James Dyson Award 2020: internationale Preisträger
2020 war ein Rekordjahr für den James Dyson Award, durch den nun bereits 250 vielversprechende Erfindungen von jungen Ingenieuren auf der ganzen Welt finanziell gefördert wurden. Trotz der Umstände wurden in diesem Jahr mehr Beiträge als je zuvor eingereicht.
19.11.2020
Die Qualität der Beiträge war dabei außergewöhnlich hoch, was den Einfallsreichtum junger Erfinder unterstreicht. Die beiden Preisträger, die jeweils 35.000 Euro erhalten, gehen Probleme von globaler Bedeutung an: Frauen, die Brustkrebsvorsorgeuntersuchungen verpassen, und die Entwicklung nachhaltiger Methoden zur effektiven Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen.
Gewinner:
The Blue Box gewinnt den internationalen James Dyson Award 2020. Das von der 23-jährigen Judit Giró Benet erfundene Gerät bietet nach Einschätzung von Frau Benet eine neue Möglichkeit zur Brustkrebsfrüherkennung zu Hause mithilfe einer Urinprobe.
AuREUS System Technology gewann den im Rahmen des James Dyson Awards 2020 erstmalig verliehenen Nachhaltigkeitspreis. Entwickelt wurde die Technologie vom 27-jährigen Carvey Ehren Maigue. Es handelt sich dabei um ein neues Material, das aus Ernteabfällen hergestellt wird und UV-Licht in Energie umwandelt.
Zweitplatzierte:
The Tyre Collective ist ein Gerät, das Reifenabriebpartikel am Rad eines Fahrzeugs auffängt, um sie für zukünftige Anwendungen zu recyceln. Ein Team von Studierenden der Imperial University und des Royal College of Art in Großbritannien entwickelte das Gerät.
Scope, das von Studierenden der Universität von Waterloo in Kanada entwickelt wurde, ist ein neuartiges Objektiv mit Flüssigkristallen, das einen verlustfreien Kamera-Zoom ermöglicht.
Sir James Dyson kommentierte den James Dyson Award 2020 wie folgt:
„Junge Menschen wollen die Welt verändern, und die Ingenieure, Wissenschaftler und Designer, die am James Dyson Award teilnehmen, zeigen, dass dies auch möglich ist. Es wurde eine wachsende Zahl von Ideen in den Bereichen Gesundheitsfürsorge und Nachhaltigkeit eingereicht, und es schien uns widersinnig, zwischen solch edlen Ideen zu wählen. Also haben wir in diesem Jahr zwei Preise vergeben, um zwei gleichermaßen würdige Erfindungen zu unterstützen. Judit und Carvey sind zwei beeindruckende Persönlichkeiten, die bedeutende Durchbrüche erzielt haben. Wir hoffen, dass sie den James Dyson Award als Sprungbrett für zukünftige Erfolge nutzen können.
Internationaler Gewinner – The Blue Box, entwickelt von Judit Giró Benet
Das Problem
Die internationale Gewinnerin des James Dyson Award wurde durch die Brustkrebsdiagnose ihrer Mutter inspiriert. Judit Giró Benet hat erkannt, dass ein weltweiter Bedarf an einem einfachen und zugänglichen Früherkennungsverfahren für Brustkrebs besteht. Gegenwärtig erfordert die Früherkennung grundsätzlich, dass Frauen Krankenhäuser oder medizinische Einrichtungen aufsuchen und sich einem invasiven, manchmal schmerzhaften und oft kostspieligen Verfahren unterziehen müssen.
Die Lösung
Die Blue Box, erfunden von Judit Giró Benet aus dem spanischen Tarragona, ist ein biomedizinisches Brustkrebs-Testgerät für zu Hause, das eine Urinprobe und einen KI-Algorithmus verwenden soll, um frühe Anzeichen von Brustkrebs zu erkennen. Das Gerät soll Frauen eine nichtinvasive, schmerz- und strahlungslose, kostengünstige Methode zur regelmäßigen Brustkrebsvorsorge zu Hause eröffnen.
