Große Mehrheit der Unternehmen rückt Nachhaltigkeit ins Zentrum
Unternehmen arbeiten mit Hochdruck daran, Daten über ihre Nachhaltigkeit und ihren Klimafußabdruck zu erheben. 67 Prozent erkennen darin die Chance, die eigene Organisation weiterzuentwickeln. Bereit für diese neuen Pflichten fühlt sich jedoch nur gut ein Drittel der Unternehmen. Diese und weitere Ergebnisse gehen aus dem Sustainability Transformation Monitor 2024 hervor.
01.02.2024
Unternehmen professionalisieren ihr Nachhaltigkeitsmanagement zunehmend. Es geht nicht mehr um die Frage des „Ob“, sondern des „Wie“. Denn trotz multipler Krisen ist das Thema Nachhaltigkeit für mehr als drei Viertel wichtiger oder viel wichtiger geworden, für mehr als die Hälfte der Unternehmen ist es bereits zentraler Teil der Unternehmensstrategie.
Allerdings sieht sich nur etwas mehr als ein Drittel der Unternehmen der Aufgabe gewachsen, den regulatorischen Anforderungen zur Nachhaltigkeit nachzukommmen, die der Gesetzgeber ab diesem Jahr sukzessive 15.000 Unternehmen auferlegt. Der Wert schwankt stark in Abhängigkeit davon, ob Unternehmen in der Vergangenheit bereits über Nachhaltigkeit berichtet haben, und wann sie von der Berichterstattungspflicht zur Nachhaltigkeit (CSRD) betroffen sind.
Überwiegende Mehrheit erkennt Mehrwert der Berichterstattung zur Nachhaltigkeit
Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen (67 Prozent) erkennt jedoch in der erweiterten Berichterstattung einen Mehrwert für die Weiterentwicklung der eigenen Organisation sowie eine größere Transparenz für Stakeholder. 80 Prozent der Befragten und damit acht Prozent mehr als im Vorjahr bestätigen, dass das Thema beim Vorstand verankert ist. In 54 Prozent der Unternehmen der Realwirtschaft ist Nachhaltigkeit zudem als strategisches Ziel festgeschrieben. „Unser Sustainability Transformation Monitor zeigt, dass Nachhaltigkeit viel stärker in den Fokus der Unternehmen gerückt ist. Es geht voran, vor allem die regulatorische Architektur scheint zu wirken. Aber es gibt keinen Grund, sich auf dem Erreichten auszuruhen“, sagt Jakob Kunzlmann, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung. An der Befragung haben sich Nachhaltigkeitsverantwortliche aus 362 Unternehmen beteiligt, davon gut 270 aus Unternehmen der Realwirtschaft und mehr als 90 aus Unternehmen der Finanzwirtschaft.
Zukünftige Arbeitnehmer:innen, die Klimakrise und die Energiepreise sind wichtige Treiber
„Der Klimawandel ist das größte Risiko für unser Wirtschafts- und Finanzsystem. Klimaschutz muss daher als zentrales Ziel bei Investitionsentscheidungen integriert werden. Für die Realwirtschaft ist dies eine strategische Notwendigkeit“, erklärt Philipp Wesemann, Klimaschutz-Experte bei der Stiftung Mercator. Immerhin die Hälfte der befragten Banken berücksichtigten bei der Kreditvergabe und der Festlegung der Zinssätze Nachhaltigkeitskriterien. „Und die Unternehmen registrieren, dass der Einsatz für mehr Nachhaltigkeit ihre Arbeitgebermarke stärkt.“
Denn zukünftige Arbeitnehmer:innen werden in der Realwirtschaft von gut der Hälfte der Befragten „eher als Treiber“ wahrgenommen, 16 Prozent empfinden sie als starken Treiber. „Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels und der gestiegenen Ansprüche von potenziellen Mitarbeitenden an die Nachhaltigkeit ihrer Arbeitgeber können es sich Unternehmen oft nicht leisten, das Thema zu ignorieren“, kommentiert Laura Marie Edinger-Schons, Professorin für nachhaltiges Wirtschaften an der Universität Hamburg und Chief Sustainability Officer der Hochschule. „Der Wettbewerb um die besten jungen Köpfe ist also ein stärkerer direkter Treiber der Nachhaltigkeit in den Unternehmen als Klimaaktivismus auf der Straße.“
Zwar nehmen die Blockaden von Klimaaktivist:innen in der öffentlichen Wahrnehmung breiten Raum ein. Laut der Befragten werden die Aktionen dennoch selten als direkter Treiber der Nachhaltigkeitsaktivitäten der Unternehmen wahrgenommen. Nur fünf Prozent der Befragten in der Realwirtschaft sagen, die Aktivist:innen seien ein „starker“ Treiber für ein nachhaltigeres Wirtschaften.
