Klimabericht für die Nordseeregion erschienen
Wie viele küstennahe Gebiete ist auch der gesamte Nordseeraum vom Klimawandel betroffen. In den kommenden Jahrzehnten wird dies im verstärkten Maße der Fall sein, sofern die Emissionen, beispielsweise von Kohlendioxid, nicht wesentlich verringert werden. Anpassungsmaßnahmen benötigen eine fundierte wissenschaftliche Grundlage. Der Nordseeklimabericht „North Sea Region Climate Chance Assessment (NOSCCA)“, koordiniert vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG), zeigt, wie sich die einzelnen Regionen rund um die Nordsee aufgrund des Klimawandels zukünftig verändern könnten.
15.11.2016
Demnach erwarten die Wissenschaftler bis zum Ende des Jahrhunderts einen Anstieg der durchschnittlichen Lufttemperatur im Nordseeraum um bis zu 3,2 Grad Celsius. Die bereits gemessene wie auch zukünftig zu erwartende Erwärmung der Luft in der Region folgt damit dem globalen Trend, zeigt allerdings eigene saisonale und Jahrestrends. So war das Jahr 2010 bis dato weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. „Im Nordseeraum war es im selben Jahr allerdings verhältnismäßig kühl“, sagt Prof. Dr. Markus Quante, Wissenschaftler am Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) und Koordinator des Berichts. Entgegen dem weltweiten Trend lag die mittlere Jahrestemperatur im Nordseeraum fast ein halbes Grad unter dem langjährigen Mittel zwischen 1961 und 1990.
„Diese Gegensätze verdeutlichen, wie wichtig der detaillierte Blick auf einzelne Gebiete ist, um regionale Besonderheiten ausfindig zu machen und zu verstehen“, so Quante weiter. Bis zum Ende des Jahrhunderts erwartet das internationale Forscherteam eine zusätzliche Erwärmung zwischen 1,7 und 3,2 Grad Celsius gegenüber dem Vergleichszeitraum von 1971 bis 2000, je nach verwendetem Klimaszenario. Der stärkste Anstieg ist zeitlich im Winter und räumlich in der Gegend um das südliche Norwegen am wahrscheinlichsten. Ein möglicher Grund für die Erwärmung ist die Zunahme von Tiefdruckgebieten in den Wintermonaten, die weiter nördlich als sonst ziehen und den Weg für zusätzliche Wärme aus dem Mittelmeerraum freimachen könnten.
Weiterer Anstieg des Meeresspiegels in der Nordseeregion sehr wahrscheinlich
Der durchschnittliche Meeresspiegel in der Nordsee liegt heute höher als zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In den letzten 100 bis 120 Jahren ist das Wasser um gut 16 bis 20 Zentimeter gestiegen. Insbesondere seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist der Anstieg in der zentralen Nordsee markant zu beobachten. Eine weitere Zunahme des mittleren Meeresspiegels zwischen 30 und 100 Zentimetern, je nach Szenario, bis zum Ende des Jahrhunderts ist sehr wahrscheinlich.
Einflüsse auf Ökosysteme der Nordsee
Der Klimawandel bewirkt wahrscheinlich deutliche Änderungen innerhalb der verschiedensten Ökosysteme im Nordseebereich. Die Verteilung und das Vorkommen vieler Tier- und Pflanzenarten wandeln sich bereits jetzt. Sardinen bewegen sich in nördlichere Gebiete der Nordsee, Streifenbarbe und Wolfsbarsch weiten ihren Lebensraum in den Bereich nordwestlich von Norwegen aus. Viele Seen und Wasserflächen im Nordseegebiet reagieren besonders sensibel auf Klimaveränderungen. Höhere Temperaturen verkürzen die Eisbedeckungszeiten. Mehrere Spinnenarten, Wasserkäfer und Vögel sowie Insektenarten wie zum Beispiel Schmetterlinge werden sich nach Norden ausbreiten können.
Umfangreiche Zusammenarbeit durch internationales Forscherteam
Initiiert wurde NOSCCA durch das Helmholtz-Zentrum Geesthacht um die Koordinatoren Prof. Dr. Markus Quante und Prof. Dr. Franciscus Colijn. Die Ausarbeitung auf interdisziplinärer Ebene widmet sich sämtlichen Aspekten des vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Klimas. Zudem werden die Auswirkungen auf die marinen und terrestrischen Ökosysteme sowie einige sozio-ökologische Sektoren wie zum Beispiel dem Fischereiwesen, der Landwirtschaft, dem Küstenschutz und dem Tourismus betrachtet.
Die insgesamt rund 200 Wissenschaftler aus 14 Ländern, darunter den Niederlanden, Belgien, Großbritannien und Deutschland, haben in den letzten sechs Jahren viele verfügbare begutachtete Publikationen und Datensätze ausgewertet sowie verschiedene Klimamodellsimulationen und Szenarien verglichen.