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Banken ziehen Klimazusagen zurück – Wissenschaftsbasierte Ziele auf dem Prüfstand

Europäische Banken haben ihre Zusagen im Rahmen der Science-Based Target Initiative zurückgezogen, was Unsicherheit über die Festlegung harmonisierter Klimaziele im Bankensektor schafft. Obwohl es keine offiziellen Gründe dafür gibt, wirft dieser Schritt Fragen über die Herausforderungen und das Engagement des Sektors in Bezug auf den Klimawandel auf.

16.04.2024

Banken ziehen Klimazusagen zurück – Wissenschaftsbasierte Ziele auf dem Prüfstand

Im November 2023 enthüllte eine Veröffentlichung von Reuters, dass die Verpflichtungen einiger europäischer Finanzinstitute, ihre Zielvorgaben wissenschaftlich zu fundieren, von der Webseite der Science-Based Target Initiative (SBTi) gestrichen wurden. Dieser Schritt folgte auf die Entscheidung der Banken, nach neuen Verlautbarungen der SBTi im Juni 2023 ihre zuvor gemachten Zusagen aufzugeben. Die genauen Beweggründe für das Entfernen der Namen dieser Banken von der SBTi-Plattform bleiben ohne formale Erklärungen der involvierten Parteien verborgen. Dieses Ereignis spiegelt die bestehende Schwierigkeit im Bankenwesen wider, eine Einigung über vereinheitlichte Standards und detaillierte Kriterien zu finden, die das eigene Geschäft mit den anspruchsvollen Klimazielen in Einklang bringen. Die Mitgliederanzahl der Net Zero Banking Alliance (NZBA), die sich zum Ziel der Netto-Null-Emissionen bekennen, stieg kontinuierlich und erreichte im Januar 2024 insgesamt 141 Banken, verglichen mit 29 Gründungsmitgliedern. Die Entwicklung entsprechend ausgerichteter Regelwerke wird daher zunehmend zentral, um die Branche von symbolischen Versprechungen hin zur Umsetzung substanzieller Maßnahmen zu führen, wie etwa das Definieren von anspruchsvollen, wissenschaftlich basierten Zielen und die Einführung von sinnvollen Ausschlusskritieren.

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Zu viele Köche verderben den Brei?

Es gibt eine Vielzahl von Initiativen, welche Leitlinien zur Definition von Klimazielen für den Bankensektor bereitstellen, darunter der Net Zero Standard for Banks der Institutional Investors Group on Climate Change (IIGCC), die NZBA-Richtlinien für die Zielsetzung im Klimabereich für Banken, der Entwurf des SBTi Financial Institutions Net Zero Standards sowie der ACT Finance Entwurf. Trotz ihres jeweiligen spezifischen Nutzens bereitet die fehlende Abstimmung in Schlüsselaspekten, wie der Festsetzung von wissenschaftlich fundierten Zielen, die mit Netto-Null-Ambitionen harmonieren, den Vermögensverwalter Sorge.

Ein spezifisches Beispiel für die Disharmonie zwischen den Initiativen zeigt sich im Umgang mit Richtlinien zu fossilen Brennstoffen: Während diese in den Entwurfsstandards zum Netto-Null-Ziel der SBTi ausdrücklich berücksichtigt werden, fehlt eine solche Erwähnung in den Richtlinien der NZBA. Die NZBA-Richtlinien stehen dabei in der Kritik, infolge eines vermeintlich nachsichtigen Vorgehens bei der Finanzierung fossiler Energieträger, sowohl von internen als auch von externen Interessengruppen unter Beschuss. Diese Unzulänglichkeit führte dazu, dass einige Mitglieder die Allianz verließen oder drohten auszutreten, sollten nicht verschärfte Maßnahmen in diesem Bereich eingeführt werden.

Diverse Programme, die zur Gestaltung und Einschätzung von Klimaschutzstrategien und zugehörigen wissenschaftlich fundierten Zielen beitragen, können grundsätzlich von hohem Wert sein. Allerdings könnte die mangelnde Einigkeit in fundamentalen Vorgaben dazu führen, dass Initiativen mit weniger strikten Anforderungen bevorzugt werden, was im Widerspruch zu den dringlichen Erfordernissen der Klimakrise steht. Eine genauere Betrachtung der führenden 60 Finanziers fossiler Energien seit Januar 2024 offenbart, dass etwa 70 Prozent der Mitglieder der NZBA angehören, jedoch sich weniger als 20 Prozent dem SBTi-Rahmen verpflichtet haben oder Ziele etabliert haben, die den SBTi-Kriterien entsprechen.

Den weniger befahrenen Weg einschlagen...

