Netzwerken zum Wohl von Wirtschaft und Weltgemeinschaft
Der Global Compact ist die weltweit größte und wichtigste Initiative für unternehmerische Verantwortung und Nachhaltigkeit. Angesichts riesiger Aufgaben wie den UN-Entwicklungszielen und globalen Herausforderungen wie Klimawandel und Ressourcenverknappung kommt es in den nächsten Jahren besonders auf solche Organisationen an. Hier bündeln sich Größe und Glaubwürdigkeit zu einem wichtigen Umsetzungshebel. Wir sprachen darüber mit Marcel Engel, dem neuen Leiter des Deutschen Global Compact Netzwerks.
16.02.2017
UmweltDialog: Hallo Marcel, du bist von der international ausgerichteten Organisation WBCSD zum Deutschen Global Compact Netzwerk (DGCN) gewechselt. Was ist anders? Was ist ähnlich?
Marcel Engel: Beide Organisationen fördern unternehmerische Verantwortung sowie den Beitrag der Wirtschaft zur nachhaltigen Entwicklung entlang der Sustainable Development Goals (SDGs). Dies ist der gemeinsame Nenner. Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass der WBCSD ein von Großunternehmen getragener Verband ist, während das DGCN − als lokales Netzwerk des UN Global Compact − eine von den Vereinten Nationen legitimierte Multi-Stakeholder-Plattform ist, in welcher neben Großunternehmen auch KMUs, die Zivilgesellschaft, die Wissenschaft und die Politik vertreten sind. Ein zweiter wichtiger Unterschied ist natürlich, dass der WBCSD eine globale Ausrichtung hat, während das DGCN vor allem auf nationaler Ebene agiert, wenngleich wir zunehmend auch mit deutschen Unternehmen und deren Zulieferern im Ausland zusammenarbeiten. Da globale Initiativen der lokalen Umsetzung bedürfen, und wir auch viele mittlere und kleine Unternehmen zu unseren Teilnehmern zählen, sind die Aktivitäten des DGCN wesentlich praxisorientierter ausgerichtet.
Die Teilnahme am DGCN ist freiwillig, aber viele der Themen, die hier behandelt werden, sind es längst nicht mehr. Sei es die EU-Berichtspflicht, Kinderarbeitsauf lagen aus UK und natürlich die Dekarbonisierungsthematik im Nachgang zum Pariser Klimabeschluss. Inwieweit verändert diese Pflicht und damit ja auch der Zwang den Charakter und die Arbeitsweise einer Initiative wie dem DGCN?
Richtig ist, dass der Global Compact von Anfang an auf Freiwilligkeit der Teilnehmer setzte und auch weiter setzen wird − das heißt aber nicht, dass alle der im Compact behandelten Themen ebenfalls freiwillig sind und sein müssen: im Gegenteil, Arbeitsstandards oder Korruptionsbekämpfung sind seit jeher in fast allen Ländern der Welt im Gesetz festgeschrieben. Ich würde behaupten, dass durch den nun zunehmenden Pflichtcharakter, auch etwa im Bereich Menschenrechte, das Interesse eher gestiegen ist. Wir können nun auch Unternehmen erreichen, die sich bislang noch nicht ernsthaft der Nachhaltigkeitsthematik gewidmet haben. Somit nimmt auch deren Bedarf an Unterstützung in der Wahrnehmung ihrer neuen Pflichten zu. Im DGCN versuchen wir dieser Nachfrage mit angepassten Lern- und Dialogformaten zu begegnen, die sich an Unternehmen unterschiedlichen Wissens- und Erfahrungsstands in der Umsetzung von Sozial- und Umweltstandards richten. Dazu gehören sowohl allgemeine Online-Seminare für Einsteiger wie auch Trainings für fortgeschrittene Anwender oder Peer-Learning Groups, in welchen sich führende Unternehmen zu Best Practices austauschen können.
Da möchte ich nachhaken: Für viele Teilnehmer ist die Beteiligung am Global Compact etwas, mit dem sie sich positiv hervortun können. Manche nutzen CSR sogar als ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber Wettbewerbern. Wenn jetzt aber alle zu verantwortlichem Handeln gedrängt werden, dann ist CSR ja nichts besonderes mehr. Welchen Anreiz gibt es dann für weitere Akteure, vor allem aus dem Mittelstand, sich beim DGCN zu beteiligen?
