ESG-Vorschriften für Immobilienwirtschaft steigen deutlich
Ökologische und soziale Herausforderungen stellen die größten Risiken für unsere Gesellschaft weltweit dar. Mangels globaler Regelungen und einheitlicher Definitionen hat die Immobilienwirtschaft ihre eigenen Berichtsstandards und Gebäudezertifizierungen entwickelt, die in jüngster Zeit durch eine zunehmende Zahl regionaler und nationaler Vorschriften ergänzt wurden. Somit wird es immer schwieriger, einen Überblick über die verschiedenen Vorschriften und freiwilligen Standards zu erhalten, insbesondere bei zusätzlichen individuellen Anforderungen durch Investoren.
28.04.2023
Der Report „Mapping ESG: Landscape Review of Certifications, Reporting Frameworks and Practices“ wurde von der European Association for Investors in Non-Listed Real Estate Vehicles (INREV), den Principles for Responsible Investment (PRI) und dem Urban Land Institute (ULI) initiiert und von PwC mit Unterstützung einer Reihe von Experten führender Immobilienfondsmanager und Investoren durchgeführt.
Nach einer umfassenden Bestandsaufnahme und zahlreichen Interviews mit Branchenexperten untersucht die Studie den Zweck der verschiedenen ESG-Anforderungen. Sie beleuchtet, wie sich diese Anforderungen überschneiden und wo es Möglichkeiten für eine Entlastung bei der ESG-Berichterstattung gibt.
Der Bericht zeigt neue Herausforderungen bei regulatorischen Innovationen auf, die nicht harmonisiert und abgestimmt sind. Die Neuerungen betreffen den gesamten Lebenszyklus von Immobilien und alle Teilsektoren der Branche. Die fehlende Harmonisierung und die teilweise nicht definierten Rechtsbegriffe stellen eine große Herausforderung dar.
Aktuell existiert kein universeller Berichtsstandard, woran sich kurz- bis mittelfristig nichts ändern wird, da ESG breit gefächert und komplex ist, so dass sich das Thema aufgrund von weiteren wissenschaftlichen Erkenntnissen und einer breiteren gesellschaftlichen Akzeptanz weiterentwickeln wird. Zukünftig werden sich trotz aller Konsolidierungsbemühungen die Berichtsstandards und -rahmen an neue Anforderungen anpassen müssen. Dementsprechend sollten Branchenteilnehmer die Standards auswählen, die ihre ESG-Strategie angemessen widerspiegeln und soziale Mindeststandards für den gesamten Lebenszyklus von Immobilien einhalten.
Um bei der Auswahl verschiedener Bestimmungen und Standards unterstützend zu wirken, werden in der Studie Fallbeispiele aufgezeigt. Ein Fragenkatalog zur Selbsteinschätzung ergänzt den Report, um ein stärkeres Bewusstsein für die Kernthemen der ESG-Strategie von Unternehmen zu bewirken.
Bei der Erreichung von Klimazielen spielen Daten eine Schlüsselrolle, die bislang teilweise geschätzt und zukünftig messbar sein sollten. Glaubwürdige Daten, insbesondere zu Umwelt- und Scope 1-, 2- und 3-Treibhausgasemissionen, sind grundlegend für wissenschaftsbasierte Metriken und Ziele, die für Regulierungsbehörden, Investoren und alle weiteren Beteiligten auf dem Weg zu Netto-Null und zur Bekämpfung des Klimawandels wichtig sind.
Die Studie skizziert neue Best Practices in diesem Bereich, wie beispielsweise die Offenlegungspflichten der EU-Taxonomie und der SFDR (Sustainability Finance Disclosure Regulation), die einen Wechsel zu messbaren, standardisierten und vergleichbaren Daten, insbesondere für Investoren, erfordern.
