CSR-Richtlinie – Im Spannungsfeld zwischen Regulierung und Praxis
Die CSR-Richtlinie (2014/95/EU) verpflichtet bestimmte Unternehmen ab 2017 zu einer erweiterten nichtfinanziellen Berichterstattung. Im März 2017 wurde nun das Gesetz verabschiedet, das die Richtlinie in Deutschland umsetzt. Betroffen sind kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen mit mehr als 500 Mitarbeitern. Die EY-Studie „Die CSR-Richtlinie: Im Spannungsfeld zwischen Regulierung und Praxis“ bietet betroffenen Unternehmen Anhaltspunkte für die erfolgreiche Umsetzung.
16.05.2017
Die von dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz betroffenen Unternehmen müssen künftig in einer sogenannten nichtfinanziellen Erklärung wesentliche Angaben mindestens zu den Aspekten Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange, Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption und Bestechung offenlegen. Als „wesentlich“ sind hierbei solche Informationen zu sehen, die zum Verständnis der Geschäftstätigkeit des Unternehmens und seiner Auswirkungen auf die Aspekte nötig sind.
Unter bestimmten Umständen kann ein Unternehmen von den Berichtspflichten befreit werden: wenn es etwa keine Konzepte bezüglich seiner Auswirkungen auf einzelne Aspekte verfolgt, kann es stattdessen erläutern, warum dies der Fall ist („comply or explain“). Vorsicht: Diese Regel betrifft nur Konzepte; wesentliche Risiken sind hingegen immer zu berichten. Befreien lassen kann ein Unternehmen sich auch, wenn es die Tochtergesellschaft eines Konzerns ist, der gemäß der EU-CSR-Richtlinie berichtet. Hier greift die sogenannte Konzernklausel.
Was muss die Erklärung beinhalten?
Die Erklärung muss neben einer kurzen Beschreibung des Geschäftsmodells für jeden Aspekt die folgenden Elemente enthalten:
- Die verfolgten Konzepte einschließlich eventueller Due-Diligence-Prozesse sowie die Ergebnisse dieser Konzepte
- Wesentliche Risiken, die aus der Geschäftstätigkeit oder, falls relevant, aus den Produkten, Dienstleistungen und der Geschäftsbeziehungen des Unternehmens auf die Aspekte einwirken
- Steuerungsrelevante Kennzahlen
- sowie gegebenenfalls Verweise auf im Jahresabschluss ausgewiesene Beträge.
Große börsennotierte Unternehmen müssen außerdem in der Erklärung zur Unternehmensführung ihr Diversitätskonzept im Hinblick auf Aufsichts-, Verwaltungs- und Leitungsorgane darstellen, das Auskunft über relevante Dimensionen wie etwa Alter, Geschlecht und Herkunft gibt.
Die Informationen sind entweder in einer nichtfinanziellen Erklärung im Lagebericht oder in einem gesonderten nichtfinanziellen Bericht zu machen, der bis spätestens vier Monate nach dem Bilanzstichtag auf der Unternehmenshomepage veröffentlicht werden muss. In dem Gesetzentwurf war dagegen noch eine längere Frist von sechs Monaten vorgesehen. Der Wirtschaftsprüfer muss bestätigen, dass die Informationen vorliegen. Eine inhaltliche externe Prüfung ist hingegen nicht verpflichtend, wenngleich der Aufsichtsrat in vielen Fällen eine solche fachliche Unterstützung zu Rate ziehen mag, um seinen Prüfungspflichten im Hinblick auf die nichtfinanzielle Erklärung nachzukommen. Wie EY anmerkt, erhöht eine externe Auditierung nicht zuletzt auch die Glaubwürdigkeit der Angaben.
Welche Wesentlichkeitsbegriffe anzuwenden sind, welche Implikationen das neue Gesetz auf das Risikomanagement der Unternehmen hat und weitere Informationen zur Umsetzung der Richtlinie finden sich in der EY-Studie.
Wie schneiden deutsche Unternehmen ab?