Es ist nicht unser Ziel, Unternehmen zu gewinnen, damit diese sich mit dem UN-Logo schmücken können, sondern um sie zu unterstützen, sich kontinuierlich zu verbessern. Die Teilnahme am Global Compact ist mit einer Selbstverpflichtung der Unternehmen verbunden, die zehn Prinzipien des Global Compact zu Menschenrechten, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung umzusetzen −und jährlich über ihre Fortschritte zu berichten. Andernfalls droht der Ausschluss, und dies traf auch schon über 5.000 Teilnehmer seit Gründung der Organisation im Jahr 2000. Das gibt der Initiative Glaubwürdigkeit und wird auch in Zukunft ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal des UN Global Compact sein. Im Übrigen ist der Global Compact von ursprünglich 50 Gründungsmitgliedern im Jahr 2000 kontinuierlich auf heute über 13.000 Teilnehmer gewachsen. Auch in Deutschland hatten wir einen Zuwachs von über zehn Prozent im letzten Jahr auf nunmehr knapp 450 Teilnehmer− über 80 Prozent davon Unternehmen. Ein weiterer wichtiger Faktor für den Zuwachs ist sicherlich, dass der „Business Case“ für Unternehmen immer offensichtlicher wird: verantwortungsvolle Unternehmen minimieren ihre Risiken, indem sie gegen kostspielige und rufschädigende Vergehen gegen Arbeitnehmer oder die Umwelt vorbeugen; sie können neue Geschäftsmöglichkeiten entwickeln, indem sie innovative Technologien und Lösungen für Nachhaltigkeitsherausforderungen entwickeln; und schließlich werden sie auch erfolgreicher beim Rekrutieren der hart umkämpften Talente auf dem Arbeitsmarkt sein, die ein Unternehmen mit gutem Ruf vorziehen werden.
Zur Person
Am 1. April 2016 übernahm Marcel Engel die Leitung der Geschäftsstelle des Deutschen Global Compact Netzwerks (DGCN) in Berlin. Er bringt über zwei Jahrzehnte Berufserfahrung in der Zusammenarbeit der Entwicklungshilfe mit der Wirtschaft mit. Durch seine langjährige Tätigkeit beim World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) in Genf greift er auf fundierte Erfahrungen in der Förderung verantwortungsvoller und nachhaltiger Unternehmensführung zurück und bringt diese im DGCN ein. Beim WBCSD baute er als Führungskraft das globale Netzwerk von Partnerorganisationen auf. Gleichzeitig führte er zahlreiche Projekte in enger Zusammenarbeit mit weltweit tätigen Unternehmen. Schwerpunktthemen waren dabei unter anderem Armutsbekämpfung, Einkommensbeschaffung, Menschenrechte und Reporting.
UN-Entwicklungsziele
Mit den UN-Entwicklungszielen (SDGs) haben wir auf internationaler Ebene bis 2030 einen politischen Handlungsrahmen mit klarem Mandat. Der Global Compact versteht seine Aufgabe darin, die SDGs in Wirtschaftssprache zu übersetzen. Kannst du uns diesen Übersetzungsauftrag erläutern? Was heißt das konkret?
Als in der UN verankerte Organisation hat der Global Compact tatsächlich ein Mandat erhalten, Unternehmen bei der Auslegung und Umsetzung der SDGs zu unterstützen. Und es ist essenziell, die Wirtschaft einzubinden, da ohne deren Innovations- und Investitionskraft die ambitionierten Ziele für eine gerechtere und nachhaltige Welt nicht erreicht werden können. Daher sind wird auf globaler wie nationaler Ebene bestrebt, die SDGs den Unternehmen schrittweise näherzubringen. Dabei geht es zunächst einmal darum, die Relevanz einzelner SDGs für Unternehmen zu erläutern, sowohl in Bezug auf Risiken als auch auf Chancen, die je nach Land und Sektor erheblich variieren können. Wir haben auch mehrere konkrete Fallbeispiele von Unternehmen im DGCN dokumentiert, die ebenfalls als Referenz hilfreich sein können. Ebenso sind wir bestrebt, durch hochkarätige Großveranstaltungen und regionale Roadshows in Zusammenarbeit mit verschiedenen Industrie- und Handelskammern Unternehmer für die SDGs zu sensibilisieren.
