Verpackungswirtschaft ehrt Klaus Töpfer
Nur wenige Schritte vom Brandenburger Tor entfernt, ehrte das Deutsche Verpackungsinstitut (dvi) auf dem 10. Deutschen Verpackungskongress den ehemaligen Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und heutigen Exekutivdirektor des IASS Institute for Advanced Sustainability Studies Potsdam, Prof. Dr. Klaus Töpfer, mit dem neu geschaffenen „Dieter Berndt Preis“.
09.04.2015
Das Berliner Humboldt Carré war dabei ein durchaus symbolischer Ort, fallen doch zwei der entscheidenden politischen Werke von Klaus Töpfer just in die Zeit der wiedervereinten deutschen Gesellschaft. Und auch der Name Humboldt verbindet über Begriffe wie Natur, Forschung und Lehre sowohl mit dem Preisträger, als auch mit dem Namensgeber des Preises.
In ihrer Laudatio würdigten Thomas Reiner, Vorstandsvorsitzender des dvi, und der Fernsehmoderator und Journalist Normen Odenthal das nachhaltige Wirken von Klaus Töpfer, der 1988 mit der „Verordnung über die Rücknahme und Pfanderhebung von Getränkeverpackungen aus Kunststoffen“ ein Gesetz schuf, das den Begriff der „Produktverantwortung“ etablierte und zum Türöffner für aktive Ressourcen- und Recyclingpolitik wurde. „Es war ein „point of no return“, für den Sie damals nicht nur Applaus erhielten, der aber als echte Pionierleistung einen Weg öffnete, der bis heute alternativlos ist.“, so Odenthal.
Am 12. Juni 1991 wurden dann die 14 Paragrafen der „Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen“ vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Die Verantwortung für die Entsorgung von Verpackungen wurde durch das Gesetzt in die Hände von Herstellern und Vertreibern gelegt. Thomas Reiner verwies in diesem Zusammenhang auf den jüngst verabschiedeten Gesetzentwurf der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks für eine Reform des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes.
„Die Verpackung war hier schon sehr früh ein Pionier.“, so der dvi-Vorsitzende. „Sie übernimmt dazu sehr oft die Funktion eines Leuchtturms, gerade auch in Umweltfragen. Obwohl sie nur rund ein Prozent des gesamten CO2-Fußabdrucks und nur rund vier Prozent des deutschen Abfalls ausmacht, wird sie bevorzugt wahrgenommen und diskutiert, was daran liegen mag, dass sie jeder Bürger jeden Tag vielfach in den Händen hält und benutzt.“
1994 folgte das „Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen“, dass zusammen mit der EG-Verpackungsrichtlinie von 1994, deren Vorbereitung ebenfalls noch in die Amtszeit von Töpfer fiel und den Grundstein für eine Kreislaufwirtschaft legte.
Nur das Erinnern ist fruchtbar, das daran erinnert, was noch zu tun ist
In seiner Rede ging Töpfer auf die Situation vor 25 Jahren ein, bevor er einen Ausblick auf die anstehenden Aufgaben gab, die angesichts einer Welt mit neun Milliarden Menschen mit unveränderter Dringlichkeit vor uns liegen. „Nur das Erinnern ist fruchtbar, das daran erinnert, was noch zu tun ist, zitierte das Mitglied der „Earth Hall of Fame“ von Kyoto dabei den Philosophen Ernst Bloch.
Töpfer zeigte sich gleichsam erfreut und überrascht, dass „Sie den ersten Dieter Berndt Preis an den gelben Sack verleihen. Hätte mir jemand vor 25 Jahren gesagt, ich würde als erster Preisträger just von der Verpackungswirtschaft geehrt, hätte ich ihn wegen nachgewiesener Gedankenschwäche untersuchen lassen.“ Töpfer erinnerte an die Situation Anfang der 90er Jahre, als es „quasi unmöglich war, auf lokaler Ebene eine neue Deponie oder eine Müllverbrennungsanlage durchzusetzen.
Aber die Müllberge wuchsen weiter an. Wir waren auf direktem Weg zu neapolitanischen Verhältnissen.“ Es musste also etwas geschehen. Und dieses „etwas“ war die Kreislaufwirtschaft. „Einer denkt es sich aus, einer produziert es, einer verkauft es, einer verbraucht es - und niemand denkt an das, was übrig bleibt. Aber so funktioniert das nicht.“, so Klaus Töpfer. „Natürlich stellte die Idee einer Kreislaufwirtschaft etablierte Markt- und Businessmodelle in Frage - und die Reaktion war entsprechend. Inzwischen ist die Kreislaufwirtschaft ein Exportschlager geworden. Sie schafft neue Marktsegmente und einen neuen Wettbewerb. Heute streiten sich alle um diese sogenannten „Abfälle“. Es ist ein neues Business Case geworden.“
Kreislaufwirtschaft, erneuerbare Rohstoffe und Sharing Economy: „Es wird noch vieles zu tun sein in einer Welt mit neun Milliarden Menschen, die noch dazu nicht gleichmäßig verteilt sind.“, erinnerte Klaus Töpfer die Kongressteilnehmer und nahm sie in die Verantwortung: „Wer sonst als ein technologisch führendes Land mit wirtschaftlicher Stabilität sollte anfangen, Dinge zu verändern? Wir müssen Vorreiter sein!“
Lebensretter und Versorger
Thomas Reiner nahm in seinem Vortrag den Faden auf: „Man kann Bedenken haben“, so der dvi-Vorstandsvorsitzende, „aber man muss das Bewusstsein wandeln. Bedenkenlos aus dem Vollem schöpfen ist keine Option.“ Reiner hob in der Folge die Bedeutung der Verpackung für unsere Gesellschaft hervor und forderte die Kongressteilnehmer auf, ihre Leistungen selbstbewusster nach außen zu tragen. „Wir sollten nie vergessen, wofür Verpackungen da sind.“, so Reiner.