Für die Entwicklung klimabezogener Richtlinien ist eine kooperative Herangehensweise unter den diversen Initiativen, gepaart mit einer konsequenten Ausrichtung auf wissenschaftliche Zielsetzungen, unerlässlich. Besorgniserregend wäre es, sollten einzelne Programme zu Gunsten der Industrieinteressen von etablierten wissenschaftlichen Standards abweichen. So weist die aktuellste Fassung des SBTi-Leitfadens für den Finanzsektor nicht mehr darauf hin, dass Finanzunternehmen von Energiekonzernen fordern sollten, den Ausbau fossiler Brennstoffe zu stoppen und die Produktion in Übereinstimmung mit zugelassenen Pfaden zur Einhaltung des 1,5 Grad Celsius-Ziels zu reduzieren oder einzustellen. Diese spezifische Anforderung war im früheren Regelwerksentwurf explizit enthalten. Auf Kritik diesbezüglich antwortete die SBTi, dass die Anpassung des Leitfadens nicht auf Bankenlobbyismus zurückzuführen sei.

Zahlreiche Faktoren tragen dazu bei, dass eine einheitliche Linie in Bezug auf Klimaschutzrichtlinien im Bankenwesen nicht einfach zu erreichen ist. Unter anderem könnte das Fehlen einer breiten internationalen Rückendeckung eine Rolle spielen. Obgleich Banken eine Schlüsselrolle in der Finanzierung des Übergangs zu einer wirtschaftlichen Netto-Null bekleiden, ist es unabdingbar, dass sich Unterstützungsmaßnahmen von Seiten der Stakeholder – wie Regierungen und Aufsichtsbehörden – in klar definierten Rahmenbedingungen manifestieren. Als Beleg hierfür lassen sich die Beschlüsse der COP28 heranziehen, die einen global konsentierten Wechsel von fossilen Brennstoffen beschlossen haben statt eines direkten Ausstiegs. Dies bedeutet, dass die Nationen in der Festlegung ihres Wegs zur Netto-Null-Wirtschaft autonom sind und kurzfristig keine signifikanten Änderungen von Öl- und Gasproduzenten zu erwarten sind. Banken, die sich eher anpassbaren Richtlinien zuwenden, folgen damit der Linie der UN-Klimakonferenzen und entwickeln wahrscheinlich Netto-Null-Übergangskonzepte, die gewisse Defizite aufweisen. Um eine strengere Haltung zu forcieren, wären eine Veränderung der Diskursausrichtung bei zukünftigen COP-Verhandlungen und eine verstärkte Unterstützung durch alle involvierten Akteure notwendig.

Die Bedeutung einer unparteiischen Begutachtung der Übergangsstrategien und festgelegten Ziele darf nicht unterschätzt werden. Erfahrungen aus dem Markt zeigen, dass ohne rigide Kriterien und neutrale Kontrollen oft eine Verantwortungslücke und ein Defizit an tatsächlichem Einsatz entstehen können. Dies wird im jüngsten Bericht der NZBA deutlich, in dem es beispielsweise heißt: „Aus verschiedenen Gründen haben einige Mitglieder ihre Ziele auf Szenarien gestützt, die auf höhere Temperaturen (als 1,5 Grad Celsius) abzielen, was nicht mit der NZBA-Verpflichtung vereinbar ist“.

2024 könnte ein entscheidendes Jahr sein, in dem einheitlichere Leitlinien für den Bankensektor entwickelt werden. Um diesen Meilenstein zu erreichen, müssten mehrere Initiativen, von denen erwartet wird, dass sie wichtige Entwicklungen ankündigen, ein gemeinsames Vorgehen unterstützen:

  1. Es wird antizipiert, dass die Science-Based Targets Initiative (SBTi) bald ihre endgültigen Richtlinien für kurz- und langfristige Klimaziele bekannt geben wird. Im Anschluss daran sollen jene Banken und Finanzinstitute, die sich zum SBTi-Ansatz bekennen, innerhalb einiger Monate nach dieser Veröffentlichung ihre spezifischen Zielsetzungen darlegen.

  2. Die NZBA wird voraussichtlich ihre Kriterien überprüfen und die Rechenschaftspflicht der Mitglieder stärken.

  3. Es wird erwartet, dass zukünftig frische Ansätze, wie die von der französischen Umweltagentur (ADEME) ins Leben gerufene ACT-Finance-Methodik, ihren Weg in die Praxis finden werden.

  4. Man prognostiziert, dass Zentralbanken und aufsichtsrechtliche Institutionen, insbesondere in Europa, sich intensiver mit den Risiken auseinandersetzen werden, die sich für Banken im Zuge ihres Übergangs zu nachhaltigeren Praktiken ergeben. Neue Vorgaben in Bezug auf Basiskriterien und standardisierte Verfahren zur Erfassung, Bewertung, Steuerung und Kontrolle von Umweltrisiken, sozialen Aspekten und Unternehmensführung (ESG) bei Finanzinstituten könnten im Zuge dessen entwickelt werden und somit zur Definition von ambitionierteren Zielen beitragen.


Nachhaltigkeitsbewusste Anleger legen großen Wert auf die Schaffung zuverlässiger Werkzeuge, die es ihnen ermöglichen, die ambitionierten Umgestaltungsstrategien des Bankensektors eingehend zu prüfen, Entwicklungspotenziale aufzudecken und in Kooperation zur Förderung bewährter Verfahren im Markt beizutragen.

Quelle: UD/pm
 

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