Wenn man die SDGs zu Ende denkt, ist das ja nicht ohne: Der Global Compact steht ursprünglich für den defensiven Gedanken „do no harm“. Es geht also darum, so zu wirtschaften, dass künftige Generationen möglichst viele Optionen behalten. Die SDGs wiederum bedeuten „be part of the change“. Unternehmen sollen also offensiv die Welt und die Situation künftiger Generationen ändern. Sind das nicht komplett neue Spielregeln?
Bei den SDGs geht es nicht um ein „Entweder-oder“ sondern vielmehr um ein „Sowohl-als-auch“. Es muss vermieden werden, dass Unternehmen ihre Verantwortung vernachlässigen und sich die SDGs heraussuchen, die ihnen am besten passen − also sozusagen „Rosinenpicken“ betreiben. Das wäre absolut kontraproduktiv. Vielmehr geht es darum, zunächst einmal die negativen Folgen ihres unternehmerischen Handelns durch die konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips zu minimieren − also dem „do no harm“. Dies fördert der UN Global Compact aktiv seit seiner Gründung, indem er Unternehmen unterstützt, die zehn Prinzipien zu Menschenrechten, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsprävention umzusetzen, die sich allesamt in den SDGs widerspiegeln. Auf bauend auf der Erfüllung ihrer Pflicht zum verantwortungsvollen Handeln unterstützt der Global Compact Unternehmen natürlich auch, neue Geschäftsmöglichkeiten im Rahmen der SDGs zu identifizieren und zu nutzen, also im „find opportunities“. Angesichts der dringend erforderlichen Privatinvestitionen zur Verwirklichung der SDGs gibt es viele Möglichkeiten für Unternehmen, durch innovative Produkte und Dienstleistungen nicht nur direkt zur Verwirklichung der SDGs beizutragen, sondern auch neue Märkte zu entwickeln und zu erweitern. Eine klassische Win-win-Situation also.
Es bleibt aber immer ein Vakuum politischer Legitimation. Unternehmen sind nicht legitimiert, politische Aufgaben zu übernehmen. Aber kommen wir nicht unweigerlich in solche Fahrwasser, wenn Firmen in den Feldern Bildung, Gesundheit, Sicherheit staatliche Aufgaben übernehmen? Gerade auch in Staaten mit schwacher Staatlichkeit?
Die SDGs wurden einstimmig von der Weltgemeinschaft verabschiedet, repräsentieren daher einen breiten Konsens und haben einen hohen Grad an Legitimität, auf die sich auch Unternehmen berufen können. Die Herausforderung ist vielmehr, Unternehmen substanzieller an der Umsetzung der SDGs zu beteiligen − nicht, sie davon abzuhalten. Dies bedarf zum einem Partnerschaften mit Regierungen und der Zivilgesellschaft, um Barrieren zu überwinden und nachhaltigkeitsfördernde regulatorische und institutionelle Rahmenbedingungen zu schaffen. Es bedarf aber auch einer Bewusstseinsänderung in der Wirtschaft, verbunden mit dem Verständnis, dass die Umsetzung der SDGs letztendlich in ihrem eigenen Interesse ist. Wie eben erläutert, können Unternehmen Risiken minimieren, neue Geschäftsmöglichkeiten entwickeln und ihre Reputation anhand der SDGs verbessern. Zudem gilt das englische Sprichwort: „business can´t succeed in a society that fails“. Insofern leisten die SDGs auch einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in Form von stabileren Gesellschaften, wachsenden Märkten, besser ausgebildeten Arbeitskräften, effizienteren Institutionen und der längerfristigen Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen, von denen viele Unternehmen abhängig sind.
Lieferketten
Im Moment wird die Nachhaltigkeits-Diskussion oft so geführt, als läge der Ball im Feld der Wirtschaft. Das gilt vor allem beim Thema Lieferkette. Das DGCN verstärkt deshalb sein Engagement im Ausland, hier vor allem in Südafrika und Indien. Was macht ihr dort?
In der Tat werden Unternehmen in unserer vernetzten und transparenten Gesellschaft nicht nur für ihre eigenen Aktivitäten zur Rechenschaft gezogen, sondern zunehmend auch für die ihrer Zulieferer. Daher ist die Lieferkettenthematik ins Zentrum der Aufmerksamkeit geraten, nicht zuletzt infolge von tragischen Unfällen oder Vergehen, die die Lieferketten einer breiten Palette von Sektoren betroffen hat, u. a. in der Textilindustrie, in der Forstwirtschaft, in Verbindung mit gewissen Rohstoffen − wie Diamanten und Rohöl − oder Agrarprodukten− wie Kakao und Palmöl.
