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Die Zukunft von Legal, Compliance und ESG im Unternehmen

Viele Unternehmen beschäftigen sich mit der Frage, welche Abteilung das Thema Nachhaltigkeit beziehungsweise ESG (Environmental, Social, Governance) verantworten sollte, beziehungsweise ob dafür eine neue Abteilung zu schaffen ist. Hier eine Handlungsempfehlung.

04.07.2023

Die Zukunft von Legal, Compliance und ESG im Unternehmen

Von Dr. Jonas Woitzyk

Auslöser der aktuellen Diskussion 

ESG in Unternehmen ist keine Frage mehr des „Ob“, sondern des „Wie“. Folgerichtig stehen viele Unternehmen derzeit vor der Herausforderung, ihre eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten zu institutionalisieren und weiter zu professionalisieren. Dieses bedeutet für Unternehmen einen erheblichen Arbeitsaufwand. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD etwa wird zu einem Kernthema der Unternehmenskommunikation und einige Ressourcen binden.

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Bisher werden in den Unternehmen die einzelnen Fragestellungen mit ESG-Bezug häufig noch von unterschiedlichen Fachabteilungen bearbeitet, zum Beispiel Einkaufs-, Rechts- oder Personalabteilung. Insbesondere größere Unternehmen verfügen mitunter auch über eine Fachabteilung, die das Thema ESG unter dem Gesichtspunkt Umweltschutz operativ in den Blick nimmt. Hierbei mangelt es jedoch mitunter noch an Koordination, so dass inhaltliche Überschneidungen zwischen den einzelnen Fachabteilungen nicht immer vermieden werden. Das wirft die Frage auf, ob thematisch verwandte Fachabteilungen eigenständig organisiert, oder aus Effizienzgründen zusammengelegt werden sollten. 

Eigenständige Abteilungen für Legal, Compliance und ESG 

Die aktuellen Unsicherheiten im organisatorischen Umgang mit dem Thema ESG erinnern an die Diskussionen zur Anfangszeit der Compliance. Compliance wurde damals häufig als Teilbereich der Rechtsabteilung betrachtet und war ihr daher organisatorisch untergeordnet. In den letzten 15 Jahren zeigte sich jedoch immer häufiger, dass die Anforderungen von Compliance weit über traditionelle juristische Themen hinausgehen. Infolgedessen ist heute bei den meisten Unternehmen zu beobachten, dass die Rechts- und die Compliance-Abteilung organisatorisch nebeneinanderstehen, wobei Letztere oft eine Challenger-Rolle für die richtige rechtliche Umsetzung von operativen Themen hat.

Demnach wäre es folgerichtig, auch ESG in einer neuen, eigenständigen Fachabteilung zu organisieren, die neben der Rechts- und der Compliance-Abteilung steht. Nachteil eines solchen Drei-Säulen-Modells ist jedoch der große organisatorische, finanzielle und kommunikative Aufwand und der Umstand, dass Synergien zwischen diesen drei Abteilungen eventuell nicht vollständig genutzt werden können, da zum Beispiel alle drei Gebiete auch juristische Expertise benötigen. Der Vorteil dieses Drei-Säulen-Modells ist allerdings, dass dem Thema ESG eine signifikante Aufmerksamkeit und Wertigkeit im Unternehmen zuteilwird. 

Gemeinsame Responsibility Abteilung für Compliance und ESG 

Einige Maßnahmen, die sich im Compliance-Kontext bewährt haben, werden zukünftig in angepasster Form auch im ESG-Kontext nutzbar sein, zum Beispiel Richtlinien, (Compliance-)Beauftragte, interne Beschwerdestellen oder Kontrollsysteme. ESG ist, wie Compliance, eine Querschnittsmaterie par excellence. Es stellt sich daher die Frage, ob ESG und Compliance Funktionen gebündelt werden können.

Wegen der offensichtlichen Sachnähe zwischen der Compliance ESG ist derzeit zu beobachten, dass immer mehr Unternehmen ihre bestehende Compliance-Abteilung um eine ESG-Funktion erweitern und diese neue gemeinsame Abteilung als „Responsibility Abteilung“ bezeichnen. Aus dem Compliance Officer wird der Responsibility Officer. Vorhandene Compliance-Instrumente werden dann inhaltlich um eine ESG-Komponente erweitert, zum Beispiel können über das Whistleblowing System dann auch Meldungen zu ESG-Sachverhalten abgegeben werden, während für ESG-Risikoanalysen, Geschäftspartnerprüfungen oder Schulungen auf die vorhandene organisatorische Compliance-Expertise zurückgegriffen wird. Daneben bleibt die Rechtsabteilung für die originären Rechtsangelegenheiten bestehen.

Zusammenlegung von Compliance, ESG und Recht Als dritte Strukturierungsform wird eine Zentralabteilung diskutiert, die die rechtlichen Kompetenzen von Legal, Compliance und ESG vereint. Geführt wird diese Abteilung üblicherweise von dem Leiter der Rechtsabteilung. Die Vorteile dieses Ansatzes liegen in einer schlanken Mitarbeiterstruktur, klaren Kompetenzzuweisungen ohne ineffiziente Doppelstrukturen. Der Nachteil besteht in dem Risiko, dass ESG und Compliance nicht den Stellenwert bekommen, der beiden Zukunftsthemen in einer modernen Governance zukommen sollte. Dieses Modell empfiehlt sich daher nach unserer Erfahrung vorrangig für junge, kleinere Unternehmen, deren Strukturen noch im Aufbau sind.

Lessons learned 

  • Eine ESG-Abteilung kann als eigenständige Organisationseinheit neben der Rechts- und der Compliance-Abteilung aufgebaut werden. Dem Thema ESG wird auf diese Weise besondere Bedeutung beigemessen, wobei dieses Modell jedoch den größten organisatorischen Aufwand mit sich bringt und Synergien zwischen den einzelnen Abteilungen gegebenenfalls verloren gehen. 
  • Die im Unternehmen vorhandene Compliance-Abteilung kann um die ESG-Funktion erweitert werden. Dieser Ansatz ermöglicht es, schnell eine arbeitsfähige ESG-Organisation zu erreichen, die die beträchtlichen Synergieeffekte zwischen Compliance und ESG nutzen kann und nach unserer Einschätzung derzeit von vielen Unternehmen favorisiert wird. 
  • Die Rechtsabteilung kann mit der Compliance-Abteilung und der neuen ESG-Funktion zu einer einheitlichen Zentralabteilung verschmolzen werden, was ein schlankes Organisationsmodell darstellt und sich für Unternehmen in der Startup-Phase anbietet.
Dr. Jonas Woitzyk

Zum Autor: 

Dr. Jonas Woitzyk, LL.M. ist Salary Partner bei der internationalen Kanzlei Taylor Wessing und berät zu Corporate Litigation und ESG (Environmental, Social & Governance).

Quelle: UD
 

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