ESG Reporting: Was Sie auf dem Schirm haben sollten
Nachhaltigkeit ist eine Reise, sagt Philipp Killius, Partner und Head of Sustainability/ESG bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars. Auf diese sollte man sich gewissenhaft vorbereiten und frühzeitig aufzubrechen, denn sonst wird es stressig. Was es zu beachten gilt, und warum es gar nicht nur auf die reine Berichterstattung, sondern vor allem auf das Management und die Weiterentwicklung der unternehmerischen Nachhaltigkeit ankommt, erläutert er im UmweltDialog-Interview.
11.09.2023
Was kommt durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) auf Unternehmen zu? Und wie können sie ihr Geschäftsmodell weiterentwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben?
Philipp Killius: Die CSRD ist in der Tat ein Game Changer. Das haben noch nicht alle mittelständischen Unternehmen auf dem Radar. Fakt ist aber, dass in Deutschland allein über 15.000 Unternehmen der Privatwirtschaft von der Berichtspflicht betroffen sind und eine ebenso eine große Zahl an Unternehmen der öffentlichen Hand, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien zutreffen: mehr als 250 Mitarbeiter*innen, mehr als 40 Millionen Euro Umsatz oder mehr als 20 Millionen Euro Bilanzsumme.
Unternehmen, die bis jetzt noch nicht unter dem Vorläufer, dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, berichten mussten, haben bis zum Berichtsjahr 2025 Zeit, sich darauf einzustellen. Wenn sie aber bei Null anfangen, müssen sie zunächst ihre wesentlichen Themen definieren, die Prozesse verankern und ein Nachhaltigkeitsreporting aufbauen. Das ist aus Sicht der Unternehmen eine große Zusatzbelastung, und viele versuchen, das Ganze auf die lange Bank zu schieben. Davon raten wir aber dringend ab, weil es eine Weile dauert bis diese Prozesse in einem Unternehmen etabliert sind und die Expertise aufgebaut ist. Besser man nimmt sich jetzt die Zeit, um nachher nicht der Getriebene zu sein. Wenn wir darüber mit Unternehmen reden, dann schüren wir nicht die Angst, sondern rücken eher die Chancen in den Fokus. In einem lösungsorientierten Dialog erarbeiten wir dann gemeinsam einen maßgeschneiderten Ansatz, der zum jeweiligen Unternehmen passt.
Viele Unternehmen müssen sich derzeit aufgrund neuer Regularien erstmals mit der Konzeption und Umsetzung eines Nachhaltigkeitsberichtes befassen. Wie können sie sich der Herausforderung bestmöglich stellen, und welche potenziellen Stolpersteine gibt es dabei zu beachten?
Killius: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist mittlerweile ähnlich professionalisiert wie die Finanzberichterstattung. Bevor man anfängt zu berichten, ist es fundamental, dass Unternehmen ihre wesentlichen Themen bestimmen. Klären Sie die Fragen: Was ist für mich wirklich relevant? Wo habe ich einen Impact, also eine Auswirkung meiner Geschäftstätigkeit auf die Umwelt und die Menschen? Dazu gibt es gewisse Methoden, die auch im Rahmen der CSRD vorgeschrieben sind. Anschließend gilt es zu klären: Habe ich verfügbare Daten? Wenn nicht, wo bekomme ich die Daten her? Welche Prozesse nutzen wir dafür – Excel-basiert erfassen oder doch gleich eine leistungsfähige ESG-Software nutzen?
Danach geht es in die eigentliche Berichterstattung über die unternehmerische Nachhaltigkeitsleistung. Aber allein über den Ist-Zustand zu berichten, ist nicht zielführend. Das Ganze ist in eine Roadmap oder eine strategische Klammer zu setzen. Welche Ziele und Maßnahmen und Leistungsindikatoren liegen vor, und wie können daraus weitere Reduktionsziele, beispielsweise im Bereich Klima, abgeleitet werden?
Dazu bedarf es natürlich fundierter Erfahrungswerte, die Unternehmen intern häufig noch nicht aufbauen konnten. Um unseren Mandanten diese Expertise bieten zu können, haben wir unser Sustainability-Team in den letzten Monaten stark erweitert und können nun auf das Know-How von über 100 Spezialist*innen zugreifen, die ganz unterschiedliche Nachhaltigkeitskompetenzen einbringen. Es geht bei Nachhaltigkeit schließlich nicht nur um Berichterstattung, sondern um die Nutzung des Berichts als Impuls für einen fundamentalen Wandel innerhalb des Unternehmens.
Und es geht immer auch um das Commitment des Managements, die Etablierung von Organisationsstrukturen und die Wahrnehmung von Sorgfaltspflichten im Unternehmen und entlang der Wertschöpfungskette.
Die finalen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) unterscheiden sich deutlich von den ursprünglichen Entwürfen. Am Ende gab es jede Menge Aufweichungen und Lockerungen. Ist das Ergebnis verwässert worden?