Daher bezieht sich bereits seit einiger Zeit ein Großteil unserer Aktivitäten im DGCN direkt auf die nachhaltige Gestaltung von Lieferketten, sei es über das Management von Scope 3 − Treibhausgasemissionen, Geschäftspartner-Compliance oder das Achten von Menschenrechten. Dabei bieten wir unsere Lern- und Austauschformate zunehmend auch im Ausland an, so zum Beispiel Trainings zur menschenrechtlichen Sorgfalt in der Lieferkette für deutsche Niederlassungen und ihre Zulieferer in Südafrika und Indien, die wir Ende 2016 durchgeführt haben. Extrem wertvoll waren dabei unsere Global Compact-Partnernetzwerke vor Ort sowie die Auslandshandelskammern, bei denen wir die Trainings veranstaltet haben. Die sehr positive Resonanz zeigt uns, dass wir mit dem Ansatz durchaus richtig lagen und nun schauen müssen, wie wir diese Pilotformate weiter ausbauen.
Lieferketten sind von Natur aus komplex und sensibel. Die klassischen Reflexe angesichts von potenziellen Risiken sind Kontrollen, Sanktionsandrohungen, hierarchische Beziehungen. Kann man solche Geschäftsbeziehungen auch anders, intrinsischer organisieren, oder
ist das Sozialromantik?
Es gibt in Lieferbeziehungen für beide Seiten genügend handfeste Gründe, sich stärker für ein nachhaltiges Management zu engagieren − und wir sprechen hier vor allem von einem Engagement jenseits von Checklisten und strikten Kontrollen. Es gibt mittlerweile zahlreiche Beispiele von Firmen, die ihre Lieferkette nicht mehr alleine über Audits steuern, die oftmals diesen angesprochenen „hierarchischen“ Charakter haben und im schlimmsten Fall dazu führen, dass der Zulieferer nur noch eine Liste abarbeitet, aber keine Sensibilität für die notwendigen Verbesserungen entwickelt.
Vor allem gemeinsam gestaltete Aus- und Weiterbildungsformate sowohl für das Management der Zuliefererbetriebe als auch für die Arbeiterinnen und Arbeiter erweisen sich hier als sehr wertvolle Ergänzung. Weniger Fluktuation unter den Angestellten, geringere Anfälligkeit für Streiks bis hin zu verbesserter Produktivität: All das wurde von fortschrittlichen Unternehmen in diesem Kontext bereits nachweislich erreicht.
Wir Deutschen neigen dazu, unsere eigene Rolle in der Welt als sehr stark und bestimmend anzusehen, und für Lieferketten-Akteure heißt das, dass sie nach unseren Wünschen spuren sollen. Andere Länder haben aber ihre eigenen Ansichten, und viele Lieferanten sind alles andere als Lauf burschen. Wie können wir in der Praxis globale Lieferketten effektiv managen und dabei nationale und kulturelle Befindlichkeiten einfangen?
Zunächst einmal beruhen die allermeisten Standards und Anforderungen an das nachhaltige Management von Lieferketten nicht auf deutschen Initiativen, sondern sind in internationalen Vereinbarungen festgeschrieben. Somit gelten sie grundsätzlich für die Zuliefererbetriebe genauso wie für die deutschen (und anderen europäischen) Counterparts. Problematisch wird es für die Nachhaltigkeit in der Lieferkette ja besonders in Ländern mit schwachen legalen und institutionellen Rahmenbedingungen, in welchen also die Regierung entweder nicht in der Lage oder nicht willens ist, gewisse Standards festzuschreiben oder durchzusetzen. Wenn sich hier deutsche und internationale Unternehmen stärker engagieren, ist das erst einmal uneingeschränkt positiv zu bewerten. Um jedoch dann nicht in eine Rhetorik des „Wir gegen die“ abzurutschen und die Lieferanten nicht wie Lauf burschen zu behandeln, empfiehlt sich als Grundkonzept genau der vorhin angesprochene Fokus auf die gemeinsame Gestaltung der Geschäftsbeziehungen. Bewusstseinsbildung, Dialog und gemeinsame Lernformate als Ausgangspunkt sind sicherlich vielversprechender als ein einmal jährliches Audit.