„Sie bewahren Lebensmittel und sind ein entscheidendes Mittel im Kampf gegen den Hunger - gerade in den sich entwickelnden Ländern. Aber auch uns selbst garantiert die Verpackung die Versorgung mit dem, was wir täglich für unser Leben benötigen. Unsere Fortschritte in Sachen Hygiene, medizinische Versorgung, wachsende Lebenserwartung aber auch Wohlstand und Lebensfreude wären ohne die Verpackung nicht möglich. Verpackung ist Hightech und eines der hochentwickeltsten Industrieprodukte. Sie ist fundamental und wie Straßen und Strom ein unverzichtbarer Teil unserer Infrastruktur.“
Mit über 5.000 Unternehmen, die alleine in Deutschland an unseren Verpackungen arbeiten und damit rund zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften, stellt die Verpackungswirtschaft auch ökonomisch einen bedeuteten Faktor dar. Mehr als 400.000 Menschen arbeiten in einer Branche, deren Produkte bereits heute zu über 70 Prozent wiederverwertet werden.
„Dabei übernimmt die Verpackung bei sinkendem Ressourcenverbrauch immer mehr Funktionen, sei es im Bereich Transport und Logistik, beim Schutz vor Produktfälschungen, als Informationsmedium für Verbraucher oder als flexibler, verantwortungsbewusster Dienstleister für eine Gesellschaft im demografischen Wandel.“ so Reiner. „Allein bei den eingesetzten Materialien belaufen sich die Einsparungen der letzten zehn Jahre im Bereich Glasflaschen auf 40 Prozent, bei Dosen und PET-Flaschen sogar auf 50 Prozent.“
Der dvi-Vorstandsvorsitzende forderte die Branche auf, Nachhaltigkeit verstärkt ganzheitlich anzugehen, da sie noch zu oft als reines Kostenthema gesehen werde. Trotz bedeutender Entwicklungen im Ressourcenverbrauch oder bei Innovationen in den Bereichen Restentleerbarkeit und umweltverträglicher Materialien müssten die Akteure jetzt verstärkt auch die Prozesse angehen und im sozialen Bereich unternehmerisch aktiv werden. „Dinge aufschieben ist keine Lösung. Wir wollen es jetzt angehen!“, so Reiner.
Dieter Berndt Preis
Ein Anspruch, den sich auch der Namensgeber des neuen Preises Zeit seines Lebens selber gestellt hatte. Prof. Dieter Berndt (1938-2013) war als Gründer, Hochschullehrer, Nachwuchsförderer und Impulsgeber eine der prägenden Figuren der deutschen Verpackungswirtschaft. Neben dem ersten Studiengang für Verpackungstechnik an der heutigen Beuth Hochschule für Technik Berlin und dem Verpackungsmuseum in Heidelberg gründete Dieter Berndt auch das Deutsche Verpackungsinstitut. Im Vorfeld der ersten Verpackungsverordnung 1991 gehörte er zum Beraterteam von Töpfer. Seine Erfahrungen und Impulse aus dem ersten persönlichen Zusammentreffen hatten Berndt 1990 zur Gründung des dvi veranlasst, das als Netzwerk für Dialoge und den Austausch von Informationen 2015 rund 220 Unternehmen der Verpackungswirtschaft umfasst und sein 25jähriges Jubiläum feiert.
„Mit dem Dieter Berndt Preis möchte das Deutsche Verpackungsinstitut das ideelle Erbe seines Gründers bewahren und fortsetzen.“, sagt Reiner. „Der Preis würdigt Protagonisten, die wichtige und nachhaltige Entwicklungen initiieren, tragen und stützen sowie entscheidende Werte und Errungenschaften bewahren und schützen. Pioniere, die zum gesellschaftlichen Nutzen Verantwortung übernehmen. Menschen, mit hoher sozialer Kompetenz nachfolgende Generationen fördern und Wegbereiter, die die Belange der Verpackung und der Verpackungswirtschaft zu ihrem Thema machen und zum Wohle des Ganzen umsetzen.“