Killius: Am 9. Juni 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission den Entwurf des delegierten Rechtsakts für den ersten Satz der ESRS und hat damit die Grundlage für ein einheitliches standardisiertes Berichtsrahmenwerk geschaffen. Gegenüber den ursprünglichen Entwürfen wurde noch einmal die Bedeutung der Wesentlichkeitsanalyse hervorgehoben. Wir bei Mazars sehen das pragmatisch und weniger als Verwässerung. Wir befürchten auch nicht, dass Unternehmen „cherry picking“ betreiben können und sich nur eine bequeme Zahl an Themen auswählen und darüber berichten. Es gibt Klassiker-Themen in den Bereichen Environment, Social und Governance, die immer Relevanz haben, wie etwa Energieverbrauch und CO2-Emissionen sowie Mitarbeiterkennzahlen. Deshalb wird nicht die Gefahr bestehen, dass am Ende Unternehmen nur über wenige Teilaspekte berichten. Es wird eine Selbstkontrolle über Good Reporting Practice in den Industriebranchen und Dienstleistungssektoren stattfinden, in denen das berichtende Unternehmen tätig ist. Schon allein die im Rahmen der CSRD-konformen Berichterstattung zu beauftragenden Wirtschaftsprüfer werden dafür sorgen, dass Unternehmen über die relevanten Nachhaltigkeitsthemen berichten.
Natürlich werden wir in den ersten ein bis zwei Jahren mit der Einführung der CSRD und der Erstanwendung der ESRS eine breite Varianz bei Ausmaß und Qualität der Berichterstattung haben. Aber es wird sich mittelfristig harmonisieren und eine gute Praxis herauskristallisieren.
Wir werden in den nächsten Jahren erleben, dass dann auch Zehntausende von Nachhaltigkeitsberichten oder Testberichten vorliegen. Aber wird die Welt dann nachhaltiger oder produzieren wir einfach nur Berge an ungelesenen Berichten?
Killius: Die Frage bekomme ich häufig gestellt: Wer liest diese Berichte? Glauben wir wirklich, dass dadurch die Welt nachhaltiger und gerechter wird? Werden dadurch der EU Green Deal zum Leben erweckt und Finanzströme in nachhaltig wirtschaftende Unternehmen allokiert? Ich glaube nicht, dass jeder Bericht gelesen oder jeder einzelne Datenwert analysiert wird. Aber es geht um die grundsätzliche Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit und zu bewusstem Umgang mit Ressourcen und damit um die Optimierung der Geschäftsprozesse. Das sind nicht nur altruistische Gründe, sondern dahinter stecken auch monetäre Interessen. Wo Kosten anfallen, gibt es Kostensenkungspotenziale, insbesondere bei Energie- und Ressourcenverbräuchen. Eine regelmäßige Berichterstattung ist ein guter Ausgangspunkt, um sich den aktuellen Stand der unternehmerischen Nachhaltigkeitsleistung bewusst zu machen und daraus Ziele und Maßnahmen für (noch) mehr Nachhaltigkeit abzuleiten.
Und die zweite Frage, die mir immer häufiger gestellt wird, lautet: Warum müssen wir es in Europa machen, wenn es den Rest der Welt nicht interessiert? Dazu muss man anmerken, dass sich auch in Asien und insbesondere China sehr viel tut, auch wenn dort vieles noch voller Widersprüche scheint. Auch China hat die Tragweite des Themas erkannt und geht das bereits wesentlich schneller und konsequenter an als viele hier denken. China kann auf Grund der politischen Gegebenheiten beispielsweise innerhalb kürzester Zeit sehr strenge Umweltschutzvorgaben machen und Emissionsgrenzwerte für Industrie und Verkehr festlegen. Wird Nachhaltigkeit also ein weltweiter Faktor? Sicherlich für die nördliche Hemisphäre, also die EU, Nordamerika und Teile Asiens. Es ist nicht die Frage, ob Afrika, Mittel- und Südamerika dazukommen, sondern wann und in welchem Umfang. Es bestehen dort noch viele Herausforderungen; aber parallel wächst das Bewusstsein für Umweltschutz und Sozialstandards. Das Thema Nachhaltigkeit ist definitiv gekommen, um zu bleiben.
Wir als Mazars leisten einen Beitrag zu einer fairen und gerechten Welt. Als international integrierte Partnerschaft setzen wir uns weltweit für mehr Nachhaltigkeit ein – sei es bei unseren Mandanten, unseren Mitarbeiter*innen oder auch im jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld, in dem wir uns bewegen.
Wir danken Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Im ersten Teil des Interviews sprachen wir mit Philipp Killius über den Beruf des ESG-Managers. Lesen Sie weiter und erfahren Sie, welche Qualifikationen ein ESG Manager unbedingt mitbringen sollte und welche er auch noch später erlenen kann.