Globalisierung
Globalisierung ist das Stichwort für den letzten Themenblock. Der Global Compact entstand zur Jahrtausendwende in einer Zeit, als viel Angst vor der Globalisierung herrschte. Heute sind wir wieder in so einer Situation. Sieht das DGCN sich als aktiven Teil einer Debatte um Globalisierungsängste, Freihandelsabkommen und den neuen Nationalismus? Oder sind diese Themen nicht Teil der Agenda?
Der Global Compact wurde tatsächlich vom damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan ins Leben gerufen, um die Kräfte der Märkte mit universellen Idealen zu verbinden − und so sicherzustellen, dass die Globalisierung auch den Benachteiligten und den zukünftigen Generationen zugutekommt. Der Globalisierungsprozess hat ohne Frage maßgeblich dazu beigetragen, dass Hunderte von Millionen Einwohner in Entwicklungs- und vor allem Schwellenländern der Armut entrinnen und ihre Lebensverhältnisse verbessern konnten.
Allerdings haben sich die ökologischen Herausforderungen eher verschärft − ebenso wie die sozialen Ungleichheiten in vielen Ländern. Dies kombiniert mit einer diffusen Angst vor Überfremdung, gerade unter den sich vernachlässigt fühlenden Verlierern der Globalisierung, trägt sicherlich dazu bei, dass rückwärtsgewandte, nationalistische Kräfte vielerorts an Auftrieb gewinnen. Dies ist natürlich ein zentrales Thema für den Global Compact. Die konsequente Umsetzung der SDGs ist das beste Mittel, um der aufkeimenden Abschottung, demNationalismus und dem Populismus entgegenzuwirken. In den SDGs ist der Teil der Globalisierungsthematik enthalten, der bisher vernachlässigt wurde und dringend stärker in den Fokus gerückt werden muss, um im Sinne unseres Gründers, Kofi Annan, der Globalisierung ein „menschliches“ (ich würde auch „ökologisches“ hinzufügen) Antlitz zu verleihen, bevor es zu spät ist.
Der Grundgedanke des Global Compact beruht auf Multi-Stakeholder-Beteiligung und Multilateralismus. Jetzt erleben wir aber eine Zeit, in der immer weniger Bereitschaft herrscht, gemeinsame Lösungen zu finden. Politik und Wirtschaft sind stattdessen von Uneinigkeit bestimmt. Konsens ist ein Fremdwort. Ist die Idee und auch das Ideal des Global Compact also noch zeitgemäß?
Ich würde eher behaupten, dass sich unter allen Stakeholdern zahlreiche Akteure finden lassen, die an einer Zusammenarbeit für eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft interessiert sind. Ein gutes Beispiel für eine effektive Zusammenarbeit in diesem Sinne stellt der dreijährige Vorbereitungsprozess der SDGs dar, an welchem Teilnehmer aus der Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft intensiv teilnahmen. Die SDGs wurden dann auch einstimmig von allen 193 UN-Mitgliedstaaten im September des vorigen Jahres verabschiedet. Ganz im Sinne des SDG 17 geht es also darum, effektive Partnerschaften von gleichgesinnten Stakeholdern zu schaffen, um die Agenda 2030 voranzutreiben − auch gegen Opposition. Also eine Art „Coalition of the Willing“, aber unter anderen Vorzeichen als denjenigen, unter denen dieser Begriff im letzten Jahrzehnt konzipiert wurde.
Welche Impulse und Richtungsvorgaben erwartet respektive erhofft sich das DGCN vom neuen UN-Generalsekretär António Guterres?
Als ehemaliger Regierungschef seines Heimatlandes und Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen bringt Guterres einen idealen Erfahrungsschatz und hohe Glaubwürdigkeit in die Position mit. Dass António Guterres zuletzt eine führende internationale Rolle in einer Thematik ausübte, die uns in Deutschland besonders intensiv beschäftigt, ist ein zusätzlicher Pluspunkt aus unserer Perspektive. Er wird der UN sicherlich neue Impulse geben, und wir erwarten, dass er ebenso wie seine Vorgänger zu einem enthusiastischen Unterstützer desUN Global Compact wird. Denn die effektive Einbindung der Wirtschaft für eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft ist im Hinblick auf die erwähnten enormen sozio-ökonomischen, ökologischen und politischen Herausforderungen heute wichtiger denn je.
Lieber Marcel, herzlichen Dank für das Gespräch.
Im Original ist der Text im Jahrbuch "Global Compact Deutschland 2016" erschienen.