Chefinnen im Mittelstand
Die wirtschaftliche Bedeutung frauengeführter mittelständischer Unternehmen ist beträchtlich – aber nach wie vor sind Chefinnen im deutschen Mittelstand unterrepräsentiert. Zu diesem zentralen Ergebnis kommt eine aktuelle Auswertung von KfW Research auf Basis des KfW-Mittelstandspanels.
30.07.2015
Die Studie zeigt: Seit der Jahrtausendwende pendelt der Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen mit weiblicher Führung zwischen 15 und knapp 20 Prozent. Im Jahr 2013 – hierfür liegen die aktuellsten repräsentativen Zahlen vor – erreicht er 19,4 Prozent.
Damit steht zurzeit bei etwa 700.000 Mittelständlern eine Frau an der Spitze. In diesen Unternehmen arbeiten rund vier Millionen Erwerbstätige (14 Prozent aller Beschäftigten im Mittelstand), werden 112.000 junge Menschen ausgebildet (neun Prozent) und wurden im vergangenen Jahr 15 Milliarden Euro in neue und gebrauchte Anlagen und Bauten investiert (acht Prozent). So beeindruckend diese Zahlen auf den ersten Blick sind – im Vergleich zu ihrem Anteil an allen mittelständischen Unternehmen ist das Gewicht der frauengeführten Unternehmen bei diesen Kernindikatoren unterproportional.
Ursache ist der Unternehmenstyp, den Frauen lenken: Fast 60 Prozent der Firmen in weiblicher Hand entfallen auf den Dienstleistungssektor. Dazu gehören etwa Unternehmen aus dem Bereich Pflege oder Aus- und Weiterbildung ebenso wie Anwaltskanzleien, PR-Büros oder Finanz- und Personalberatungen. Unternehmen aus diesen Branchen haben in der Regel weniger Mitarbeiter und erzielen geringere Umsätze als Unternehmen anderer Sektoren wie Bau, Handel und Verarbeitendes Gewerbe.
Im Bereich „Erziehung und Unterricht“ weist fast jedes zweite mittelständische Unternehmen eine Frau an der Spitze auf (46 Prozent), im Gastronomie- und Hotelgewerbe sind es 33 Prozent, im Gesundheits- , Veterinär- und Sozialwesen 30 Prozent. Nur sehr selten frauengeführt sind dahingegen mittelständische EDV-Unternehmen (Chefinnenanteil 0,2 Prozent) oder der Kraftfahrzeughandel (vier Prozent). Gründerinnen bleiben diesem Trend übrigens treu: Auch sie starten bevorzugt Dienstleistungsunternehmen (75 Prozent der Neugründungen laut KfW-Gründungsmonitor). Insgesamt steigt der Frauenanteil bei den Neugründungen seit einigen Jahren. 2014 erreichte er einen Anteil von 43 Prozent an allen Gründungen, bei den Gründungen im Vollerwerb sogar einen Rekordwert von 41 Prozent.
„Eine Ausnahmeerscheinung sind Frauen in den Führungsetagen des Mittelstands nicht mehr, aber unsere Analyse zeigt: Es gibt hier noch einiges aufzuholen“, sagt Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW. „Die steigenden Zahl von Existenzgründungen durch Frauen wird zu einem Zuwachs des Chefinnen-Anteils im Mittelstand führen. Das Gesicht des Mittelstands wird weiblicher. Angesichts des demografischen Wandels ist diese Entwicklung zu begrüßen: Schrumpfende Erwerbsbevölkerung, drohende Fachkräfteengpässe und der bevorstehende Generationswechsel bei den mittelständischen Unternehmer sind deutliche Anreize, wenn nicht gar Zwänge, das Potenzial von Frauen in den Chefetagen stärker zu nutzen als bisher.“