Allerdings spielen nicht nur menschliche Akteur:innen eine wichtige Rolle als Treiber oder Bremser. Neben dem Klimawandel (83 Prozent) sind auch die gestiegenen Energiepreise entscheidend als Treiber in Richtung Nachhaltigkeit. Das sagen 60 Prozent der Befragten aus der Realwirtschaft. Gleichzeitig nennen 54 Prozent der Befragten das Thema Inflation als zentrales Hemmnis für die Transformation.
Sustainable Finance: Potenzial der Transformationsfinanzierung nicht ausgeschöpft
Der Finanzwirtschaft kommt in der Nachhaltigkeitstransformation eine wichtige Steuerungsfunktion zu. Wenn Gelder verstärkt nach Nachhaltigkeitskriterien vergeben werden, sinken die Möglichkeiten der Kapitalaufnahme beziehungsweise steigen die Kapitalkosten für nicht nachhaltige Unternehmen. Aber nur ein Drittel der Unternehmen gibt an, dass Nachhaltigkeit schon eine wichtige Rolle bei der Finanzierung ihrer Organisation spielt. Dem stehen 40 Prozent gegenüber, für die das Thema noch eher unwichtig ist. Das könnte sich in Zukunft ändern. Denn den Investitionsbedarf zur Finanzierung der Transformation sehen die Unternehmen als hoch an. Mehr als die Hälfte geht davon aus, dass ihr Unternehmen dabei auf Fremdkapital angewiesen sein wird.
Die Relevanz von Nachhaltigkeit in Finanzierungsgesprächen schätzen Real- und Finanzwirtschaft unterschiedlich ein. Die befragten Banken nehmen das Thema bereits überwiegend als wichtig oder sehr wichtig wahr (78 Prozent), die breite Masse der Realwirtschaft misst dem Thema hingegen noch keine so hohe Bedeutung bei (40 Prozent). Beide Welten sind sich jedoch einig, dass Nachhaltigkeit in der Finanzierung zukünftig weiter an Relevanz gewinnen wird, neben klassischen Kriterien wie Preis und Kreditwürdigkeit. Viele Banken bieten Unternehmen bereits Produkte zur Finanzierung der Nachhaltigkeitstransformation an – die Nachfrage von Seiten der Unternehmen danach ist aber noch verhalten.
Sustainability Transformation Monitor
An der Online-Befragung für den Sustainability Transformation Monitor 2024 (STM) haben sich 362 Unternehmen beteiligt. Das Ziel des STM ist es, die Nachhaltigkeitstransformation der Wirtschaft evidenzbasiert zu begleiten. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem effektiven Zusammenwirken von Real- und Finanzwirtschaft in der Transformation. Er wird jährlich neu aufgelegt. Der STM ist zum zweiten Mal in Kooperation der Bertelsmann Stiftung, der Stiftung Mercator, der Universität Hamburg und der Peer School for Sustainable Development entstanden. Der STM wird von einem breiten Partnernetzwerk unterstützt: dem Rat für Nachhaltige Entwicklung, dem UN Global Compact Netzwerk Deutschland, dem Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft, B.A.U.M., der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance und CRIC.