Das Gerät führt nach den Ausführungen von Frau Benet eine chemische Analyse von Urinproben durch und sendet die Ergebnisse an die Cloud. Dort reagiert der KI-basierte Algorithmus auf spezifische Stoffwechselprodukte im Urin und liefert dem Anwender schnell eine Diagnose. Das Gerät ist mit einer App verbunden, die die gesamte Kommunikation mit dem Benutzer steuert und ihn bei einem positiven Testergebnis sofort mit einer medizinischen Fachkraft in Kontakt bringt.
Die nächsten Jahre sind für Judit Giró Benet von entscheidender Bedeutung, da sie und ihr Team an der University of California Irvine auf die letzten Phasen der Entwicklung von Prototypen und Datenanalysesoftware hinarbeiten wollen, um das Gerät für klinische Studien mit Menschen bereit zu machen. Zudem stehen wichtige Patentanmeldungen an.
Giró Benet äußerte sich zum Gewinn des Preises wie folgt: „The Blue Box hat das Potenzial, die Brustkrebsvorsorge zu einem Teil des täglichen Lebens zu machen. Sie kann die Art und Weise der Brustkrebsbekämpfung in der Gesellschaft ändern und dafür sorgen, dass Frauen Krebsdiagnosen im fortgeschrittenen Stadium vermeiden. Der Tag, an dem mich James Dyson über den Gewinn des internationalen Preises informierte, war für mich ein echter Wendepunkt, denn mit dem Preisgeld kann ich umfassendere Patentanmeldungen vornehmen und Forschung und Softwareentwicklung an der University of California Irvine vorantreiben. Aber vor allem hat mir die Tatsache, dass er an meine Idee glaubt, in dieser entscheidenden Phase das nötige Selbstvertrauen gegeben.“
James Dyson, Gründer und Chief Engineer von Dyson, sagte: „Leider habe ich die schrecklichen Auswirkungen von Krebs aus erster Hand miterlebt. Als Wissenschaftler und Ingenieure sollten wir alles tun, was in unserer Macht steht, um diese furchtbare Krankheit zu überwinden. Judit kombiniert Hardware, Software und KI in beeindruckender Weise, um ein gut durchdachtes Produkt zu schaffen, das die Krebsfrüherkennung zu einem Teil des täglichen Lebens machen könnte. Die Daten, die The Blue Box sammelt und in der Cloud speichert, werden neue Erkenntnisse liefern, die zu präziseren Therapien und einem besseren Verständnis von Krebs führen werden. Sie verdient jede mögliche Unterstützung, um durch die komplexen medizinischen Zulassungsprozesse zu navigieren.“
- Laut dem Center for Disease Control and Prevention gehen 40 Prozent der Frauen nicht zur Brustkrebsvorsorgeuntersuchung, wodurch jeder dritte Fall zu spät erkannt und Überlebenschancen verringert werden. 41 Prozent derjenigen Frauen, die nicht zum Mammographie-Screening gehen, geben Schmerzen als Grund an.
- Breast Cancer Now, die führende britische Wohltätigkeitsorganisation für Brustkrebs, weist darauf hin, dass in Großbritannien fast eine Million Frauen aufgrund von COVID-19 das potenziell lebensrettende Brustscreening verpasst haben.
- Die American Cancer Society prognostiziert, dass 2020 der Anteil von Brustkrebs an allen Krebsdiagnosen in den USA 30 Prozent betragen wird.
Gewinner des Preises für Nachhaltigkeit – AuREUS System Technology von Carvey Ehren Maigue
Das Problem
Erneuerbare Energiequellen wie Wind und Sonne sind nur unter ganz bestimmten Umweltbedingungen verfügbar und können daher nicht kontinuierlich genutzt werden. Solarkollektoren können nur sichtbares Licht einfangen und in erneuerbare Energie umwandeln. Außerdem müssen sie dazu der Sonne zugewandt sein. Gegenwärtige Solarparks werden nur horizontal, nie vertikal gebaut und oft auf erstklassigem Ackerland platziert, was bedeutet, dass das Land nicht für den Anbau von Feldfrüchten genutzt werden kann. Und das, obwohl Tausende Fenster und andere Oberflächen zur Gewinnung von Solarenergie verwendet werden könnten.
