Brüssel stellt Weichen für EU-Lieferkettengesetz
Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat Positionierung zum EU-Lieferkettengesetz beschlossen. Die Vorschläge des Ausschusses gelten als wegweisend für die Abstimmung zum EU-Lieferkettengesetz im Europäischen Parlament am 1. Juni.
26.04.2023
Laut den Juristen im Europäischen Parlament soll eine schrittweise Erweiterung der Regelung erfolgen, so dass auch Unternehmen mit anfänglich 500 und später mit 250 Mitarbeitern einbezogen werden. Dadurch wird es für die Opfer von Arbeits- oder Umweltunfällen möglich sein, auch die Partnerfirmen der in der EU ansässigen Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen, die für den Vorfall verantwortlich sind. Darüber hinaus sieht das Konzept empfindliche Strafen von bis zu fünf Prozent des Umsatzes vor, falls Unternehmen ihre Verpflichtungen nicht erfüllen.
Die Initiative Lieferkettengesetz begrüßt die Einigung, kritisiert aber die weitreichenden Abschwächungen, die Abgeordnete der CDU und CSU im Vorfeld durchgesetzt hatten. So sollen Konzerne laut Rechtsausschuss nicht unmittelbar für Schäden haften, die ihre ausländischen Tochterunternehmen verursacht haben.
„Betroffene können kaum beweisen, dass europäische Unternehmen Menschenrechtsverstöße ihrer Tochtergesellschaften mitverursacht haben. Die Beweislast liegt aber auch nach dem Vorschlag des Rechtsausschusses allein bei den Kläger*innen. Für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen ist dies eine enorme Hürde beim Zugang zu Recht“, kritisiert Michelle Trimborn, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz.
„Zwar will der Rechtsausschuss auch Banken, Versicherungen und institutionelle Investoren künftig zur menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfalt verpflichten. Allerdings beschränken sich die Sorgfaltspflichten auf Geschäftsbeziehungen mit direkten Großkunden. Damit wären Investitionen in kleinere Projekte, die mit Menschenrechtsverstößen verbunden sind, ausgenommen. Auch wurde der Vorschlag zu einer regelmäßigen Überprüfung auf bestehende Risiken abgeschwächt“, kommentiert Ulrike Lohr, Expertin für nachhaltiges Finanzwesen bei SÜDWIND.
„Positiv ist, dass der Rechtsausschuss explizit ablehnt, dass Unternehmen Haftungserleichterungen erhalten, wenn sie sich an Branchenstandards beteiligen oder bestimmte Zertifizierungen nutzen. Dennoch weist der Rechtsausschuss Auditoren und Zertifizierern eine wichtige Rolle zu, obwohl diese nach bisherigen Erfahrungen Gewerkschaften und Betroffene kaum einbinden und menschenrechtliche Risiken oftmals nicht aufdecken – wie auch vor zehn Jahren bei der Katastrophe in Rana Plaza. Umso problematischer ist es, dass keine Haftung für Zertifizierer vorgesehen ist“, bemängelt Livia Hentschel vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).
Wirtschaft beklagt Anforderungen
Die Anforderungen gehen vor allem für mittelständische Unternehmen deutlich zu weit und werden auch den Menschenrechtsschutz in der Welt nicht verbessern, meint dagegen der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Mittelständische Firmen können nicht alle Stufen ihrer Lieferketten in fernen Ländern kontrollieren, weil sie die dafür erforderlichen Informationen angesichts fehlender Marktmacht gar nicht erhalten.
Darüber hinaus sollte sich das europäische Lieferkettengesetz nur auf das begrenzen, was Unternehmen wirklich kontrollieren können: das ist ihr eigener Geschäftsbereich, ihre Tochterunternehmen und die direkten Zulieferer. Eine „White List“ von Staaten, denen wir grundsätzlich vertrauen, würde hier zumindest Rechtssicherheit schaffen und den Aufwand deutlich reduzieren.