Ratgeber veröffentlicht. Wir sprachen mit dem Autor über Scharia-konforme Geldanlage.

24.03.2022

Islam, Geld und Wohlstand

Jesus predigte, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht als ein Reicher ins Himmelreich. Sind im Islam Geld und Gott auch Gegensätze oder wie steht man dort zum Reichtum?

Michael Gassner: Im Islam geht es um den geraden Weg, und Vermögen ist eine Prüfung. Es geht um die Einstellung zum Geld, nicht um die Höhe. Ein geduldiger Armer kommt schneller ins Paradies, aber der Reiche kann mehr Gutes schaffen und das Vermögen in einer wohltätigen Stiftung noch nach dem Tode angerechnet werden. Wer das Geld aber im Herzen trägt statt in der Hand, der hat ein Problem. Vermögen ist keine Auszeichnung von Gottgefälligkeit, aber auch kein Hindernisgrund per se ins Himmelreich.

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Ein Muslim darf weder Zinsen geben noch nehmen. Gewinne machen: ja; Zinsen nehmen oder zahlen: nein. Können Sie uns diese ganz andere Sichtweise kurz erläutern?

Gassner: Alle Kapitalerträge außer Geldzins sind erlaubt. Also Miete und Gewinn sind kein Problem. Der Geldzins ist so besonders, weil durch ihn Schulden exponentiell wachsen bis sie untragbar werden. Der Mietzins wächst nur linear über Zeit.

Wie funktionieren dann in der Praxis Bau- oder Firmenkredite?

Gassner: Baukredite gibt es in verschiedenen Vertragsformen, für die Projektentwicklung, für den Kauf mit Zahlungsaufschub oder den graduellen Verkauf mit Vermietung der noch nicht gekauften Anteile. Bei Firmenkrediten ähnlich, oft ein Kauf mit Zahlungsaufschub. Schwieriger wird es bei Betriebsmittelkrediten, weil vorgenannte Sachmittelkredite für Lohn und Miete nicht funktionieren. Hier braucht es etwas mehr Eigenkapital – aber womöglich ist dahinter eine Weisheit: Unternehmen, denen der Betriebsmittelkredit gekündigt wird, können zahlungsunfähig werden, auch bei guter Geschäftslage.

In Ihrem Buch beschreiben Sie viele Alltagsfragen: Sind Versicherungen islamkonform? Welche Aspekte gilt es beim Testament zu beachten? Wie lege ich Geld an? etc. Das Buch richtet sich damit an Muslime in Deutschland. Müssen die diese Themen neu erlernen, oder haben sich die Einstellungen in den Familien erhalten?

Gassner: Das Interesse bei ersten Vorträgen war groß. Beim anschließenden Buchverkauf zeigte sich mir, dass es eine Lücke füllt. Muslime wissen, dass der Zins verboten ist, die Grundsätze der Finanzplanung sind aber ebenso unbekannt wie bei Nichtmuslimen. Deutsche Schulen unterrichten diese nicht.

Sie sind hauptberuflich tätig als Head of Islamic finance einer Schweizer Privatbank. Woran spüren Sie ganz konkret in der Arbeit den Unterschied zu ihren weltlichen Investmentkollegen?

Gassner: Nachhaltigkeit und Islamic finance passen gut zusammen. Da spüre ich die Gemeinsamkeiten. Ein Unterschied ist sicher, dass mit der Sozialabgabe Zakat von 2,5 Prozent Investments in Geldwerte weniger attraktiv sind – man muss mehr Risiken in Kauf nehmen, um Ertrag zu erwirtschaften. Realwirtschaftliche Investitionen wie Immobilien oder Produktionsanlagen sind per se vom Zakat ausgenommen, erst die Erträge werden nach einem Jahr als Geldwert mit Zakat belegt. Das bedeutet letztlich ein sanfter Druck – nudging – in produktive Investments zu gehen statt in Geldwerte.

Welche Aspekte könnten wir uns aus Ihrer Sicht von islamic banking und financing abgucken?

Gassner: Wir brauchen eine Lösung für das exponentielle Wachstum von Schulden, sonst wird Nachhaltigkeit nicht möglich. Für die abrahamitischen Religionen ist dies das Zinsverbot, für den Hinduismus das Damdupat (maximal die doppelte Summe der Geldleihe unabhängig von der Laufzeit). Aktuell führt die steuerliche Abzugsfähigkeit des Zinses und die Besteuerung der Dividende für eine Bevorzugung von Schulden. Genauso wirkt die Risikogewichtung der Geldgeschäfte der Banken: Eigenkapitalvergabe braucht 4x soviel Eigenkapital der Bank, unabhängig vom Risiko. Das macht eine risikobasierte Mittelvergabe in Eigenkapital unwirtschaftlich. Eine nachhaltige Steuergesetzgebung und Bankenregulierung muss das anpacken – so kann es nicht weitergehen.

Islam, Geld und Wohlstand

Michael Gassner
Islam, Geld und Wohlstand: Ein Handbuch über Finanzen und Vorsorge
tredition Verlag 2022
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3347542440
Preis: 29,80 Euro

Quelle: UmweltDialog
 

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