Die Lösung
Der erste Gewinner des Preises für Nachhaltigkeit im Rahmen des James Dyson Awards stellt sich der Herausforderung, mithilfe aufgewerteter Abfälle effektiver erneuerbare Energie aus Licht zu erzeugen.
AuREUS, das von Carvey Ehren Maigue von der Mapua University in Manila (Philippinen) entwickelt wurde, ist ein Material, das sich an bestehenden Strukturen und Oberflächen anbringen lässt, UV-Licht sammelt und es in sichtbares Licht umwandelt. Mit dem Material lässt sich Energie auf eine Weise erzeugen, wie es mit herkömmlichen Solarkollektoren nicht möglich ist. Unabhängig davon, ob die Sonne scheint oder es bewölkt ist, erzeugt das Material Energie, da die darin enthaltenen Partikel UV-Licht absorbieren und dadurch glühen. Während die Partikel „ruhen“, entfernen sie überschüssige Energie dann in Form von sichtbarem Licht aus dem Material. Dieses wird dann in Strom umgewandelt. AuREUS hat das Potenzial, mehr Sonnenenergie in erneuerbare Energie umzuwandeln als herkömmliche Sonnenkollektoren und kann auch dann voll funktionieren, wenn es dem Sonnenlicht nicht direkt ausgesetzt ist. Aktuelle Tests haben ergeben, dass sich mit dem System in 48 Prozent der Zeit Strom erzeugen lässt, im Vergleich zu zehn bis 25 Prozent bei herkömmlichen photovoltaischen Zellen.
Die Philippinen sind häufig von schweren Unwettern betroffen, was dazu führen kann, dass Bauern einen großen Teil ihrer Ernte verlieren. Statt diese Pflanzen verrotten zu lassen, hatte es sich Carvey Ehren Maigue zum Ziel gesetzt, sie als UV-absorbierende Verbindung für sein Substrat zu verwenden. Unter den 80 von ihm getesteten verschiedenen Arten lokaler Nutzpflanzen fand er neun, die ein hohes Potenzial für eine langfristige Nutzung aufwiesen. Das Substrat ist haltbar, lichtdurchlässig und kann in verschiedene Formen gegossen werden. Carvey Ehren Maigue sucht zudem bereits nach Möglichkeiten, das Material neben Fenstern und Wänden auch auf anderen Oberflächen anzubringen, zum Beispiel auf Autos, Booten und Flugzeugen.
„Es ist beeindruckend, wie sich Ernteabfälle mit AuREUS auf nachhaltige Weise wiederverwerten lassen; besonders beeindruckt bin ich jedoch von Carveys Entschlossenheit und Hartnäckigkeit. Nachdem er es 2018 nicht über den nationalen Wettbewerb hinaus geschafft hat, ist er am Ball geblieben und hat seine Idee weiterentwickelt – das ist eine wichtige Charaktereigenschaft auf dem langen Weg zur Kommerzialisierung. Ich wünsche ihm viel Erfolg, denn als Landwirt war ich schon immer besorgt darüber, dass fruchtbares Ackerland mit Photovoltaikzellen bedeckt wird. Carveys Erfindung zeigt auf überzeugende Weise, dass sich saubere Energie auf bestehenden Strukturen in Städten – wie zum Beispiel Fenstern – erzeugen lässt", so James Dyson, Gründer und Chief Engineer von Dyson.
Mit Hartnäckigkeit zum Ziel
Carvey Ehren Maigue hatte seine Idee bereits im Rahmen des James Dyson Award 2018 vorgestellt, schaffte es jedoch nicht bis in die Preisvergabephase. Zum damaligen Zeitpunkt konnte seine Technologie nur auf Fenstern angewendet werden und als Hauptinhaltsstoff des Substrats wurde eine chemische Verbindung verwendet. Nach weiteren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu neuen Anwendungsbereichen und zur Verwendung von aufgewerteten Ernteabfällen ist Carvey Ehren Maigue zwei Jahre später der erste Gewinner des Nachhaltigkeitspreises des James Dyson Awards. Seine Entschlossenheit, seine Idee weiterzuentwickeln und von Rückschlägen zu lernen, spiegelt James Dysons Einstellung zum Scheitern wider – nämlich, dass es einen wichtigen Schritt im Entwicklungsprozess darstellt.