Lisette van Doorn, CEO ULI Europe: „Die Immobilienbranche wird oft als rückständig und langsam reagierend im Vergleich zu anderen Anlageklassen angesehen. Diese Studie zeigt die enormen Bemühungen, die in den letzten zwei Jahrzehnten in der gesamten Branche unternommen wurden, um wegen fehlender Regelwerke Standards zu schaffen, die ermutigen. Bei der Beschleunigung der Klimaschutzmaßnahmen sollte jedoch die Warnung des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) aus dem März dieses Jahres beherzigt werden. Die Vielfalt an Normen und Vorschriften ist aktuell verwirrend. Dennoch ist es möglich, die Fortschritte der Immobilienbranche auf dem Weg zu Netto-Null zu beschleunigen. Alle Unternehmen sollten die zu ihrer ESG-Strategie und den Stakeholdern passenden Standards und Metriken nutzen.“
Lonneke Löwik, CEO von INREV: „In Europa hat sich die ESG-Berichterstattung bereits von freiwilligen Standards hin zu regulatorischen Anforderungen entwickelt. Dennoch fehlen weltweit harmonisierte Standards und Daten. Im Fokus dabei steht das Thema Daten, deren Messung und Management. Immobilienunternehmen sollten sich zunehmend mit der Datenerfassung, dem -austausch und der Datenkonsolidierung auseinandersetzen.“
Hani Legris, PRI Real Estate Specialist: „Kein einziger Berichtsstandard, kein Rahmenwerk oder Zertifikat kann alle weitreichenden regulatorischen Anforderungen sowie die Erfordernisse der Beteiligten erfüllen. Immobilieninvestoren sehen sich zudem einer hohen Anzahl von Optionen und Verpflichtungen gegenüber. Während die „richtige“ Wahl von der ESG-Strategie des Unternehmens und den Rechtssystemen, in denen es tätig ist, abhängt, liefert diese Studie wichtige Informationen zum Prozess und wird durch Fallstudien ergänzt, um diese Themen erfahrbar zu gestalten.“
Die 14 im Report beschriebenen Standards, darunter zehn mit immobilienspezifischen Metriken, stammen aus der EU, Großbritannien, den USA, Kanada, Hongkong, Singapur, Japan und Australien:
- ESG-Kernstandards für Unternehmen: SASB (Sustainability Accounting Standards Board), IFRS S1/S2, CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive), GRI (Global Reporting Initiative)
- Berichtsstandards nach Themen: TCFD (Task Force on Climate-Related Financial Disclosures), CDP (zuvor Carbon Disclosure Project), CDSB (Climate Disclosure Standards Board), CBI (Climate Bonds Initiative)
- Nachhaltigkeitsverordnungen: EU-Taxonomie, SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation)
- Von der Branche vorgegebene Berichtsstandards: INREV (European Association for Investors in Non-Listed Real Estate Vehicles), EPRA (European Public Real Estate Association), GRESB (Global Real Estate Sustainability Benchmark)
- Auf Grundsätzen basierende Verpflichtungen: PRI (Principles for Responsible Investment)
Über das Urban Land Institute (ULI)
Das Urban Land Institute (ULI) ist eine weltweite, mitgliedergeführte Forschungs- und Bildungsorganisation mit über 45.000 Mitgliedern, die sich dem Austausch von Fragen zur nachhaltigen Entwicklung und Nutzung von Städten und allen Themen der Immobilienwirtschaft widmet. 1936 in Washington D.C. gegründet ist das ULI heute in über 80 Ländern vertreten und bietet ein multidisziplinäres Forum für Experten der Immobilienwirtschaft und der Stadtentwicklung, die sich als Citychanger für die Zukunft unserer urbanen Lebensräume einsetzen: Über 5.000 Mitglieder hat das ULI in Europa, die in 15 nationalen Netzwerken organisiert sind. Ziel ist es, gemeinsam mit der Öffentlichen Hand durch Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch die Verbesserung der Lebensqualität in den Städten und Kommunen stetig weiter voranzutreiben. Damit prägt es nicht nur die Immobilienwirtschaft, sondern übernimmt gesellschaftliche Verantwortung.