Für 70 Prozent der DAX-30-Unternehmen stellt das Nachhaltigkeits-Reporting bereits heute eine gängige Praxis dar, so ein Ergebnis der Studie. Aber nicht nur der DAX-30, sondern auch die in den M-, S- und Tec-DAX-Indizes gelisteten Unternehmen veröffentlichen immer häufiger eigenständige Nachhaltigkeitsberichte. 2016 waren es im M-DAX bereits 44 Prozent, der S-DAX kam auf 24 Prozent. Besonders signifikant stieg auch der Anteil der Nachhaltigkeitsberichte im Tec-DAX: Auf mehr als das Doppelte im Vergleich zum Vorjahr kletterte er von 10 auf 23 Prozent. Zunehmend gibt es auch integrierte oder kombinierte Berichte, in denen sowohl finanzielle als auch nichtfinanzielle Angaben offengelegt und in ihrer Wirkung verknüpft werden.
Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass die nichtfinanziellen Informationen für relevante Interessengruppen immer wichtiger werden. Tatsächlich fordern vor allem Investoren verstärkt Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen und machen diese zum Bestandteil ihrer Entscheidungsgrundlage. Für sie stellen die Berichte eine Erweiterung der Risikoanalyse dar. So können aus ihnen Rückschlüsse gezogen werden, welche langfristigen Auswirkungen von Unternehmen auf die Gesellschaft ausgehen, heißt es in der Studie.
Als Trend lässt sich bei den deutschen Unternehmen eine Orientierung an den internationalen CSR-Rahmenwerken ausmachen: Fast 90 Prozent der DAX 30-Unternehmen und insgesamt 57 Unternehmen aller DAX-Indizes berichten demnach mittlerweile nach den umfassenden G4-Richtlinien der Global Reporting Initiative.
Unterschiede der Berichterstattung zwischen verschiedenen Themen
In der Praxis sind deutsche DAX-Unternehmen bereits gut aufgestellt, wenn es beispielsweise um Umweltkennzahlen wie CO2-Messungen oder den Wasserverbrauch geht. Dabei heben sich insbesondere die DAX 30-Unternehmen positiv ab, während in SDAX und TecDAX weniger Unternehmen zu Nachhaltigkeitsthemen berichten. Zu diesem Ergebnis kommt die EY-Studie über die Unternehmensberichte.
Neben ausgiebigem Umwelt-Reporting werde von den deutschen Unternehmen auch in puncto Arbeitnehmerbelange bereits umfangreich berichtet, sagt Nicole Richter über die Ergebnisse. Sie ist als Partnerin bei EY für Climate Change and Sustainability Services verantwortlich. Lücken, so die Expertin, gebe es hingegen häufig in Bezug auf Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung. Über die Leitlinien hinaus berichten hierzu nur die wenigsten Unternehmen. „Zwar rücken Menschenrechte bei Unternehmen immer stärker ins Blickfeld. Viele sind sich aber noch nicht darüber im Klaren, wie sie in ihrer gesamten Geschäftstätigkeit und insbesondere der Lieferkette die Einhaltung humanitärer Standards gewährleisten können“, so Richter weiter.
Insbesondere der erweiterte Umfang der Risikoberichterstattung durch die CSR-Richtlinie wird Handlungsbedarf erzeugen: Wo die betroffenen Unternehmen bisher aufgrund gesetzlicher Anforderungen in aller Regel zu den Risiken berichten, die ihre Geschäftstätigkeit beeinträchtigen könnten, erweitert die CSR-Richtlinie dies um solche Risiken, die vom Unternehmen ausgehend auf die relevanten Aspekte einwirken.
Nicht zuletzt bedeutet die Veröffentlichungsfrist von nur vier Monaten nach Bilanzstichtag zudem für viele Unternehmen, dass sie ihre Berichterstattungsprozesse für nichtfinanzielle Informationen weiter optimieren müssen, damit sie rechtzeitig berichten können.
Im Endeffekt müssen „viele von der Berichtspflicht betroffene Unternehmen ihr Reporting anpassen, ausbauen und beschleunigen, um der Berichtspflicht nachzukommen“, sagt Richter. Ziel der Studie ist es unter anderem, hier Anhaltspunkte für eine verbesserte Umsetzung zu liefern. Nicht zuletzt die enthaltenen Case Studies zu den verschiedenen Aspekten und inhaltlichen Dimensionen illustrieren dies.
Dementsprechend sollten die Unternehmen dann überlegen, wie sie die fehlenden Aspekte implementieren und aufbauen.