Nach einem Gespräch mit James Dyson sagte Carvey Ehren Maigue: „Der Gewinn des James Dyson Awards ist sowohl ein Anfang als auch ein Ende. Er ist das Ende von Jahren des Zweifelns, ob meine Idee weltweit von Relevanz sein könnte. Gleichzeitig markiert er den Anfang einer Reise mit dem Ziel, AuREUS endlich in die Welt zu bringen. Ich möchte erneuerbare Energiequellen besser ausnutzen mit einer Technologie, die die natürlichen Ressourcen der Erde nutzt, nah am Leben der Menschen ist und letztlich zu einer nachhaltigen Zukunft führt.“
- Fossile Brennstoffe machen nach Angaben der Internationalen Energieagentur weiterhin über 81 Prozent der globalen Energieerzeugung aus.
- Es wird geschätzt, dass die weltweiten Vorräte an Gas und Öl bis 2060 erschöpft sein werden, wenn wir weiterhin fossile Brennstoffe im derzeitigen Tempo verbrennen. Zugängliche und effektive saubere, erneuerbare Alternativen müssen daher Vorrang haben.
- Sonnenkollektoren können je nach Standort, Ausrichtung und Wetter 15 bis 22 Prozent der Sonnenenergie in nutzbare Energie umwandeln.
Zweitplatzierte beim internationalen James Dyson Award
Scope – Ishan Mishra, Holden Beggs, Zhen Le Cao, Fernando J. Pena Cantu, Alisha Bhanji von der University of Waterloo in Canada.
Das Problem: Handykameras sind nicht in der Lage, qualitativ hochwertige Fotos zu produzieren, wenn herangezoomt wird, da die Objektive keinen optischen Zoom verwenden, der bei herkömmlichen Kameras verwendet wird.
Die Lösung: Scope verwendet in einer Zelle eingeschlossene Flüssigkristalle. Wenn Spannungen an die Kristalle angelegt werden, kann die optische Wellenfront des Objektivs ohne physische Bewegung dynamisch geformt werden, wodurch ein verlustfreier Kamera-Zoom ermöglicht wird.
The Tyre Collective – Siobhan Anderson, Hanson Cheng, M Deepak Mallaya und Hugo Richardson vom Masterstudiengang „Innovation Design Engineering“ (MA/MSc) am Imperial College London und am Royal College of Art in Großbritannien.
Das Problem: Jedes Mal, wenn ein Fahrzeug bremst, beschleunigt oder in eine Kurve einbiegt, verschleißen die Reifen und winzige Partikel werden in die Luft geschleudert, wodurch allein in Europa jährlich eine halbe Million Tonnen Reifenpartikel entstehen. Diese Partikel sind klein genug, um in der Luft zu schweben, und können sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Sie machen bis zu 50 Prozent der PM2.5-Luftverschmutzung durch den Straßenverkehr aus und werden bis 2030 für zehn Prozent der gesamten PM2.5-Emissionen verantwortlich sein. Weitere Partikel werden in die Wasserwege und Ozeane gespült und gelangen schließlich in die Nahrungskette.
Die Lösung: The Tyre Collective hat zum Ziel, diese unsichtbare Luftverschmutzung zu reduzieren, indem Reifenpartikel an der Quelle abgefangen werden. Das von dem Team entwickelte Gerät wird am Rad angebracht und nutzt elektrostatische Effekte, um Partikel aufzufangen, wenn sie von den Reifen abgegeben werden. Dabei werden die verschiedenen Luftströme genutzt, die durch das sich drehende Rad entstehen. Einmal aufgefangen, können die Partikel recycelt und in neuen Reifen oder anderen Materialien wie Tinte wiederverwendet werden.