Als Hilfsmittel für diesen Prozess können internationale CSR-Reportingstandards eingesetzt werden, die mit ihren umfassenden Methoden bei der Wesentlichkeitsbestimmung unterstützen und Kriterien für alle Bereiche der CSR-Richtlinie bereitstellen. Dies ist umso empfehlenswerter, als dass die Richtlinie die Anwendung einschlägiger Standards nahelegt; nutzt ein Unternehmen keinen anerkannten Standard, muss es dies begründet erläutern.
Hilfe zu spezifischen Begriffen der CSR-Richtlinie
Während die CSR-Rahmenwerke in aller Regel vielfältige Erläuterungen bieten, bleibt zunächst unklar, was in der CSR-Richtlinie mit der Formulierung von „wesentlichen“ Angaben und Risiken gemeint ist oder was unter einem „Konzept“ zu verstehen ist. Zum Teil werden im Gesetzestext bekannte Begriffe neu definiert und weitere neue Kernbegriffe eingeführt, merkt auch EY an. Deshalb greift die Studie diese Begriffe auf und zeigt, welche Auslegungsoptionen den Unternehmen offenstehen. Ein Konzept etwa beinhaltet nach Verständnis von EY die Elemente
- Leitlinien oder Prinzipien
- Managementansätze und
- Zielsetzungen
Damit es nicht bei einer theoretischen Auflistung bleibt, liefert EY in der Studie zur Veranschaulichung aller Themenbereiche jeweils Case Studies von bekannten Unternehmen. Sie zeigen etwa, wie man die Arbeitnehmerbelange in ein Konzept fassen und dabei die Zielsetzung in den Fokus rücken kann.
Die Studie macht zudem aufmerksam auf die Unterschiede zwischen den Formulierungen der ursprünglichen EU-Richtlinie und den Umsetzungen in deutsches Recht. In weiten Teilen stimmen diese zwar überein, aber es gebe auch bedeutsame Unterschiede, so EY. Gerade Unternehmen, die auch im Ausland agieren und ihre konzernweite Nachhaltigkeitsberichterstattung zur Befreiung ihrer innereuropäischen Tochtergesellschaften verwenden wollen, sollten sich überlegen, sich an EU-konformen Formulierungen und Rahmenwerken zu orientieren, um zu vermeiden, dass ihre Berichterstattung nicht den Anforderungen der Sitzländer genügt.
Letztendlich hat die CSR-Richtlinie – je nachdem, wie sie in der Praxis umgesetzt wird – das Potenzial, die von Unternehmen veröffentlichten nichtfinanziellen Informationen deutlich auszuweiten, so das Fazit der Studie. Das heißt auch, dass selbst solche Unternehmen, die nicht direkt von ihr betroffen sind, ihre Berichterstattung überdenken sollten, um im Vergleich nicht zurückzufallen. Auch für diese Unternehmen bietet die EY-Studie nützliche Hinweise zum Aufbau der nichtfinanziellen Berichterstattung.
Tipps und mögliche Schritte zur Umsetzung für Unternehmen
- Identifizierung wesentlicher Themen gemäß internationaler CSR-Rahmenwerke
- Lücken in der Berichterstattung identifizieren und entscheiden, ob und wie diese Bereiche implementiert und aufgebaut werden können
- Auf bestehenden Prozessen aufbauen, etwa Risikomanagementsysteme, die in ähnlicher Form bereits existieren
- Orientierung an weltweiter Berichtspraxis
- Erwägung von externer Überprüfung
Methoden im Überblick
Anerkannte CSR-Rahmenwerke können dazu eingesetzt werden, die erreichten Nachhaltigkeitsleistungen zu berichten. Weit verbreitete Rahmenwerke sind beispielsweise
- Global Reporting Initiative - GRI Standard, bis Juni 2018 G4
- Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK)
- UN Global Compact Fortschrittsbericht über die Einhaltung der zehn Prinzipien verantwortungsvollen Wirtschaftens
Erstere bieten konkrete Überleitungen auf die Anforderungen der CSR-Richtlinie an, was eine zusätzliche Orientierung zur Anpassung bestehender Berichterstattung bietet.
Die vollständige Studie finden Sie zum kostenlosen Download unter den Publikationen von EY per Klick auf "Die deutsche Umsetzung der CSR-Richtlinie".